Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld West
Seine Tore bleiben unvergessen
Gerd Müller ist am Sonntag im Alter von 75 Jahren gestorben. Er litt seit Jahren an Demenz. Der FC Bayern verdankte dem Weltklasse-Torjäger seinen rasanten Aufstieg.
¥ München. Hintern raus, kurze Drehung, Schuss – dann machte es bumm! Gerd Müller galt als bester Stürmer, den Deutschland je hatte. „Ohne die Tore vom Gerd wären wir noch immer in unserer alten Holzhütte an der Säbener Straße“, würdigte Kaiser Franz Beckenbauer einst die großen Verdienste seines Weggefährten um Bayern München. Deutschland wäre 1974 ohne Müllers unnachahmliches 2:1Siegtor wohl auch nicht Weltmeister geworden.
Doch die Jubelbilder sind Vergangenheit. Der Bomber der Nation ist am Sonntag in einem Pflegeheim südlich von München im Alter von 75 Jahren gestorben. „Die Welt des FC Bayern steht still“, schrieb der Rekordmeister. „Es ist ein trauriger, schwarzer Tag für den FC Bayern. Gerd Müller war der größte Stürmer, den es je gegeben hat – und ein feiner Mensch, eine Persönlichkeit des Weltfußballs“, sagte Präsident Herbert Hainer tief betroffen. Vorstandschef Oliver Kahn bezeichnete „kleines dickes Müller“, wie ihn der frühere Bayern-Coach Tschik Cajkovski einst liebevoll nannte, als „eine der größten Legenden in der Geschichte des FC Bayern, seine Leistungen sind bis heute unerreicht und werden auf ewig Teil der großen Geschichte des FC Bayern und des gesamten deutschen Fußballs sein“.
Vor gut sechs Jahren hatten die Bayern öffentlich gemacht, was nur ein kleiner Kreis von Eingeweihten wusste: Gerd Müller, der ewige Torjäger, war an Alzheimer erkrankt und lebte in einem Pflegeheim. Dort kämpfte er gegen das Vergessen. Bis Sonntagmorgen. Schon vor Wochen hatte seine Ehefrau Uschi in der
erzählt, dass ihr geliebter Gerd sich in einer „traurigen Lage“befinde. „Er schläft langsam hinüber.“
Müller war immer der Stille, der schüchterne und bescheidene Star gewesen, der auf den Trubel um seine Person verdruckst reagierte. Als ihn der FC Barcelona in den 1970er-Jahren mit dem astronomischen Jahresgehalt von 600.000 Mark köderte, lehnte er verständnislos ab. „I mog ned, i kann doch ned mehr als ein Schnitzel am Tag essen“, sagte er. Und das Geheimnis seiner vielen Tore war für ihn selbst eines: „I hau’ halt immerzu aufs Tor, wenn ich drei Sekunden zum Überlegen hätte, wär’s vorbei.“
Während Beckenbauer oder Uli Hoeneß nach der Karriere im Rampenlicht blieben, scheute Müller die Öffentlichkeit. Der gelernte Weber war kein Charismatiker, er hatte Probleme mit dem Leben abseits des Fußballs. In den 1980er-Jahren verfiel er dem Alkohol, finanziell und privat soll er damals in Not geraten sein. Seine Spezln – Beckenbauer und Uli Hoeneß – fingen ihn auf, gaben ihm eine Aufgabe als Co-Trainer und wieder Halt. Bis zuletzt standen die Bayern ihrem „Gerdchen“(Dettmar Cramer) zur Seite.
Müller war einmalig, unerreicht. In 62 Länderspielen erzielte er 68 Tore, bevor er nach dem WM-Triumph 1974 verärgert über den DFB viel zu früh aus der Nationalmannschaft zurücktrat. In der Bundesliga müllerte er weiter: 365 Tore gelangen ihm, allein 40 in der Saison 1971/72 – diesen „ewiger“Bestwert knackte im Sommer erst Robert Lewandowski mit 41 Toren. Doch auch der aktuelle Torjäger wehrte sich stets gegen Vergleiche mit dem „Bomber“. Gerd Müller, sagte Lewandowski, werde „immer unerreicht bleiben. Ein Idol“.