Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld West
Groß, größer, Hamilton
Der britische Champion steht nun mit sieben WM-Titeln mit Michael Schumacher auf einer Stufe. Alles deutet darauf hin, dass er im nächsten Jahr mit Mercedes versuchen wird, das Formel-1-Idol zu überholen.
¥ Istanbul. Lewis Hamilton lachte, weinte und schrie vor Freude, als er die Geschichtsbücher der Formel 1 umgeschrieben hatte. Mit diesem Sieg in Istanbul war der siebte WM-Titel perfekt, die Bestmarke von Michael Schumacher erreicht.
„An alle Kinder da draußen, die vom Unmöglichen träumen“, rief er gleich nach der Zieldurchfahrt in den Funk: „Ihr könnt alles schaffen, glaubt an euch!“Und dann wollte Hamilton gar nicht aussteigen aus dem Silberpfeil, den er auf der rutschigen, öligen Strecke in der Türkei eindrucksvoll zum nächsten Triumph gesteuert hatte. Sebastian Vettel war der erste Gratulant, der Ferrari-Pilot hatte als Dritter völlig überraschend sein erstes Podium des Jahres eingefahren, und er beugte sich lange über Hamiltons Cockpit.
„Wir dürfen ihm zuschauen, wie er Geschichte schreibt, das habe ich ihm gesagt“, erklärte Vettel . Erst danach kletterte der alte und neue Weltmeister aus seinem Boliden, sprang seinem Team in die Arme, warf später den Pokal wieder und wieder in die Luft. „Ich bin sprachlos“, sagte er, „das übertrifft meine wildesten Träume. Wir haben alle gesehen, wie Michael Schumacher all diese Titel gewonnen hat, wir sind damit aufgewachsen.“Und nun, das wusste auch Hamilton, hat in der Königsklasse eine neue Ära begonnen. Nicht mehr Schumacher allein ist die ultimative Messlatte, Hamilton steht auf Augenhöhe. Und kann den Rekord aller Rekorde in Zukunft sogar ausbauen – wenn er denn seinen auslaufenden Vertrag verlängert. Darauf aber deutet eigentlich alles hin, Hamiltons Worte nach dem Sieg waren der nächste Hinweis. „Ich habe das Gefühl, dass es gerade erst beginnt“, sagte er: „Körperlich bin ich in großartiger Form, mental auch.“
Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff ging nach demRennen davon aus, „dass wir noch eine Weile zusammen weitermachen. Auch wenn er heute sicherlich teurer geworden ist“, fügte er lachend an.
Valtteri Bottas, Hamiltons Teamkollege und bis Sonntag letzter Titelkonkurrent, kam auf der rutschigen Strecke dagegen gar nicht zurecht, wurde vom Champion gar überrundet. So bot das Rennen am Ende ein gewohntes Ergebnis, der Weg dorthin war allerdings höchst und unterhaltsam. Als die roten Ampeln ausgingen schlingerten die Autos in Richtung erste Kurve. Hamilton hielt sich im vorderen Feld, Bottas dagegen drehte sich im Getümmel und war fortan kein Faktor mehr. Die Strecke wurde etwas trockener, und schon nach etwa zehn Runden hatten alle Piloten die Regenreifen gegen Intermediates getauscht. Hamilton lag nun hinter Vettel, sein Auto war schneller, doch er scheiterte mit mehreren Angriffen. „Ich verliere hier so viel Zeit, ich komme einfach nicht vorbei“, funkte er an die Box.
Das war bemerkenswert, schließlich musste er ja gar nicht vorbei. Denn Bottas hing ganz hinten fest, und Hamilton ließ es nun bald auch ruhiger angehen, um seine Reifen zu schonen. Nach und nach kamen die Piloten im letzten Renndrittel an die Box, holten sich neue Intermediates. Hamilton blieb draußen und drehte mit den ältesten Reifen im Feld die schnellsten Runden. „Wie lange halten diese Reifen?!“, fragte er seine Box, „die werden doch nicht platzen?“Dochsie hielten, undReifenflüsterer Hamilton raste mit einem nicht mehr erwarteten Sieg zum Rekord.