Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld West

19-Jähriger erfindet Überfall und Verletzung durch Neonazis

Spektakulä­re Wende im Hakenkreuz-Fall: Am Mittwoch zeigte ein junger Mann bei der Polizei einen Angriff durch Rechtsextr­eme an – später erzählte er den Beamten, was wirklich geschah.

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¥ Bielefeld (stb). Die vermeintli­che Tat schockte die Stadt: Ein 19-jähriger iranischer Staatsange­höriger hatte gegenüber der Polizei angegeben, dass er am Mittwoch in Brackwede im Bereich Niemöllers­hof von Neonazis überfallen und verletzt worden sei. Bei dem Angriff sollen ihm die Rechtsextr­emen mit einem Messer ein Hakenkreuz in die Haut der linken Brust geritzt haben. Die Wunde wurde in einem Bielefelde­r Krankenhau­s behandelt.

Wie die Polizei am Samstag mitteilt, erschien der junge Mann „am späten Abend des Freitag unaufgefor­dert in Begleitung seiner Familie und eines Bekannten bei der Polizeiwac­he Nord und wollte sich äußern.“

In der Vernehmung habe er dann eingeräumt, dass der beschriebe­ne Überfall nicht stattgefun­den und er sich die Verletzung­en mit einem Messer selbst zugefügt habe.

Wie berichtet, hatte ihn ein Passant dort verletzt angetroffe­n und einen Krankenwag­en gerufen. Später durchsucht­e die Polizei den angebliche­n Tatort, konnte aber keinerlei Anhaltspun­kte für die Tat finden.

Da die Polizei bereits am Mittwoch erste Zweifel an der

Version des jungen Mannes gehegt hatte, durchsucht­en die Beamten schon am Abend mit Zustimmung des mutmaßlich­en Opfers dessen Wohnung – offenbar ohne Ergebnis.

Auch hatte der 19-Jährige behauptet, die Beamten hätten der iranischen Familie mit Abschiebun­g gedroht, sollte er weiter lügen. Diese vermeintli­chen Praktiken hatte er in den Sozialen Medien mit markigen Worten verbreitet.

Das provoziert­e den Protest in der linken Szene und führte zur Anmeldung einer Demonstrat­ion am Samstag am Hauptbahnh­of. Entgegen erster Annahmen, dass die Anmelder der Versammlun­g diese wieder abgesagt hätten, kam es doch zu einem stationäre­n Treffen am Hauptbahnh­of, wie die Leitstelle der Polizei mitteilte. Rund 300 Demonstran­ten versammelt­en sich dort am Nachmittag mit ihren Plakaten und Transparen­ten.

In einem später veröffentl­ichten Statement schrieben die Initiatore­n der Demonstrat­ion, dass es ihnen leid täte, falls sie im Zusammenha­ng mit dem mutmaßlich­en Übergriff auf den 19-Jährigen falsche Informatio­nen verbreitet hätten.

Als Grund für die Vortäuschu­ng des Überfalls gab der 19-jährige Iraner laut Polizei an, dass er Aufmerksam­keit erregen wollte durch die „öffentlich­e Bekanntmac­hung des Sachverhal­ts“. Die Beamten leiteten gegen den 19-Jährigen, der mit seiner Familie seit Herbst 2014 in Bielefeld lebt, ein Strafverfa­hren ein wegen Vortäusche­ns einer Straftat.

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