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Kabinett billigt Evakuierungsaktion
Normalerweise darf kein bewaffneter Einsatz der Bundeswehr ohne Zustimmung des Bundestags stattfinden. Für Afghanistan gilt wegen Gefahr im Verzug eine Ausnahme. Es gibt scharfe Kritik an der Regierung.
¥ Berlin (dpa/AFP). Die Bundesregierung hat den Einsatz von bis zu 600 Bundeswehrsoldaten für die Evakuierungsaktion im afghanischen Kabul beschlossen. Das Kabinett billigte den Entwurf für ein entsprechendes Bundestagsmandat, über das voraussichtlich in der kommenden Woche im Parlament abgestimmt werden soll. Der bereits seit Montag laufende Einsatz ist bis Ende September befristet. Mit dem Mandat wollen Regierung und Parlament nachträglich die rechtliche Grundlage dafür schaffen.
Der Bundestag muss eigentlich jedem bewaffneten Einsatz der Bundeswehr zustimmen. In Ausnahmefällen ist das auch nachträglich möglich, vor allem, wenn Gefahr im Verzug ist. Das trifft nach Ansicht der Regierung auf die Evakuierung deutscher Staatsbürger und afghanischer Helfer von Bundeswehr und Bundesministerien zu.
„Die Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte duldet keinen Aufschub“, heißt es in einem Begleitschreiben von Außenminister Heiko Maas (SPD) und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) zum Mandatsentwurf, das dieser Zeitung vorliegt. „Jedes weitere Zuwarten, bis der Deutsche Bundestag abschließend entschieden hat, könnte eine erfolgreiche Durchführung des Einsatzes der deutschen Kräfte in Frage stellen oder jedenfalls deutlich erschweren und damit auch Leib und Leben der zu schützenden Personen gefährden.“
Die Zusatzausgaben für die Bundeswehr veranschlagt die Regierung auf 40 Millionen Euro. Es handelt sich um ein so genanntes robustes Mandat, dass auch den Einsatz militärischer Gewalt erlaubt, „insbesondere zum Schutz der zu evakuierenden Personen und eigener Kräfte, sowie im Rahmen der Nothilfe“.
Der Einsatz hatte am Montag mit der Entsendung von zwei Evakuierungsmaschinen vom Typ A400M nach Kabul begonnen, die nun neben Bundesbürgern und Afghanen auch Menschen aus anderen Ländern ins Nachbarland Usbekistan ausfliegen sollen. Dort steigen sie in zivile Maschinen der Lufthansa um. Das erste Flugzeug mit etwa 130 Passagieren an Bord landete in der Nacht zu Mittwoch in Frankfurt am Main.
Zum Einsatz kommen für Evakuierungen ausgebildete Fallschirmjäger, die Eliteeinheit KSK, aber auch Feldjäger, Sanitäter und die Flugzeugbesatzungen der Luftwaffe. Der Einsatz gilt als bisher größte
Evakuierungsmission der Bundeswehr.
Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages haben vor der Sondersitzung des Gremiums scharfe Kritik am Vorgehen der Bundesregierung geübt. In der Sitzung muss sich Außenminister Heiko Maas (SPD), dem schwere Versäumnisse bei der Rettung deutscher sowie afghanischer Bürgerinnen und Bürger gemacht werden, den Fragen der Abgeordneten stellen.
Der Ausschussvorsitzende Norbert Röttgen (CDU) sprach von einer „politischen Katastrophe“. In Afghanistan sei vieles „nicht nur schief gegangen“, sondern dort gebe es „ein menschliches Drama“und „ein moralisches Scheitern des Westens“, sagte Röttgen. Es seien weiterhin „viele Menschen in Kabul, gegenüber denen wir eine Verantwortung tragen, sie nach Deutschland in Sicherheit zu bringen“. Unklar sei jedoch, wie lange der Flughafen dort offen bleibe und „ob die Menschen überhaupt zum Flughafen kommen können“.
Neben diesen Konsequenzen für die betroffenen Menschen seien jedoch auch „die geostrategischen Auswirkungen“der Ereignisse „noch gar nicht absehbar“. Es handele sich um „eine Zäsur, die wir erleben“. Gleichwohl sei jetzt nicht der Moment für Schuldzuweisungen, sagte Röttgen weiter. Vielmehr müsse man sich im Augenblick darauf konzentrieren, „möglichst viele Menschen zu retten, für die wir Schutzverantwortung haben“. Der CDU-Politiker äußerte sich verbittert, dass der Westen nun bei den Taliban „bitten muss, dass die Rettung möglich bleibt“– und das „nicht, weil die Taliban das erobert hätten, sondern weil wir als Westen das in die Hände der Taliban gegeben haben“.
Es bestehe nun noch wenig Aussicht, diejenigen auszufliegen, „die uns über die Jahre geholfen haben“, sagte der Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin. Gleiches gelte für diejenigen, die sich für eine freie afghanische Zivilgesellschaft engagiert hätten. Die Verantwortung dafür trügen Innenminister Horst Seehofer (CSU), Maas und Kanzlerin Angela Merkel (CDU).