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Lippstadt bleibt ein zentraler Standort
Nach der Übernahme des Hella-Konzerns durch den französischen Konkurrenten Faurecia werden die Jobs sicherer sein, versprechen die Manager. Ein Börsenabgang und weitere Änderungen sind denkbar.
¥ Lippstadt/Paris. Die erste große Überraschung offenbarte der Vorstandschef des französischen Faurecia-Konzerns gleich mit seinen ersten Worten bei der Telefonkonferenz zur Übernahme des Automobilzulieferers Hella in Lippstadt: Der 61-jährige Patrick Koller spricht perfekt Deutsch. Sein Vater ist Deutscher, und auch die Mutter hat Deutsch gesprochen, wie es heißt. Koller hat neben der französischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit, und Anfang der 90er Jahre arbeitete er bereits für Hella.
Auch in anderer Hinsicht scheinen Koller, der in Nancy studiert hat, und das von ihm vom Pariser Vorort Nanterre aus geführte Unternehmen Deutschland nahe zu sein. Rolf Breidenbach, der Chef des Scheinwerferherstellers Hella, betonte bei der gemeinsamen Präsentation der Übernahmepläne zum Beispiel die sehr ähnliche Führungsphilosophie auf beiden Seiten der Grenze.
Für die gut 36.000 Mitarbeiter der Hella GmbH & Co. KGaA soll die Übernahme durch die Franzosen keine Katastrophe werden und nicht in einen breiten Stellenabbau münden, wie Koller und Breidenbach erklärten: „Wir werden Leute einstellen müssen“, sagte Konzernchef Koller mit Blick auf seine Wachstumspläne. Das vereinigte Unternehmen mit insgesamt 150.000 Mitarbeitern soll seinen Umsatz bis 2025 auf rund 33 Milliarden Euro steigern – mehr als 40 Prozent oder gut zehn Milliarden Euro mehr als beide zusammen im Corona-Jahr 2020 erlösten. Statt um Synergieeffekte – was gemeinhin nach Einsparpotenzial klingt – gehe es bei der Übernahme um Kostenoptimierung und Effizienz in einem Umfang von 200 Millionen Euro. „Die Standorte sind sicherer geworden“, sagte Breidenbach. Eine Garantie für alle Hella-Standorte oder bestimmte Bereiche gaben Koller und Breidenbach allerdings nicht. Der eingeleitete Abbau von 900 Stellen in Lippstadt und das freiwillige Abfindungsprogramm gehen weiter. Bereits Ende März war das Werk in Regensburg (58 Stellen) geschlossen worden.
Eine zentrale Position im fusionierten Unternehmen soll auch künftig Lippstadt einnehmen: Von hier aus sollen drei der sechs Geschäftsbereiche gesteuert werden, und zwar die Sparten für Beleuchtung, Fahrzeug-Elektronik und Lifecycle-Management. Die Sparten für Fahrzeugsitze, Innenausstattung (Interieur) und Clean Mobility werden demnach von
Paris aus gemanagt. Dabei sollten auch deutsche Mitarbeiter wichtige Führungsaufgaben bekommen – inklusive HellaChef Breidenbach selbst.
Insgesamt werde der Konzern zunehmend auf vier große globale Megatrends ausgerichtet, nämlich Elektromobilität, Autonomes Fahren, Cockpit-Gestaltung und Lebenszyklus–Management. Um die Abhängigkeit von einzelnen Markenherstellern zu reduzieren, würden in allen Geschäftsbereichen führende Marktpositionen angestrebt, fünf Sparten erreichten schon heute mehr als drei Milliarden Euro Umsatz. Noch vor dem deutschen ContinentalKonzern will Faurecia künftig der siebtgrößte Autozulieferer der Welt sein. Die deutschen Unternehmen Bosch und ZF nehmen in dem Ranking die Plätze eins und drei ein.
Faurecia und Hella ergänzten sich auf der Produktseite, aber auch geografisch, also im Vertrieb hervorragend. „Zusammen sind wir stärker“, betonte Koller: „Wir brauchen Hella und glauben, dass Hella auch uns braucht.“Wichtig sei ihm, „dass unsere menschengeprägte Unternehmenskultur erhalten bleibt“.
Den wertvollen Markennamen Hella wolle Faurecia natürlich weiterhin nutzen, und eventuell könne auch über einen neuen Namen für die gesamte Gruppe nachgedacht werden, sagte Koller vage.
Die Frage, ob Hella börsennotiert bleibt, mochte Koller ebenfalls noch nicht endgültig beantworten. Grundsätzlich werde Faurecia seine neue Tochter künftig auch ohne Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag voll kontrollieren können („wir sind keine Konkurrenten mehr und konsolidieren Hella“), aber falls durch das fällige Übernahmeangebot an die Minderheitsaktionäre eine Anteilsquote von 95 Prozent erreicht wird, werde Hella von der Börse genommen: „Das ist normal“.