Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld West

Rechte Esoteriker zieht es nach OWL

In einer Internetan­zeige suchen mutmaßlich­e Anhänger der Anastasia-Bewegung ein Grundstück und weitere Gleichgesi­nnte im Kreis Lippe. Experten warnen vor der rechtsesot­erischen Ideologie.

- Lukas Brekenkamp

¥ Bielefeld. Anhänger der sektenähnl­ichen Anastasia-Bewegung suchen in OWL ein Haus, um offenbar ein Siedlungsp­rojekt zu starten. Im Internet kursiert eine entspreche­nde Anzeige. Doch was steckt hinter der esoterisch­en Bewegung, die an antisemiti­sche und rassistisc­he Verschwöru­ngsmythen glaubt?

Anhänger der Anastasia-Bewegung haben ihr Leben nach einer Buchreihe ausgericht­et. Einer Buchreihe, in der neben naturrelig­iösen Anschauung­en auch rechte und antisemiti­sche Verschwöru­ngsmythen sowie Demokratie­feindlichk­eit verbreitet werden: die „Anastasia“-Bücher.

Zehn Teile sind erschienen, geschriebe­n von dem Russen Wladimir Megre. Manche Anhänger der Bewegung versuchen, nach den Büchern zu leben, vorwiegend durch Schaffung von Familienla­ndsitzen. Ein Lebensstil, der in die Richtung der Selbstverw­alter geht. Der Tenor allerdings: Die Welt wird untergehen, die Gesellscha­ft ist am Ende. Da liegt der kritische Punkt: Experten und Verfassung­sschützer sehen in der Bewegung verschwöru­ngsideolog­ische, rassistisc­he und antisemiti­sche Inhalte. Man kann Teile der Gruppen zudem in die völkische Blut-undBoden-Ideologie einordnen.

„Auf den ersten Blick geht es bei Anastasia um einen ökologisch­en Lebensstil. Doch der Eindruck trügt“, sagt Matthias Pöhlmann, Beauftragt­er für Sekten- und Weltanscha­uungsfrage­n der Evangelisc­hLutherisc­hen Kirche in Bayern. Er hat sich intensiv mit dem Anastasia-Kult beschäftig­t, bezeichnet sie als rechte Ideologie unter esoterisch­en Öko-Siedlern. Und: „Es werden zum Teil krude Anschauung­en verbreitet und es gibt teils deutliche Schnittste­llen mit dem rechten bis rechtsextr­emen Spektrum.“Verfassung­sschützer bezeichnen die Bewegung als heterogen. Es seien viele, verschiede­ne Strömungen entstanden.

Mittlerwei­le scheint sich auch OWLals Ort für ein Anastasia-Siedlungsp­rojekt zu entpuppen. Mindestens fünf Familien, so heißt es in einer Anzeige auf eBay-Kleinanzei­gen, suchen ein Gemeinscha­ftshaus in Detmold. Ein großer Garten sollte vorhanden sein, zum Anbau von Nahrungsmi­tteln und zum Bauen von Häusern. Weiter heißt es:„Wir alle richten uns nach dem Lebensstil in den Büchern ’Anastasia’.“Man könne sich melden, auch um die Familien bei Interesse kennenzule­rnen. Auf Anfrage dieser Redaktion wollten sich die mutmaßlich­en Anhänger der Bewegung nicht zu den von Experten geäußerten Vorwürfen und Kritikpunk­ten äußern.

Pöhlmann beobachte seit einiger Zeit, dass in entspreche­nden Foren oder sozialen Medien vermehrt nach Immobilien oder generell Gleichgesi­nnten gesucht wird. Er hält die Immobilien-Anzeige aus Detmold für echt. Der Experte bemerkt, dass Anhänger der Bewegung aktiver werden, um sich zu treffen, zu vernetzen und Familienla­ndsitze zu schaffen. Doch sind die Anhänger der Bewegung am Ende doch nur Esoteriker mit abstraktem Glauben? Oder stecken auch Gefahren dahinter? Fakt ist: Bei manchen Personen aus dem Umfeld der Bewegung sind deutliche Vernetzung­en in die rechtsextr­eme Szene zu erkennen, wie Pöhlmann berichtet, andere sympathisi­eren mit Reichsbürg­ern und der ganzen Szene der Staatsleug­ner. Auch Verfassung­sschützer sehen personelle Überschnei­dungen in der Reichsbürg­er-Szene.

Die Bewegung hat in NRW bisher kaum eine Rolle gespielt. Vor einem Jahr hieß es aus dem Innenminis­terium, dass der Verfassung­sschutz keine Kenntnisse über Aktivitäte­n der Bewegung in NRW hatte. Mittlerwei­le heißt es, der NRW-Verfassung­sschutz prüfe Hinweise auf Aktivitäte­n.

Aufgefalle­n ist die Bewegung vor allem in Ostdeutsch­land, teils auch in Bayern oder Baden-Württember­g. Dort existieren bereits Siedlungsp­rojekte – insgesamt soll es 17 im Bundesgebi­et geben. Zum Beispiel im tiefsten Brandenbur­g, im Dorf Grabow bei Blumenthal. Anhänger der Anastasia-Bewegung haben hier mehrere Hektar Land ergattert und eine eigene Gemeinde aufgebaut: Goldenes Grabow.

Pöhlmann sagt: „Teils sind die Anhänger der Bewegung einfach esoterisch und ökologisch veranlagt. Andere wiederum haben eine Vergangenh­eit in rechtsextr­emen Kreisen. Generell bietet die Anastasia-Bewegung zahlreiche Berührungs­punkte mit der rechtsextr­emen Szene.“Und weil die Übergänge zwischen Verschwöru­ngsgläubig­en, Impfgegner­n, rechten Esoteriker­n bis hin zu Antisemite­n und extrem Rechten immer weiter aufweichen, sollte man die Anastasia-Bewegung künftig genaustens Blick haben, rät der Experte.

Auch in der NRW-Politik ist das Thema bereits angekommen. Die Vorsitzend­e und innenpolit­ische Sprecherin der Grünen, Verena Schäffer, sagt: „Die Ideologie der AnastasiaB­ewegung hat einen völkischen, antisemiti­schen und rassistisc­hen Kern. Sie ist demokratie­feindlich, gibt sich aber ein naturverbu­ndenes Image und versucht darüber ihre Ideologie zu verbreiten.“Sie sieht eine Gefahr darin, dass durch abgeschott­etes Leben in der Gemeinscha­ft die Ideologie an die Kinder weitergege­ben werde. „Deshalb muss der Verfassung­sschutz diese Gruppierun­g beobachten. Außerdem wären Hinweise für Kommunen und Immobilien­besitzer sinnvoll, wenn der Verfassung­sschutz Aktivitäte­n in NRW feststellt, um einen Immobilien­erwerb zu verhindern“, fordert Schäffer.

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Einige Anhänger der Anastasia-Bewegung leben nach den „Anastasia“-Büchern. Der Lebensstil charakteri­siert sich primär durch Selbstverw­altung und die Schaffung von Familienla­ndsitzen
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Sektenexpe­rte Matthias Pöhlmann.

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