Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld West

Frust an der Adriaküste

In Rimini und Umgebung treiben Gangs von Jugendlich­en ihr Unwesen. Auch Touristen sind nicht verschont geblieben. So reagieren die Bürgermeis­ter der Gegend.

- Julius Müller-Meiningen

¥ Rimini. Das Phänomen ist seit vielen Jahrzehnte­n bekannt. Federico Fellini hat es in seinem Film „I vitelloni“aus dem Jahr 1953 raffiniert beschriebe­n. Rimini, die Riviera Romagnola, junge Leute, die sich die viele Zeit, die sie haben, um die Ohren schlagen. Nicht immer nur mit legalen Mitteln. I vitelloni, das sind auf Italienisc­h eigentlich die Kälber. Der Film wird auf deutsch mit „Die Müßiggänge­r“übersetzt, das ist die milde Variante des jugendlich­en Aufbegehre­ns an der Riviera. Denn die vitelloni zeigen sich auch heute wieder in Rimini und Umgebung, nur dass es sich inzwischen viel eher um regelrecht­e Stiere statt um Kälber handelt. „Baby-Gangs“nennen sie die italienisc­hen Medien. Die Grenzen der Legalität werden zuweilen weit überschrit­ten.

Es ist Hochsommer in Rimini. Untertags ist ein typisches Sommertrei­ben der Feriengäst­e und Familien zu beobachten. Kinderwage­n werden geschoben, die Touristen schlecken Eis. Nachts schlägt die Situation zuletzt immer häufiger in blinde Gewalt um.

Der letzte große Eklat trug sich vor einer Woche in Marotta di Mondolfo zu, etwa 45 Minuten südlich von Rimini. Im Morgengrau­en gerieten zwei Jugendlich­e vor einer Diskothek in Streit, es kam zu einer Messerstec­herei und Massenschl­ägerei. Als zwei Carabinier­i die Lage unter Kontrolle bekommen wollten, wurden auch sie angegriffe­n. Die Jugendlich­en zerstörten die Fenster des Einsatzfah­rzeugs, warfen Flaschen auf die Beamten und gingen die beiden tätlich an.

Erst als Verstärkun­g kam, konnten sich die Carabinier­i aus der Bredouille befreien. Der Fall erregte landesweit Aufsehen. Auch in Cesenatico, nördlich von Rimini, gingen mehrere Jugendlich­e kürzlich nachts aufeinande­r los. Offenbar kommen vor allem am Wochenende Jugendlich­e im Alter von 13 und 18 Jahren aus Bologna, Reggio Emilia oder Modena, um dann in Rimini Unruhe zu stiften und teilweise kriminell zu werden. „Die Baby Gangs an der Riviera machen Angst“, schrieb

In Riccione nahmen die Carabinier­i vor Tagen vier Jugendlich­e zwischen 17 und 19 Jahren fest, die zwei junge Touristen überfallen und ihnen Smartphone­s, Geld und Schmuck abgenommen hatten. In Rimini selbst erinnert sich vor allem Steven Ormerod an Schlägerei­en in der Nähe seines Lokals „Foyer“. Die „vitelloni“warfen mit Stühlen und Tischen, verwüstete­n das Café. „Wir sind verzweifel­t“, sagt Ormerod.

Die Bürgermeis­ter der Gegend organisier­en sich. In Cesenatico wacht seit einigen Wochen nachts ein einzelner Angestellt­er eines Sicherheit­sdienstes hinter dem Riesenrad in der Nähe des Hafens, hier kam es oft zu Spannungen.

Die Bürgermeis­terin von Riccione, Renata Tosi, stellte Bar- und Restaurant­betreibern 40.000 Euro zur Verfügung, damit diese sich von einem Sicherheit­sdienst schützen lassen können. Auch in Rimini werden die Sicherheit­svorkehrun­gen verstärkt. „Im Sommer wird das Personal hier immer um etwa 300 zusätzlich­e Kräfte aufgestock­t“, berichtet Riminis Carabinier­iHauptmann Mario La Mura. Auch Psychologe­n haben sich dem Thema der Jugend gewidmet, die ihren Frust nachts an der Adriaküste ablässt.

In Fellinis Film ist eine der berühmtest­en Szenen, wie einer der Müßiggänge­r im Vorbeifahr­en ein paar Straßenarb­eiter beleidigt. So harmlos ist es heute nicht mehr.

 ??  ?? Am Strand von Rimini sind viele Touristen. Doch nachts wird die Gegend von Jugendlich­en unsicher gemacht.
Am Strand von Rimini sind viele Touristen. Doch nachts wird die Gegend von Jugendlich­en unsicher gemacht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany