Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld West
Zwei Frauen für die Heilsarmee
Nach dem Marschbefehl von Major Michael Geymeier nach Kassel übernehmen die Leutnantinnen Tina Jatzkowski und Silvia Berger die Leitung der Heilsarmee.
¥ Bielefeld. Zwanzig Jahre leitete das Ehepaar Sabine und Michael Geymeier die Heilsarmee. Die Fußabdrücke, die die beiden in Bielefeld hinterließen, sind riesig. Nun sind sie in Kassel. Ihre beiden Nachfolgerinnen haben sich vor ein paar Wochen das erste Mal gesehen. Silvia Berger ist in die Siegfriedstraße gezogen, Tina Jatzkowski wohnt um die Ecke. Wer sind die beiden Neuen?
Einzeln betrachtet könnten die Unterschiede zwischen der 35-jährigen Jatzkowski („Meine Wurzeln liegen in Thüringen“) und der 60-jährigen Schweizerin Berger kaum größer sein: Die eine Single, die andere geschieden und Mutter zweier erwachsener Kinder, die eine joggt gern, die andere kocht gern, die eine kommt aus einer atheistischen Familie („Als Kind war Gott für mich wie der Weihnachtsmann“), die andere stammt aus einem streng katholischen Elternhaus. Aber eines haben beide gemeinsam: Sie haben sich sehr gefreut, dass sie nicht als Einzelkämpferinnen die Aufgaben der Heilsarmee erledigen müssen, zu zweit passt man ganz gut in Geymeiers Fußstapfen.
Gleichwohl Silvia Berger es gewohnt war, als Verantwortliche die Geschicke ihrer Kirche zu leiten. Vier Jahre war sie in Siegen bei der Heilsarmee auf sich allein gestellt. „Mit 21 Jahren bin ich erstmals Jesus begegnet, und viel später hat mich eine Kollegin vom Pflegedienst zur Heilsarmee gebracht. Dort hab’ ich mich von Anfang an wohl und gut aufgehoben gefühlt.“Berger, die nicht nur gern den Kochlöffel, sondern auch den Teigschaber rührt, ist frischgebackene Oma, ihr Sohn – und der Enkel – wohnen in BadenWürttemberg, ihre Tochter lebt in Schottland. Silvia Berger, da sind sich die beiden frischgebackenen Leutnantinnen (Offiziersgrad bei der
Heilsarmee) schnell einig geworden, wird die Geschicke des von Geymeier ins Leben gerufenen „Cafés Open Heart“fortführen.
Tina Jatzkowski ereilte der Ruf nach Bielefeld im kanadischen Winnipeg, dort war sie in einem College für Offiziere der Heilsarmee eingeschrieben. „Gott hat Humor, mich ausgerechnet hierherzubringen“, waren ihre ersten Gedanken, als sie vor sechs Wochen den Marschbefehl in Händen hielt, und sie spielte dabei zaghaft auf „Bielefeld? Gibt’s doch gar nicht!“an.
Mit 17 ist sie Gott begegnet und „mit 24 hab’ ich ihm mein Leben gegeben und bin zur Salvation Army gegangen“. Jatzkowski studierte zunächst Biologie, dann „Soziale Arbeit“in Dresden (mit Bachelorabschluss), und sammelte Erfahrungen in der Obdachlosenhilfe. Sie wird sich vornehmlich um die neu ausgerichtete Online-Präsenz der Heilsarmee kümmern, soziale Medien liegen in ihrem Fokus, einen eigenen YouTube-Kanal haben sie schon.
Neben „Heilsarmee 2.0“wollen Silvia Berger und Tina Jatzkowski Krabbel- und Jogginggruppen etablieren, umdie Menschen zusammenzuführen. Hier offenbart sich auch der neue Ansatz der neuen Leitung der Heilsarmee: „Major Geymeier hat alles selbst gemacht, wir wollen als Team mit jedem, der helfen möchte, zusammenarbeiten.“Zunächst aber muss viel umgeräumt werden an der Siegfriedstraße, deshalb wird es noch kein Café geben können, und von Sachspenden bitten die beiden auch abzusehen. „Wir haben derzeit keine Lagerungsmöglichkeiten, aber Geldzuwendungen sind uns sehr willkommen.“Wann sie fertig sind mit ihren Umbauten, wissen sie nicht. Jatzkowski, die ja nicht mehr an den alten Mann mit weißem Rauschebart glaubt: „Ich träume von einem Weihnachtsgottesdienst.“