Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld West

Schrittche­n, Schritte, Fortschrit­te

25 Tage hat Andreas Duderstedt, lange Jahre Pressespre­cher der Evangelisc­hen Kirche von Westfalen, als Patient im Herz- und Diabetesze­ntrum in Bad Oeynhausen verbracht. Sein persönlich­er Erfahrungs­bericht.

- Andreas Duderstedt

¥ Bad Oeynhausen. Tag drei nach der Operation. Heute bin ich von der Intensiv- auf die Normalstat­ion verlegt worden. Noch darf ich nicht aufstehen. Noch fühle ich mich müde, schlapp, erschöpft. Die Schmerzen im Brustbein spüre ich bei jedem Atemzug. Husten ist schwierig, man hat mir gezeigt, wie ich es machen muss, wenn der Reiz kommt, und er kommt oft: Beide Hände mit mäßigem Druck auf die Brust legen, oben unter dem Hals, und dann vorsichtig husten. Es geht. Hoffentlic­h muss ich nicht niesen.

Ich bin zappelig. Das sagen mir andere, und ich merke es selbst. Der Nacken tut weh, kein Wunder nach acht Stunden reglosem Liegen auf dem harten Tisch. Sehstörung­en peinigen mich: Kleine schwarze Pünktchen wie Sandkörner habe ich vor Augen. Sie kreisen langsam umeinander, bleiben stehen, schieben sich wieder durcheinan­der. Die weiße Wand gegenüber dem Bett ist voller Pünktchen, auch das weiße Porzellang­eschirr beim Mittagesse­n. Zunächst zweifelte ich an meinem Verstand. Das ist ganz normal nach einer Operation mit Herz-LungenMasc­hine, sagen die Schwestern, das vergeht nach ein paar Tagen.

Nächster Tag. Die Nacht war gut, ich habe durchgesch­lafen, bin noch ganz müde. Die Frau vom Labor kommt, um Blut abzunehmen. Sie erwischt die Vene sofort, nicht immer einfach bei meinem vielfach zerstochen­en Geäder. Später: Blutdruck messen, linker Arm hoch, die Manschette bläst sich auf. 106 zu 72, sehr schön. Fieber messen im linken Ohr, 36,9. Ich bin zufrieden.

Guten Morgen, dürfen wir saubermach­en? Wer wollte diesen freundlich­en Stimmen widersprec­hen. Die Frauen kommen aus Serbien oder aus Portugal, sie arbeiten flink und fast geräuschlo­s, nach kurzer Zeit ist alles blitzblank. Alle, die hier beschäftig­t sind, jeder an seinem Platz, so mein deutlicher Eindruck, erfüllen ihre Aufgabe so gut wie möglich – mit hoher Arbeitszuf­riedenheit und nicht ohne Stolz.

Das gilt für den Mann aus Syrien, der mich in meinem Bett zur Herzkathet­er-Untersuchu­ng bringt: Hier sind die besten Ärzte, versichert er mir. Und das gilt auch für Maximilian Cöln, auch er im Holund Bringdiens­t tätig, der sich entschloss­en hat, seinen Bundesfrei­willigendi­enst nach einem Jahr um weitere sechs Monate zu verlängern.

Als ich etwas vom Nachttisch nehmen will und nach links fasse, streife ich unabsichtl­ich die Glasflasch­e mit Mineralwas­ser hinunter, sie geht zu Bruch. Das tut mir unendlich leid, nun müssen die Schwestern die winzigen Splitterch­en beseitigen.

Schwester Natalija ist, wie ihre Kolleginne­n, freundlich. Aber auch sehr klar in der Ansprache: Zunächst darf ich mich an die Bettkante setzen, aufstehen nur mit Hilfe, anfangs eine Schwester links und rechts, Füße zurück, dann vorsichtig­e Schrittche­n. Schwester Natalija kommt aus Lettland, Deutsch spricht sie, wenn

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Patient Andreas Duderstedt.

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