Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld West
Tod auf der Rifle Ranch
Ein Kunde der Borgholzhausener Schießanlage verschanzt sich mit etlichen Schusswaffen im Gebäude. Als die Polizei stürmt, findet sie einen Toten.
¥ Borgholzhausen. Unauffälligkeit ist das hervorstechende Merkmal der „Schießsportanlage“im Gewerbegebiet Nienkamp am Borgholzhausener Bahnhof. Für Menschen mit und ohne Waffenschein ist das langgestreckte Gebäude eine Art Geheimtipp, wenn es darum geht, echte Pistolen und Gewehre auszuprobieren. Viele Kunden bringen ihre eigenen Waffen mit, aber die Rifle Ranch verleiht auch Schusswaffen und verkauft die entsprechende Munition.
So wie am Mittwochmittag an einen Mann aus Bayern, der angibt, in Ostwestfalen Urlaub zu machen. Ein Rifle-RanchMitarbeiter hat die Waffe bereits aus dem Panzerschrank geholt, als es zu einer Auseinandersetzung zwischen den beiden Männern kommt. Dabei fällt nach Angaben des Schießaufsehers ein Schuss. Der Mitarbeiter flieht aus dem Gebäude und bringt sich in einer nahe gelegenen Werkstatt in Sicherheit. Sein Kunde wird später tot aufgefunden.
Die alarmierte Polizei setzt ein beeindruckendes Räderwerk in Gang. Ordnungshüter in Uniform mit ihren Streifenwagen, Polizeikräfte in Zivil in normaler Alltagskluft, dazu Rettungswagen und Notarzt. Immer mehr hochmotorisierte Transportwagen und schwere Zivilfahrzeuge sammeln sich in der Zufahrt zum Gewerbegebiet. Gegen 14 Uhr nähert sich ein Hubschrauber. Er landet und entlässt eine Gruppe von schwer bewa-ffneten, vermummten Gestalten in Schutzkleidung: Das SEK aus Dortmund ist in Borgholzhausen eingetroffen. Diese Männer haben den Auftrag, das Gebäude zu stürmen. Die besonderen Umstände dieses Falls sorgen dafür, dass sie sich noch ein wenig gründlicher darauf vorbereiten als sonst.
Denn der Schießstand weist keine Fenster auf und ist mit einer schweren eisernen Tür gesichert. Es gibt keine Möglichkeit, einen Blick ins Inne
Per re zu werfen. Selbst Geräusche werden komplett gedämmt.
Hinzu kommt, dass der Ort ein großes Gefahrenpotenzial aufweist. Ehe sie gestern am frühen Nachmittag abgeschaltet wurde, präsentierte die Homepage eine beeindruckende Auswahl an Pistolen verschiedenster Hersteller, die zum Ausleihen bereitstehen. Auf der neuesten der insgesamt vier Schießbahnen finden sich auch zahlreiche Gewehr-Modelle samt der dazugehörigen scharfen Munition. Die Auswahl von Waffen der verschiedensten Hersteller reicht bis hin zu automatischen Modellen, die eigentlich nur in Kriegsgebieten zum Einsatz kommen.
Waffen und Patronen sind in einem Panzerschrank gesichert, der aber während der Nutzungszeiten geöffnet wird. Deshalb stand dem Mann, der den Angestellten bedroht haben soll, theoretisch eine immense Auswahl gefährlicher Waffen zur Verfügung. „Und weil ein Schuss gefallen war, musste die Polizei von einer sogenannten Bedrohungslage ausgehen“, erläutert Hella Christoph, die Sprecherin der Polizei.
Hinter diesem Ausdruck verbirgt sich eine ganze Fülle an Maßnahmen. Örtliche Kräfte sichern das Umfeld des Tatorts und hindern die Mitarbeiter benachbarter Firmen daran, sich in Gefahr zu begeben. Sie sind unübersehbar schwer bewaffnet. Noch eine Spur martialischer treten die Spezialkräfte auf. Die Uniformen sind in Tarnfarbe, sie tragen Helme und Schutzwesten.
Zu ihrer Aufgabe kann in einem solchen Fall auch der sogenannte finale Rettungsschuss gehören. Doch als die Männer in das Gebäude eindringen, herrscht dort die Stille des Todes. Der Tatverdächtige ist nicht mehr am Leben. „Das SEK hat keinen Schuss abgegeben“, so die Sprecherin. Einen Suizid wollte die Polizei noch nicht bestätigen. Die Ermittlungen dauern an.