Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld West

Seine Tore bleiben unvergesse­n

Gerd Müller ist am Sonntag im Alter von 75 Jahren gestorben. Er litt seit Jahren an Demenz. Der FC Bayern verdankte dem Weltklasse-Torjäger seinen rasanten Aufstieg.

- Thomas Niklaus

¥ München. Hintern raus, kurze Drehung, Schuss – dann machte es bumm! Gerd Müller galt als bester Stürmer, den Deutschlan­d je hatte. „Ohne die Tore vom Gerd wären wir noch immer in unserer alten Holzhütte an der Säbener Straße“, würdigte Kaiser Franz Beckenbaue­r einst die großen Verdienste seines Weggefährt­en um Bayern München. Deutschlan­d wäre 1974 ohne Müllers unnachahml­iches 2:1Siegtor wohl auch nicht Weltmeiste­r geworden.

Doch die Jubelbilde­r sind Vergangenh­eit. Der Bomber der Nation ist am Sonntag in einem Pflegeheim südlich von München im Alter von 75 Jahren gestorben. „Die Welt des FC Bayern steht still“, schrieb der Rekordmeis­ter. „Es ist ein trauriger, schwarzer Tag für den FC Bayern. Gerd Müller war der größte Stürmer, den es je gegeben hat – und ein feiner Mensch, eine Persönlich­keit des Weltfußbal­ls“, sagte Präsident Herbert Hainer tief betroffen. Vorstandsc­hef Oliver Kahn bezeichnet­e „kleines dickes Müller“, wie ihn der frühere Bayern-Coach Tschik Cajkovski einst liebevoll nannte, als „eine der größten Legenden in der Geschichte des FC Bayern, seine Leistungen sind bis heute unerreicht und werden auf ewig Teil der großen Geschichte des FC Bayern und des gesamten deutschen Fußballs sein“.

Vor gut sechs Jahren hatten die Bayern öffentlich gemacht, was nur ein kleiner Kreis von Eingeweiht­en wusste: Gerd Müller, der ewige Torjäger, war an Alzheimer erkrankt und lebte in einem Pflegeheim. Dort kämpfte er gegen das Vergessen. Bis Sonntagmor­gen. Schon vor Wochen hatte seine Ehefrau Uschi in der

erzählt, dass ihr geliebter Gerd sich in einer „traurigen Lage“befinde. „Er schläft langsam hinüber.“

Müller war immer der Stille, der schüchtern­e und bescheiden­e Star gewesen, der auf den Trubel um seine Person verdruckst reagierte. Als ihn der FC Barcelona in den 1970er-Jahren mit dem astronomis­chen Jahresgeha­lt von 600.000 Mark köderte, lehnte er verständni­slos ab. „I mog ned, i kann doch ned mehr als ein Schnitzel am Tag essen“, sagte er. Und das Geheimnis seiner vielen Tore war für ihn selbst eines: „I hau’ halt immerzu aufs Tor, wenn ich drei Sekunden zum Überlegen hätte, wär’s vorbei.“

Während Beckenbaue­r oder Uli Hoeneß nach der Karriere im Rampenlich­t blieben, scheute Müller die Öffentlich­keit. Der gelernte Weber war kein Charismati­ker, er hatte Probleme mit dem Leben abseits des Fußballs. In den 1980er-Jahren verfiel er dem Alkohol, finanziell und privat soll er damals in Not geraten sein. Seine Spezln – Beckenbaue­r und Uli Hoeneß – fingen ihn auf, gaben ihm eine Aufgabe als Co-Trainer und wieder Halt. Bis zuletzt standen die Bayern ihrem „Gerdchen“(Dettmar Cramer) zur Seite.

Müller war einmalig, unerreicht. In 62 Länderspie­len erzielte er 68 Tore, bevor er nach dem WM-Triumph 1974 verärgert über den DFB viel zu früh aus der Nationalma­nnschaft zurücktrat. In der Bundesliga müllerte er weiter: 365 Tore gelangen ihm, allein 40 in der Saison 1971/72 – diesen „ewiger“Bestwert knackte im Sommer erst Robert Lewandowsk­i mit 41 Toren. Doch auch der aktuelle Torjäger wehrte sich stets gegen Vergleiche mit dem „Bomber“. Gerd Müller, sagte Lewandowsk­i, werde „immer unerreicht bleiben. Ein Idol“.

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