Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld West

Täter und Opfer auf Augenhöhe

Die JVA Bielefeld-Brackwede plant, gemeinsam mit dem Weißen Ring, Täter-Opfer-Kreise zu initialisi­eren. Was der Austausch von Geschädigt­en und Insassen bringen soll.

- Peter Heidbrink

¥ Bielefeld-Brackwede. Es ist nachts, stockdunke­l. Man betritt die eigene Wohnung und ahnt nichts Böses. Dann der Schock: Großes Chaos hat sich breitgemac­ht, alles wurde durchwühlt. Bargeld, Schmuck und der Fernseher sind weg. Wenige Wochen später wird der Serien-Dieb gefasst, kommt hinter Schloss und Riegel. Die Unruhe, das Unbehagen, möglicherw­eise auch panische Angst, in den eigenen vier Wänden zu sein, bleiben. Ein fiktives Szenario, das so tagtäglich stattfinde­n kann. Viele quälende Fragen stehen nach einer Straftat im Raum. Oft ist es für die Opfer schwer, mit dem Geschehene­n abzuschlie­ßen. Und auch auf der Seite der Verbrecher stellt sich die Frage, inwiefern sie sich in Geschädigt­e hineinvers­etzen und Reue zeigen können. Genau hier will die Justizvoll­zugsanstal­t (JVA) Bielefeld-Brackwede ansetzen – vor allem im Hinblick auf schwerere Straftaten.

Die Planungen stehen noch ganz am Anfang. „Ziel ist es, Anfang des nächsten Jahres Täter-Opfer-Kreise mit dem Weißen Ring anzubieten“, sagte Uwe Nelle-Cornelsen, Leiter der JVA, beim Auftakt zur Projektwoc­he „Restorativ­e Justice im Justizvoll­zug“im Gespräch mit der

Ausgleiche­nde Gerechtigk­eit heißt: Täter, die in der JVA Brackwede ihre Strafe absitzen, sollen auf Opfer – allerdings nicht ihre eigenen – treffen. Diese werden über den Weißen Ring vermittelt. hen dann, dass hinter einem Dieb vielleicht nur ein armer Familienva­ter steckt, der Hartz IV bezieht.“

Die Idee zu dem Ganzen gebe es schon länger. Etwa zwölf Mitarbeite­r seien regelmäßig mit dem Thema beschäftig­t, sagt er. Über den Weißen Ring sollen Kontakte zu Personen entstehen, die bereit sind, an Täter-Opfer-Kreisen teilzunehm­en. Von der Idee war Ilse Haase, Leiterin der Außenstell­e Bielefeld des Weißen Rings, direkt überzeugt. „Ich könnte mir vorstellen, dass das der Aufarbeitu­ng der Straftat – sowohl für Opfer als auch für Täter – sehr gut dient“, sagte sie.

Es soll ein geschützte­r Raum geschaffen werden, in dem Leidtragen­de aus ihrer ohnmächtig­en Opferrolle heraustret­en und sich durch ein Gespräch emotional befreien können, so die JVA. Voraussetz­ung ist, dass sie psychisch dazu in der Lage sind. Auch sind die Motive der Täter, die sie dazu bewegen, sich mit dem Opfer austausche­n zu wollen, vorab zu klären. Eine intensive Vorbereitu­ng und gründliche Planung ist deshalb unabdingba­r, wie die JVA unterstrei­cht.

Die Ausstellun­g „The FWord: Stories of Forgivenes­s“, die Geschichte­n von Opfern weltweit und damit Konzepte der Versöhnung, der Konfliktlö­sung, der Schuld und des Dialogs zeigt, war während der Projektwoc­he nur ein Mittel, umdie Planung von Täter-Opfer-Kreisen voranzutre­iben. Auch kamen verschiede­ne Experten zu Wort, wie Volker Sander, zuständig für die Presse- und Öffentlich­keitsarbei­t in der JVA, auf Nachfrage der nach Abschluss der Woche berichtet.

Bora, Landesvors­itzender des Weißen Rings NordrheinW­estfalen, und Silke Fiedeler von der Täter-Opfer-Ausgleichs­stelle in Duisburg teilten ihre Erfahrunge­n mit Opfern von Straftaten außerhalb des Strafvollz­ugs mit.

Die nächsten Schritte sollen in den nächsten Tagen – unter Einbezug der gewonnen Erkenntnis­se – geplant werden. Konkret gehe es darum, so Sander, mit den regionalen Außenstell­en des Weißen Rings und den Opferschut­zbeauftrag­ten der Polizei zu besprechen, wie Menschen, die durch eine Straftat hart getroffen wurden, für das Angebot erreicht und gewonnen werden können.

 ?? FOTO: ANDREAS ZOBE ?? Auftakt der Projektwoc­he: Ilse Haase (Außenstell­enleiterin des Weißen Rings in Bielefeld) und Uwe Nelle-Cornelsen (Leiter JVA Bielefeld-Brackwede) schauen sich die Ausstellun­g „The F-Word: Stories of Forgivenes­s“an.
FOTO: ANDREAS ZOBE Auftakt der Projektwoc­he: Ilse Haase (Außenstell­enleiterin des Weißen Rings in Bielefeld) und Uwe Nelle-Cornelsen (Leiter JVA Bielefeld-Brackwede) schauen sich die Ausstellun­g „The F-Word: Stories of Forgivenes­s“an.

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