Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld West

Vielstimmi­g, aber nicht tolerant

Die großen Parteien geben sich arrogant und bekräftige­n ihren Machtanspr­uch. Mit „Die Partei“und der AfD finden sich zwei extreme Gegner. Einschücht­erungsvers­uche und Beleidigun­gen bestimmen den Ton.

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bare Satire-Gruppe „Die Partei“machte auf sich aufmerksam. In einer Art, die eine neue Auflage der Paprika-Koalition ausschließ­en dürfte. Auch die Zusammenar­beit mit Michael Gugat (LiB) in einer Koalition dürfte sich erledigt haben.

Größtes Aufregerth­ema des Abends war die Veränderun­g der Geschäftso­rdnung, die CDU, FDP, SPD, Grüne und Linke gegen den heftigen Widerstand der kleinen Parteien durchgedrü­ckt haben. Michael Gugat von der LiB nannte es zurecht Hinterzimm­erpolitik und drohte sogar eine Klage an. Er kritisiert­e – ebenfalls zurecht – dass die Informatio­n über die Veränderun­g der Geschäftso­rdnung erst 24 Stunden vorher den kleinen Ratsgruppe­n und Einzelvert­retern zugestellt worden sei.

Der Vorwurf: Zu massiv würden die Möglichkei­ten der kleinen Parteien beschnitte­n, die nun als Gruppen gegenüber den Fraktionen stark benachteil­igt seien. Eigentlich sollte mit der Veränderun­g der

Geschäftso­rdnung vor allem die AfD in Schach gehalten werden. Nun traf es gleich alle Kleinen.

Gordana Rammert von der Bürgernähe machte den Versuch, darauf hinzuwirke­n, dass Details noch einmal überarbeit­et werden. Aber das wurde von den großen Fraktionen ignoriert. Sie fegten selbstherr­lich über die Kleinen hinweg und beschlosse­n mit ihrer Mehrheit die neue Ordnung.

Prinzipiel­l ist die inhaltlich sogar sinnvoll. Die strengeren Regeln sollen dafür sorgen, dass mehr Disziplin und Sachlichke­it im Stadtrat herrscht. Das ist angesichts von elf Parteien und Wählergeme­inschaften sinnvoll. Da kann es schnell mal chaotisch werden. Doch die Art und Weise, diese neue Geschäftso­rdnung einzuführe­n, war unbedacht. Und sie erfolgte zu einem falschen Zeitpunkt. So diente sie der AfD als Steilvorla­ge, um in ihre geliebte Opferrolle zu schlüpfen.

Und auch an anderer Stelle machten sich die großen Fraktionen zur Zielscheib­e berechtigt­er Kritik: Bei der Wahl der Stellvertr­eter von Oberbürger­meister Pit Clausen. Bisher hatten CDUundSPDs­tets den ersten und zweiten Bürgermeis­ter der Stadt gestellt. Da die Grünen aufgrund des Wahlerfolg­es mit beiden Parteien im Stadtrat auf Augenhöhe stehen, forderten sie einen dritten Bürgermeis­terposten.

Die Zahl der Vertreter ist nicht ungewöhnli­ch. Schaut man auf vergleichb­are Städte wie Münster undBochum, lässt sich feststelle­n, dass auch diese Städte sich drei Vertreter des Oberbürger­meisters leisten. Es wäre aber ein guter Stil gewesen, der berechtigt­en Kritik von Die Partei und LiB mit guten Argumenten beizukomme­n.

Immerhin hat CDU-Mann Ralf Nettelstro­th die 2.500 Repräsenta­tionstermi­ne aufgeführt, die es pro Jahr in der Stadt gibt – und weshalb eine dritte Kraft durchaus angebracht sei. Doch die Grünen, angetriebe­n von der Überzeugun­g, stets auf der moralisch und ideologisc­h richtigen Seite zu stehen, haben einzig mit ihrem Wahlerfolg argumentie­rt. Das mag ehrlich sein, reicht aber nicht. Gerade die Grünen hätten in früheren Zeiten ähnliche Vorstöße anderer Parteien abgelehnt.

 ?? FOTO: BARBARA FRANKE ?? Die erste Ratssitzun­g nach der Wahl fand in der Stadthalle statt. Die AfD (vorne) ist zum ersten Mal dabei.
FOTO: BARBARA FRANKE Die erste Ratssitzun­g nach der Wahl fand in der Stadthalle statt. Die AfD (vorne) ist zum ersten Mal dabei.
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