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Französischer Faurecia-Konzern schluckt Hella
Die Eigentümerfamilie Hueck erhält knapp vier Milliarden Euro für Lippstädter Autozulieferer.
¥ Lippstadt/Nanterre (dpa). Der Autozulieferer Hella wird vom Konkurrenten Faurecia geschluckt. Die Franzosen übernehmen von der bisherigen Eigentümerfamilie Hueck 60 Prozent der Aktien des MDax-Konzerns aus dem westfälischen Lippstadt für knapp vier Milliarden Euro, teilten die beiden Unternehmen mit. 3,4 Milliarden Euro davon erhält die Familie in bar, den Rest in Faurecia-Anteilen.
Der französische Konzern unterbreitet zudem allen anderen Aktionären des Lichtspezialisten eine Offerte für ihre Anteile in Höhe von 60 Euro und damit etwas unter dem zuletzt gezahlten Preis. Hinzu kommt – noch vor dem Verkauf – eine Dividende von 96 Cent pro Aktie. Die HellaAktie hatte seit Ende April deutlich zugelegt, nachdem die Verkaufspläne der Familie Hueck bekannt wurden.
Der französische Käufer erklärte, dass Hella eine wichtige Rolle im zusammengeführten Unternehmen spielen soll. „Lippstadt wird der weltweite Hauptsitz für drei von sechs Geschäftsbereichen“, teilte Faurecia mit. Die Franzosen betonten, sie hielten an Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen fest. „Wir haben langjährige Zusagen für die Standorte und Investitionen in die Zukunftsfelder sichergestellt“, erklärten die Familienstämme Hueck und Röpke.
Hella beschäftigte zuletzt knapp 36.000 Mitarbeiter und setzte im Geschäftsjahr 2020/21 (31. Mai) rund 6,5 Milliarden Euro um.
Faurecia kam 2020 auf einen Jahresumsatz von 14,7 Milliarden Euro und 114.000 Mitarbeiter. Der Konzern will durch den Zukauf die jährlichen Kosten um mehr als 200 Millionen Euro senken. Der fusionierte Hersteller werde in allen Geschäftsbereichen eine kritische Größe erreichen und führende Positionen einnehmen, so Faurecia. Das neue Unternehmen werde global der siebtgrößte Automobilzulieferer sein (Top 5 in Europa und Top 10 in Amerika und Asien) und das Profil mit Blick auf Geschäftsaktivitäten und Kundenzugang erheblich stärken. Größe ist für die Zulieferer sehr wichtig, da die Verhandlungsposition mit den Autoherstellern gestärkt wird. Die deutschen Konzerne Bosch, Continental und ZF Friedrichshafen zählen zu den größten Autozulieferern weltweit.
Der Verkauf des 60-prozentigen Pakets der weit verzweigten Gründerfamilie mit rund 60 Mitgliedern sei notwendig, da der beim Börsengang 2014 abgeschlossene Vertrag über ein gemeinsames Handeln bald ausgelaufen wäre. Danach wäre es schwieriger geworden, die Interessen der Eigentümer zu bündeln, heißt es zur Erklärung. „Wir nehmen als Familiengesellschafter unsere unternehmerische Verantwortung für Hella wahr, indem wir frühzeitig vor Auslaufen unseres Familienpoolvertrags das Unternehmen Hella in neue
Hände geben“, sagte Jürgen Behrend, Leiter des Pools der Familiengesellschafter. Der 72jährige war bis 2017 auch Konzernchef. Ein Nachfolger für ihn aus dem Familienkreis war nicht in Sicht. In den vergangenen Jahren sei „Hella in eine Dimension hineingewachsen, in der nicht nur Führung, sondern auch Kontrolle durch externe Kompetenz erforderlich ist“, so Behrend. „Die Verantwortung der Familie gebietet es ihr daher, einen sicheren Hafen für Hella zu finden.“
Die Eigentümerfamilie, die seit 1923 die Mehrheit an dem 1899 gegründeten Unternehmens hält, wird nach der Transaktion noch neun Prozent der Faurecia-Anteile halten – die Familie wird damit größter Faurecia-Anteilseigner vor den italienischen Agnellis (Fiat). „Diese Beteiligung unterliegt einer Sperrfrist von 18 Monaten“, hieß es. Ein Vertreter der Familie werde Mitglied des Verwaltungsrats von Faurecia.
Die Mitglieder der Familienstämme Hueck und Röpke hatten ihre Beteiligung im Frühjahr zum Verkauf gestellt und die Investmentbank Rothschild beauftragt, einen Käufer zu finden. Die Hella-Aktie war nach Berichten über die Verkaufspläne der Familie von rund 45 Euro im April bis auf das Rekordhoch von knapp 69 Euro Anfang August gestiegen. In den Tagen danach machte sich allerdings wieder etwas Ernüchterung breit, so dass der Kurs wieder auf 63 Euro sank.