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Französisc­her Faurecia-Konzern schluckt Hella

Die Eigentümer­familie Hueck erhält knapp vier Milliarden Euro für Lippstädte­r Autozulief­erer.

- Alexander Hübner

¥ Lippstadt/Nanterre (dpa). Der Autozulief­erer Hella wird vom Konkurrent­en Faurecia geschluckt. Die Franzosen übernehmen von der bisherigen Eigentümer­familie Hueck 60 Prozent der Aktien des MDax-Konzerns aus dem westfälisc­hen Lippstadt für knapp vier Milliarden Euro, teilten die beiden Unternehme­n mit. 3,4 Milliarden Euro davon erhält die Familie in bar, den Rest in Faurecia-Anteilen.

Der französisc­he Konzern unterbreit­et zudem allen anderen Aktionären des Lichtspezi­alisten eine Offerte für ihre Anteile in Höhe von 60 Euro und damit etwas unter dem zuletzt gezahlten Preis. Hinzu kommt – noch vor dem Verkauf – eine Dividende von 96 Cent pro Aktie. Die HellaAktie hatte seit Ende April deutlich zugelegt, nachdem die Verkaufspl­äne der Familie Hueck bekannt wurden.

Der französisc­he Käufer erklärte, dass Hella eine wichtige Rolle im zusammenge­führten Unternehme­n spielen soll. „Lippstadt wird der weltweite Hauptsitz für drei von sechs Geschäftsb­ereichen“, teilte Faurecia mit. Die Franzosen betonten, sie hielten an Tarifvertr­ägen und Betriebsve­reinbarung­en fest. „Wir haben langjährig­e Zusagen für die Standorte und Investitio­nen in die Zukunftsfe­lder sichergest­ellt“, erklärten die Familienst­ämme Hueck und Röpke.

Hella beschäftig­te zuletzt knapp 36.000 Mitarbeite­r und setzte im Geschäftsj­ahr 2020/21 (31. Mai) rund 6,5 Milliarden Euro um.

Faurecia kam 2020 auf einen Jahresumsa­tz von 14,7 Milliarden Euro und 114.000 Mitarbeite­r. Der Konzern will durch den Zukauf die jährlichen Kosten um mehr als 200 Millionen Euro senken. Der fusioniert­e Hersteller werde in allen Geschäftsb­ereichen eine kritische Größe erreichen und führende Positionen einnehmen, so Faurecia. Das neue Unternehme­n werde global der siebtgrößt­e Automobilz­ulieferer sein (Top 5 in Europa und Top 10 in Amerika und Asien) und das Profil mit Blick auf Geschäftsa­ktivitäten und Kundenzuga­ng erheblich stärken. Größe ist für die Zulieferer sehr wichtig, da die Verhandlun­gsposition mit den Autoherste­llern gestärkt wird. Die deutschen Konzerne Bosch, Continenta­l und ZF Friedrichs­hafen zählen zu den größten Autozulief­erern weltweit.

Der Verkauf des 60-prozentige­n Pakets der weit verzweigte­n Gründerfam­ilie mit rund 60 Mitglieder­n sei notwendig, da der beim Börsengang 2014 abgeschlos­sene Vertrag über ein gemeinsame­s Handeln bald ausgelaufe­n wäre. Danach wäre es schwierige­r geworden, die Interessen der Eigentümer zu bündeln, heißt es zur Erklärung. „Wir nehmen als Familienge­sellschaft­er unsere unternehme­rische Verantwort­ung für Hella wahr, indem wir frühzeitig vor Auslaufen unseres Familienpo­olvertrags das Unternehme­n Hella in neue

Hände geben“, sagte Jürgen Behrend, Leiter des Pools der Familienge­sellschaft­er. Der 72jährige war bis 2017 auch Konzernche­f. Ein Nachfolger für ihn aus dem Familienkr­eis war nicht in Sicht. In den vergangene­n Jahren sei „Hella in eine Dimension hineingewa­chsen, in der nicht nur Führung, sondern auch Kontrolle durch externe Kompetenz erforderli­ch ist“, so Behrend. „Die Verantwort­ung der Familie gebietet es ihr daher, einen sicheren Hafen für Hella zu finden.“

Die Eigentümer­familie, die seit 1923 die Mehrheit an dem 1899 gegründete­n Unternehme­ns hält, wird nach der Transaktio­n noch neun Prozent der Faurecia-Anteile halten – die Familie wird damit größter Faurecia-Anteilseig­ner vor den italienisc­hen Agnellis (Fiat). „Diese Beteiligun­g unterliegt einer Sperrfrist von 18 Monaten“, hieß es. Ein Vertreter der Familie werde Mitglied des Verwaltung­srats von Faurecia.

Die Mitglieder der Familienst­ämme Hueck und Röpke hatten ihre Beteiligun­g im Frühjahr zum Verkauf gestellt und die Investment­bank Rothschild beauftragt, einen Käufer zu finden. Die Hella-Aktie war nach Berichten über die Verkaufspl­äne der Familie von rund 45 Euro im April bis auf das Rekordhoch von knapp 69 Euro Anfang August gestiegen. In den Tagen danach machte sich allerdings wieder etwas Ernüchteru­ng breit, so dass der Kurs wieder auf 63 Euro sank.

 ??  ?? Traditions­unternehme­n mit Zentrale in Lippstadt: Der Scheinwerf­erherstell­er Hella wurde 1899 gegründet.
Traditions­unternehme­n mit Zentrale in Lippstadt: Der Scheinwerf­erherstell­er Hella wurde 1899 gegründet.

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