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SPD läutet heiße Phase des Wahlkampfs ein
¥ Bochum. Seine Rede ist gerade vorbei, Hunderte Anhänge jubeln ihm zu, da erhält Olaf Scholz beim Wahlkampfauftakt in Bochum auch noch musikalische Rückendeckung, damit es auch der Letzte versteht: „You’re simply the best“von Tina Turner dröhnt aus den Boxen, während der SPDKanzlerkandidat die Bühne verlässt. Sechs Wochen vor der Wahl setzt die Partei weiter voll auf ihren Spitzenkandidaten, ordnet sich ihmförmlich unter. Der ist bemüht, den Ball flach zu halten.
„Ich bin ganz berührt von den Umfragen, die sagen, dass viele mir das Amt des Regierungschefs zutrauen“, sagte Scholz amEnde seiner rund 30minütigen Rede in Bochum mit leiser Stimme. Doch den Aufwind müsse man nun nutzen, um weitere Wähler zu überzeugen, in vielen Gesprächen – und nicht nur hier beim Wahlkampfauftakt, so Scholz.
Es klang ein bisschen wie eine Warnung an die Genossen, sich ja nicht zu früh zu freuen – auch, wenn die SPD derzeit einen kleinen Lauf hat. In einer aktuellen Insa-Umfrage landet sie mit 20 Prozent erstmals wieder vor den Grünen (18). Die Union kommt auf 25 Prozent.
Scholz kommt seinem Ziel zumindest auf dem Papier wieder näher: einer Ampel-Koalition mit Grünen und FDP unter seiner Führung. Vielleicht verzichtete er bei seiner Rede auch deshalb darauf, die Grünen zu attackieren – nicht aber die Union. Scholz stellte den großen Energiebedarf Deutschlands in den kommenden Jahren heraus und warf CDU/CSU an dieser Stelle Untätigkeit vor. „Dann gibt es Leute, die sagen, wir müssen nichts tun“, so Scholz. „Das ist doch peinlich, und das ist unverantwortlich für die Zukunft unseres Landes.“Eine weitere unionsgeführte Regierung koste Geld und Arbeitsplätze, sagte Scholz, beließ es aber bei dieser Kritik.
Stattdessen versuchte er vor allem zu Beginn das Gefühl von Aufbruch und Zuversicht zu vermitteln. Beispiel bessere Wohnbedingungen: „Das ist kein Hexenwerk, man darf nur nicht untätig bleiben“, sagte Scholz und forderte 400.000 neue Wohnungen pro Jahr. Das sei nicht unlösbar. Bis dahin brauche es mehr Schutz für Mieter. Scholz forderte stabile Renten, einen Mindestlohn von 12 Euro, den er im ersten Jahr seiner Kanzlerschaft durchsetzen wolle, ein besseres Kindergeld, mehr Respekt vor der Arbeit und mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt: „Niemand darf sich als etwas Besseres sehen“, sagte er und erntete lauten Applaus.
Zuvor hatten ihn auch die Parteichefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans sowie NRW-SPD-Chef Thomas Kutschaty demonstrativ gelobt: „Geht jetzt raus und sagt den Leuten: Olaf Scholz kann Kanzler“, so Esken.