Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld West
Fünf Corona-Tote in sechs Tagen
Stabile Infektionszahlen auf hohem Niveau sind für den Sozialdezernenten Ingo Nürnberger schon ein kleiner Hoffnungsschimmer. Entwarnung für Lockerungen im Dezember will und kann er aber noch nicht geben.
¥ Bielefeld. Triste Novemberstimmung hat sich über weite Teile der Stadt gelegt. Die Einzelhändler klagen über nur schleppende Geschäfte, Selbstständige bangen um ihre Existenz, Gastronomie findet nicht mehr statt, Nasen- und Mundschutz sind vielen Menschen lästig. Die Weihnachtsferien werden um zwei Tage verlängert, berufstätige Eltern fragen sich, wohin mit den Kindern. Die Krankenhäuser werden voller und voller, Intensivbetten sind vorhanden, doch es fehlt das Pflegepersonal.
Und ein Ende der Tristesse ist nicht in Aussicht. Nach Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel kommen schwere Wintermonate auf uns zu. Sozialdezernent Ingo Nürnberger, Leiter des Krisenstabs der Stadt, wollte so im Gespräch mit der Lokalredaktion kein wesentlich farbenfreudigeres Bild Richtung Weihnachtsfest zeichnen.
„570 Neuinfektionen in einer Woche, dies ist so hoch wie in der vergangenen Woche. 30 Prozent davon sind über 50 Jahre alt, die dann auch schon eher zu den Risikopatienten gehören. Die gute Botschaft ist, dass die Gesamtzahl der Infizierten nicht weiter sprunghaft angestiegen ist. Doch man wird sich daran gewöhnen müssen, dass die Zahlen momentan nicht stark zurückgehen werden. Wir werden sicherlich mit der ein oder anderen Einschränkung weiterleben müssen“, beschreibt Nürnberger das derzeitige Bild.
Er gehe nicht davon aus, dass sich nach dem Treffen der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten am Montag Lockerungen ergeben könnten. In der Stadt gibt es jetzt offiziell 15 Menschen, die im Zusammenhang mit dem Coronavirus gestorben sind, zumeist ältere Menschen zwischen 87 und 97 Jahren. Das geht aus Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) hervor. So wurden zwei weitere Todesfälle gestern für unsere Stadt gemeldet. Innerhalb einer Woche gibt es in Bielefeld damit fünf Corona-Tote. Das Durchschnittsalter der Verstorbenen liegt bei über 82 Jahren. Einige hatten schwere Vorerkrankungen.
Die Intensivstationen der Krankenhäuser müssen inzwischen immer mehr Patienten aufnehmen. Darunter befinden sich auch junge Menschen, die es schwer erwischt hat. In den Hospitälern der Stadt werden 74 Menschen mit Corona behandelt, 29 davon auf der Intensivstation, 23 werden auch beatmet.
Werden wir im Dezember einen Notstand in den Krankenhäusern haben, werden wir weiter mit den Einschränkungen leben müssen? Diese Frage mag Nürnberger nicht beantworten. „Ich will nicht spekulieren. Es liegt vermutlich an uns, ob wir uns an die Regeln halten und sich damit die Zahlen stabilisieren oder sogar sinken. Ziel ist es natürlich, dass wir vernünftig mit der Familie Weihnachten feiern können. Dafür müssen wir alle gemeinsam arbeiten“, sagt Nürnberger.
Dass die Schulferien zu Weihnachten in diesem Jahr zwei Tage eher als geplant beginnen, sieht der Sozialdezernent als großen Stress und Überforderung für viele Eltern. Möglicherweise werden die Kinder dann zu den Großeltern gebracht, bringen Corona aus der Schule mit und infizieren erneut. Man könne die Ferien verlängern, um Neuinfektionen vorzubeugen, aber es führe in der Praxis zu vielen Problemen. Es sei letztlich eine Entscheidung des Landes und nicht der Kommunen gewesen. „Es gibt sicherlich effizientere Möglichkeiten in Schulen, um die Kinder zu schützen. Klassen teilen, stärker auf Distanzlernen setzen – aber das Land möchte nicht darauf eingehen.“
Gibt es eigentlich eine Dunkelziffer an Corona-Infizierten in der Stadt? Der Sozialdezernent bejaht dies. „Es gibt eine relativ hohe Dunkelziffer. Man ist immer davon ausgegangen, dass auf jeden Erkrankten zwei bis drei weitere, nicht erfasste Fälle kommen. Doch die Zahl wird mit den zunehmenden Tests sinken. Nur das Gesundheitsamt hat in den vergangenen Wochen 2.000 bis 2.500 Tests vorgenommen. Wer einen engen
Kontakt zu einer infizierten Person hatte und selber Symptome spürt, sollte umgehend seinen Hausarzt aufsuchen, der dann testet. Gesundheitsamt oder Krankenhäuser sind die falsche Adresse“, stellt Ingo Nürnberger klar.
Wo sich wer ansteckt, das könne nur schwer nachgewiesen werden, sagt der Sozialdezernent. Familie und Arbeitsleben würden dabei eine große Rolle spielen. Es gebe in Dornberg in einer Villa Ansteckungen, aber ebenso auch in der kleinen Wohnung in Sieker. Allerdings seien Geringverdiener mit kleinem Wohnraum gefährdeter als jene in großen Wohnobjekten.
Über den bevorstehenden Impfstoff freut sich Nürnberger riesig. Er hofft dann auf weniger Arbeit, wenn „das Gold“, wie er sagt, endlich geimpft werden kann. „Wir sind auf der Suche nach einer neuen Immobilie, in der das Impfzentrum eingerichtet werden kann.“