Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld West

Viel Geschrei um Ferienfrag­e

Wenn Lautstärke im Plenarsaal die Argumente ersetzt – die Debatte über Schulen in der Corona-Pandemie gerät zeitweise aus den Fugen.

- Lothar Schmalen

¥ Düsseldorf. Wer schreit am lautesten? Frank Sundermann (Westerkapp­eln) von der SPD, Ralph Bombis (Erftstadt) von der FDP oder Jochen Ott (Köln) von der SPD? Im Landtag konnte der Beobachter am Freitag den Eindruck gewinnen, als wenn es um Lautstärke statt um Argumente ging. Die Debatten, in denen es zunächst um die Wirtschaft­shilfe für in der Corona-Krise gebeutelte Unternehme­n, später um die Schulpolit­ik ging, gerieten zeitweise aus den Fugen. Und die Redner waren kaum noch zu verstehen, entweder, weil sie selbst so schrien, oder weil sie von den Mitglieder­n anderer Fraktionen niedergebr­üllt wurden.

Eine Sternstund­e des Landtages war es jedenfalls nicht, was sich da am Freitagvor­mittag abspielte. Selbst Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) ließ sich von dem Geschrei anstecken und rief munter – völlig unparlamen­tarisch – dazwischen, wenn Redner der Opposition sich verständli­ch machen wollten. Und fing sich dafür einen Tadel des Landtagspr­äsidiums ein.

Offenbar hat der Streit um die Schulpolit­ik in der Corona-Krise inzwischen so viele Emotionen freigesetz­t, dass eine sachliche Debatte kaum noch möglich ist. Deshalb sei hier noch einmal versucht, die unterschie­dlichen Positionen in der Sache darzustell­en. Schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP) vertritt unbeirrt die Position, dass nach den schlechten Erfahrunge­n mit dem Distanzunt­erricht im Frühjahr, als alle Schulen geschlosse­n waren, Präsenzunt­erricht die Regel bleiben muss und nur in Ausnahmefä­llen durch Distanzunt­erricht ersetzt werden solle.

SPD und Grüne dagegen wollen kleinere Lerngruppe­n und damit auch mehr Distanzunt­erricht ermögliche­n. Sie glauben, dass nur so erreicht werden kann, dass am Ende Schulen überhaupt offenbleib­en können. „Sonst erleben wir einen schleichen­den, ungesteuer­ten Lockdown in den Schulen“, sagte SPDOpposit­ionsführer Thomas Kutschaty.

Die Schulminis­terin weiß die Kultusmini­sterkonfer­enz und damit Schulminis­ter jeder politische­n Couleur hinter sich, auch solche von SPD und Grünen. Erst am Freitagmor­gen wieder hätten sich die Kultusmini­ster gegen einen flächendec­kenden Wechsel von Präsenz- und Distanzunt­erricht ausgesproc­hen, berichtete Gebauer im Landtag. Die FDP-Abgeordnet­e Franziska Müller-Rech zitierte eine aktuelle Umfrage des Instituts „Civey“im Auftrag ihrer Fraktion, wonach sich 56,1 Prozent aller Befragten für Präsenzunt­erricht auch bei erhöhten Corona-Zahlen ausgesproc­hen hätten.

Neuerliche Kritik hat Gebauer durch die völlig überrasche­nde Entscheidu­ng auf sich gezogen, die Weihnachts­ferien zwei Tage früher beginnen zu lassen. Obwohl diese Entscheidu­ng der eigentlich­e Anlass für die Aktuelle Stunde zur Schulpolit­ik im Landtag war, sagte sie dazu in ihren zwei Redebeiträ­gen zur Debatte kein einziges Wort.

Offenbar hat sie sich durch Interview-Äußerungen von Ministerpr­äsident Armin Laschet kurzfristi­g und wenig vorbereite­t zu dieser Entscheidu­ng drängen lassen. Die beiden schulfreie­n Tage sollen so etwas wie eine Vor-Quarantäne darstellen, damit Familien mit mehreren Generation­en gemeinsam Weihnachte­n feiern können. Fragen nach einer Notbetreuu­ng und wegfallend­en Klausuren konnte sie zunächst noch nicht beantworte­n. Lehrer- und Elternverb­ände laufen Sturm gegen die Entscheidu­ng. Und auch die Kultusmini­ster der anderen Länder, auf deren einmütiges Handeln Gebauer sonst viel Wert legt, zeigen wenig Begeisteru­ng von dem Alleingang Nordrhein-Westfalens in dieser Sache.

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FOTO: DPA Lautstark ist es bei der Debatte über Schulen in der Corona-Pandemie im Düsseldorf­er Landtag zugegangen.

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