Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld West
Täter und Opfer auf Augenhöhe
Die JVA Bielefeld-Brackwede plant, gemeinsam mit dem Weißen Ring, Täter-Opfer-Kreise zu initialisieren. Was der Austausch von Geschädigten und Insassen bringen soll.
¥ Bielefeld-Brackwede. Es ist nachts, stockdunkel. Man betritt die eigene Wohnung und ahnt nichts Böses. Dann der Schock: Großes Chaos hat sich breitgemacht, alles wurde durchwühlt. Bargeld, Schmuck und der Fernseher sind weg. Wenige Wochen später wird der Serien-Dieb gefasst, kommt hinter Schloss und Riegel. Die Unruhe, das Unbehagen, möglicherweise auch panische Angst, in den eigenen vier Wänden zu sein, bleiben. Ein fiktives Szenario, das so tagtäglich stattfinden kann. Viele quälende Fragen stehen nach einer Straftat im Raum. Oft ist es für die Opfer schwer, mit dem Geschehenen abzuschließen. Und auch auf der Seite der Verbrecher stellt sich die Frage, inwiefern sie sich in Geschädigte hineinversetzen und Reue zeigen können. Genau hier will die Justizvollzugsanstalt (JVA) Bielefeld-Brackwede ansetzen – vor allem im Hinblick auf schwerere Straftaten.
Die Planungen stehen noch ganz am Anfang. „Ziel ist es, Anfang des nächsten Jahres Täter-Opfer-Kreise mit dem Weißen Ring anzubieten“, sagte Uwe Nelle-Cornelsen, Leiter der JVA, beim Auftakt zur Projektwoche „Restorative Justice im Justizvollzug“im Gespräch mit der
Ausgleichende Gerechtigkeit heißt: Täter, die in der JVA Brackwede ihre Strafe absitzen, sollen auf Opfer – allerdings nicht ihre eigenen – treffen. Diese werden über den Weißen Ring vermittelt. hen dann, dass hinter einem Dieb vielleicht nur ein armer Familienvater steckt, der Hartz IV bezieht.“
Die Idee zu dem Ganzen gebe es schon länger. Etwa zwölf Mitarbeiter seien regelmäßig mit dem Thema beschäftigt, sagt er. Über den Weißen Ring sollen Kontakte zu Personen entstehen, die bereit sind, an Täter-Opfer-Kreisen teilzunehmen. Von der Idee war Ilse Haase, Leiterin der Außenstelle Bielefeld des Weißen Rings, direkt überzeugt. „Ich könnte mir vorstellen, dass das der Aufarbeitung der Straftat – sowohl für Opfer als auch für Täter – sehr gut dient“, sagte sie.
Es soll ein geschützter Raum geschaffen werden, in dem Leidtragende aus ihrer ohnmächtigen Opferrolle heraustreten und sich durch ein Gespräch emotional befreien können, so die JVA. Voraussetzung ist, dass sie psychisch dazu in der Lage sind. Auch sind die Motive der Täter, die sie dazu bewegen, sich mit dem Opfer austauschen zu wollen, vorab zu klären. Eine intensive Vorbereitung und gründliche Planung ist deshalb unabdingbar, wie die JVA unterstreicht.
Die Ausstellung „The FWord: Stories of Forgiveness“, die Geschichten von Opfern weltweit und damit Konzepte der Versöhnung, der Konfliktlösung, der Schuld und des Dialogs zeigt, war während der Projektwoche nur ein Mittel, umdie Planung von Täter-Opfer-Kreisen voranzutreiben. Auch kamen verschiedene Experten zu Wort, wie Volker Sander, zuständig für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in der JVA, auf Nachfrage der nach Abschluss der Woche berichtet.
Bora, Landesvorsitzender des Weißen Rings NordrheinWestfalen, und Silke Fiedeler von der Täter-Opfer-Ausgleichsstelle in Duisburg teilten ihre Erfahrungen mit Opfern von Straftaten außerhalb des Strafvollzugs mit.
Die nächsten Schritte sollen in den nächsten Tagen – unter Einbezug der gewonnen Erkenntnisse – geplant werden. Konkret gehe es darum, so Sander, mit den regionalen Außenstellen des Weißen Rings und den Opferschutzbeauftragten der Polizei zu besprechen, wie Menschen, die durch eine Straftat hart getroffen wurden, für das Angebot erreicht und gewonnen werden können.