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Wenn nicht mal Siege helfen
Das 3:1 der DFB-Auswahl taugt nicht als Stimmungsaufheller, weil die Austragung der Partie wegen der Corona-Fälle bei den Ukrainern generell in der Kritik steht. Trainer Löw ist aber froh über jedes Spiel.
¥ Leipzig. Joachim Löw war hin- und hergerissen, der Gegenwind nach dem Corona-Chaos von Leipzig berührte ihn als Bürger und Bundestrainer. „Dass es viele Fälle und Probleme gibt, dass sich die Menschen darüber unterhalten und ihnen das alles auch Sorgen bereitet, das kann ich nachvollziehen“, sagte Löw: „Aber wenn Spiele angesetzt sind, können wir nicht im Hotel bleiben und sagen: ’Wir fahren jetzt nicht ins Stadion’. Es ist unsere Aufgabe, das zu tun.“
Die deutsche Nationalmannschaft fuhr am Samstagabend in die Leipziger Arena und siegte dort 3:1 (2:1) gegen die Ukraine. Damit erspielte sich die DFB-Auswahl um den neuen Rekord-Torwart Manuel Neuer und Doppelpacker Timo Werner (33. und 64.) zum Jahresabschluss am Dienstag (20.45 Uhr/ ein „Finale“um den Nations-LeagueGruppensieg in Sevilla gegen Spanien.
Doch das Sportliche interessierte nur am Rande. „Die Nationalmannschaft gewinnt, der Fußball verliert“, titelte der
viele Medien-Kommentare gingen in die gleiche Stoßrichtung. Fünf positive Coronatests bei der Ukraine hatten die Austragung des Spiels bis wenige Stunden vor dem Anpfiff gefährdet und generell die Sinnfrage zugelassen. Ist es richtig, dass die DFBAuswahl unter diesen Umständen ein Spiel bestreitet, während gleichzeitig in Deutschland Restaurants, Theater sowie Kinos geschlossen sind und der Schulunterricht mehr und mehr gefährdet ist?
„Ich bin der falsche Ansprechpartner“, sagte Löw fast schon entschuldigend: „Ich bin Trainer und habe nicht die Entscheidungsgewalt.“Die lag als Organisatoren bei der UEFA und dem DFB, die von einer Spielabsage als Signal für die Corona-Bekämpfung erwartungsgemäß absahen. Die Sportausschuss-Vorsitzende Dagmar Freitag hält die Entscheidung für „mindestens problematisch“, die Gesundheit der Spieler „dürfte bei den Verantwortlichen der UEFA eher eine nachrangige Rolle spielen“, kritisierte die SPDPolitikern. Die UEFA kann argumentieren, dass alle zusätzlichen Tests am Samstag negativ ausfielen.
Dass das Leipziger Gesundheitsamt allein basierend auf der Aussage des ukrainischen Teams, die Infizierten hätten keinen engen Kontakt zu anderen gehabt, keine weiteren Spieler in Quarantäne schickte, ist jedoch erstaunlich. „Ein Gesundheitsamt ist keine Polizei“, begründete Stadtsprecher Matthias Hasberg.
Probleme wegen der immer knapper werdenden Testkapazitäten bekamen die Verbände auch nicht: Die UEFA hatte bei den Laboren langfristig „vorgebucht“. The Show must go on – auch für die DFBAuswahl, die am Montag ins ausländische Risikogebiet Spanien fliegt. Virologe Martin Stürmer von der Universitätsklinik Frankfurt hält das für einen Fehler, „gerade weil Spanien ein nicht unerhebliches Infektionsgeschehen hat“. Doch Löw betonte: „Wir passen auf und sind diszipliniert.“Als Trainer sei er „natürlich froh, dass die Spiele stattfinden.“
Zum Jahresabschluss steht aus sportlicher Sicht nochmal ein Highlight auf dem Plan. Im Duell gegen Spanien (1:1 bei der Schweiz) reicht Deutschland ein Punkt für den Gruppensieg, der zur Teilnahme am Nations-League-Finalturnier im Oktober 2021 berechtigt. Doch Mauern kommt für den Bundestrainer nicht infrage: „Wir wollen das Spiel gewinnen und nicht irgendwas verteidigen.“
Das Team um Kapitän Manuel Neuer, der zum alleinigen Rekord-Keeper vor Ikone Sepp Maier aufsteigen wird, und dem gegen die Ukraine überragenden Leon Goretzka will auch mit Blick auf die EURO im kommenden Sommer ein Zeichen setzen. „Wir sind Tabellenführer“, sagte Neuer, „und reisen mit breiter Brust nach Spanien.“
Mit einem etwas mulmigen Gefühl aber wohl auch.