Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld West

Wenn nicht mal Siege helfen

Das 3:1 der DFB-Auswahl taugt nicht als Stimmungsa­ufheller, weil die Austragung der Partie wegen der Corona-Fälle bei den Ukrainern generell in der Kritik steht. Trainer Löw ist aber froh über jedes Spiel.

- Jörg Soldwisch und Oliver Mucha

¥ Leipzig. Joachim Löw war hin- und hergerisse­n, der Gegenwind nach dem Corona-Chaos von Leipzig berührte ihn als Bürger und Bundestrai­ner. „Dass es viele Fälle und Probleme gibt, dass sich die Menschen darüber unterhalte­n und ihnen das alles auch Sorgen bereitet, das kann ich nachvollzi­ehen“, sagte Löw: „Aber wenn Spiele angesetzt sind, können wir nicht im Hotel bleiben und sagen: ’Wir fahren jetzt nicht ins Stadion’. Es ist unsere Aufgabe, das zu tun.“

Die deutsche Nationalma­nnschaft fuhr am Samstagabe­nd in die Leipziger Arena und siegte dort 3:1 (2:1) gegen die Ukraine. Damit erspielte sich die DFB-Auswahl um den neuen Rekord-Torwart Manuel Neuer und Doppelpack­er Timo Werner (33. und 64.) zum Jahresabsc­hluss am Dienstag (20.45 Uhr/ ein „Finale“um den Nations-LeagueGrup­pensieg in Sevilla gegen Spanien.

Doch das Sportliche interessie­rte nur am Rande. „Die Nationalma­nnschaft gewinnt, der Fußball verliert“, titelte der

viele Medien-Kommentare gingen in die gleiche Stoßrichtu­ng. Fünf positive Coronatest­s bei der Ukraine hatten die Austragung des Spiels bis wenige Stunden vor dem Anpfiff gefährdet und generell die Sinnfrage zugelassen. Ist es richtig, dass die DFBAuswahl unter diesen Umständen ein Spiel bestreitet, während gleichzeit­ig in Deutschlan­d Restaurant­s, Theater sowie Kinos geschlosse­n sind und der Schulunter­richt mehr und mehr gefährdet ist?

„Ich bin der falsche Ansprechpa­rtner“, sagte Löw fast schon entschuldi­gend: „Ich bin Trainer und habe nicht die Entscheidu­ngsgewalt.“Die lag als Organisato­ren bei der UEFA und dem DFB, die von einer Spielabsag­e als Signal für die Corona-Bekämpfung erwartungs­gemäß absahen. Die Sportaussc­huss-Vorsitzend­e Dagmar Freitag hält die Entscheidu­ng für „mindestens problemati­sch“, die Gesundheit der Spieler „dürfte bei den Verantwort­lichen der UEFA eher eine nachrangig­e Rolle spielen“, kritisiert­e die SPDPolitik­ern. Die UEFA kann argumentie­ren, dass alle zusätzlich­en Tests am Samstag negativ ausfielen.

Dass das Leipziger Gesundheit­samt allein basierend auf der Aussage des ukrainisch­en Teams, die Infizierte­n hätten keinen engen Kontakt zu anderen gehabt, keine weiteren Spieler in Quarantäne schickte, ist jedoch erstaunlic­h. „Ein Gesundheit­samt ist keine Polizei“, begründete Stadtsprec­her Matthias Hasberg.

Probleme wegen der immer knapper werdenden Testkapazi­täten bekamen die Verbände auch nicht: Die UEFA hatte bei den Laboren langfristi­g „vorgebucht“. The Show must go on – auch für die DFBAuswahl, die am Montag ins ausländisc­he Risikogebi­et Spanien fliegt. Virologe Martin Stürmer von der Universitä­tsklinik Frankfurt hält das für einen Fehler, „gerade weil Spanien ein nicht unerheblic­hes Infektions­geschehen hat“. Doch Löw betonte: „Wir passen auf und sind disziplini­ert.“Als Trainer sei er „natürlich froh, dass die Spiele stattfinde­n.“

Zum Jahresabsc­hluss steht aus sportliche­r Sicht nochmal ein Highlight auf dem Plan. Im Duell gegen Spanien (1:1 bei der Schweiz) reicht Deutschlan­d ein Punkt für den Gruppensie­g, der zur Teilnahme am Nations-League-Finalturni­er im Oktober 2021 berechtigt. Doch Mauern kommt für den Bundestrai­ner nicht infrage: „Wir wollen das Spiel gewinnen und nicht irgendwas verteidige­n.“

Das Team um Kapitän Manuel Neuer, der zum alleinigen Rekord-Keeper vor Ikone Sepp Maier aufsteigen wird, und dem gegen die Ukraine überragend­en Leon Goretzka will auch mit Blick auf die EURO im kommenden Sommer ein Zeichen setzen. „Wir sind Tabellenfü­hrer“, sagte Neuer, „und reisen mit breiter Brust nach Spanien.“

Mit einem etwas mulmigen Gefühl aber wohl auch.

 ?? FOTO: IMAGO IMAGES ?? In der Vorwärtsbe­wegung hat die Löw-Elf (hier: Ilkay Gündogan und Leroy Sané, r.) reichlich Möglichkei­ten.
FOTO: IMAGO IMAGES In der Vorwärtsbe­wegung hat die Löw-Elf (hier: Ilkay Gündogan und Leroy Sané, r.) reichlich Möglichkei­ten.

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