Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld West
Machtfrage im Streit um Verkehrsdezernenten
Die FDP kritisiert „Kartell“der großen Parteien. Der Stadtrat muss die Praxis korrigieren.
¥ Bielefeld. Die Sommerpause ist vorbei. Im Rathaus wird wieder Politik gemacht. Und das gleich im Streit. Die FDP bohrt weiter bei der Besetzung des Verkehrs- und Umweltdezernats nach und hat sogar die Kommunalaufsicht bei der Bezirksregierung eingeschaltet. Sie spricht von einem „Machtkartell“der großen Parteien. Das Verfahren scheint wackelig. Deshalb soll der Stadtrat es jetzt korrigieren.
Hintergrund ist, dass nach dem Ausscheiden von Umweltdezernentin Anja Ritschel (Grüne) die Stelle vakant ist. Die neue rot-grün-rote Ratsmehrheit will die Kompetenzen aber erweitern – um das Amt für Verkehr. Ziel ist eine klimafreundlichere Verkehrspolitik. Dafür muss Baudezernent Gregor Moss (CDU) den Verkehrsbereich abgeben.
Bielefelder Landrecht
Das ist angesichts der forcierten Mobilitätswende umstritten. Vor allem die FDP wehrt sich. Doch Tradition im Bielefelder Rathaus ist es, dass die großen Parteien, mittlerweile neben CDU und SPD auch die Grünen, die Dezernenten-Posten unter sich verteilen. Skeptiker nennen das „Bielefelder Landrecht“. Und trotz der rotgrünen Dominanz im Rat hält sich auch die CDU daran.
Entsprechend änderte der Rat mit Mehrheit die Dezernatsverteilung und ließ die Stelle entsprechend ausschreiben. Darauf gab es 15 Bewerbungen bei Oberbürgermeister Pit Clausen (SPD) – aus denen die Grünen jetzt einen Kandidaten auswählen dürfen. Bis September soll das geschehen, dann könnte der Rat darüber entscheiden.
Schon das passt der FDP nicht. Denn sie betont, dass die Gemeindeordnung eigentlich jeder Partei ein Vorschlagsrecht einräume, dieses in Bielefeld aber nicht zum Tragen komme: „Die Schattenkoalition hebelt die Gemeindeordnung aus“, so der FDP-Vorsitzende Jan Maik Schlifter in einer Erklärung. Er appelliert an die CDU auch, nicht den Grünen das Verkehrsdezernat zu überlassen.
Einsicht in Bewerbungen
Außerdem erwartet die FDP Einsicht in die Bewerbungsunterlagen. Das habe der OB bisher verweigert. Doch für ein transparentes Verfahren sei das wichtig, betont Schlifter. Denn nur so könne die Chancengleichheit für alle Parteien bei Beurteilung der Bewerber hergestellt werden.
Auch OB und die großen Parteien räumen mittlerweile ein, dass es für das Bielefelder Landrecht eigentlich kein geordnetes Verfahren gibt. Das soll jetzt in einer Sondersitzung des Hauptausschusses sowie im Rat am26. August nachgeholt werden. Ein Erlass des Landes stelle klar, dass der Rat „Herr des Verfahrens“ist.
Deshalb soll der Rat den OB beauftragen, die Bewerbungen zu sichten und zu prüfen und allen Ratsmitgliedern die Einsicht zu gewähren. Diese verpflichten sich im Gegenzug, bis 14 Tage vor der Wahl die Informationen geheim zu halten. CDU-Ratsfraktionschef Ralf Nettelstroth: „Die Gefahr ist, dass sich sonst keiner mehr in Bielefeld bewirbt.“Denn die Bewerber hätten schließlich woanders feste Stellen.
Grünes Vorschlagsrecht
Am Bielefelder Landrecht wird die Freigabe der Bewerbungsunterlagen aber nichts ändern. Denn, so die Vorlage aus dem Rathaus, der Rat soll auch bestätigen, dass die Grünenden Kandidaten für das Dezernat vorschlagen dürfen und der Rat darüber abstimme. Klargestellt wird: Das Recht anderer, einen Vorschlag zu machen, bleibt allerdings unberührt.