Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld West
Stilles Summen auf Friedhof
Ein Wildbienenprojekt mit acht Infostationen soll am Jahnplatz über Insekten, ihre Lebensräume und Bedürfnisse aufklären. Und zum Nachahmen anregen.
¥ Bielefeld. Es ist nur ein bescheidenes kleines Projekt, aber eines von vielen, mit denen die Stadtverwaltung etwas gegen das seit Jahren massive Insektensterben tun möchte: Unter dem Motto „Stilles Summen“soll auf dem Alten Friedhof am Jahnplatz ein Wildbienen-Lehrpfad integriert werden. Um die Bürger am Beispiel der Bienen über die Bedürfnisse von Insekten aufzuklären und darüber, wie diese am besten – und einfachsten – unterstützt werden können.
Aufgeräumte Gärten mit wenigen, oft exotischen Pflanzen als „Hingucker“, gepflegte, regelmäßig gemähte Rasenflächen oder gar Schottergärten sind kleinen Fliegern ein Graus. Wohlfühlambiente sieht für sie ganz anders aus, und Schmackhaftes für sich und ihren Nachwuchs finden sie dort auch nicht. Aber was wünschen sich Insekten? Das will die Friedhofs GmbH Bielefeld gemeinsam mit dem BUND und dem Kerschensteiner Berufskolleg in Bethel am Beispiel von Wildbienen zeigen. Geplant ist ein Informationspfad mit acht Stationen, gut erkennbar, aber unauffällig ins Friedhofsgrün eingebettet.
Als erster Blickfang soll ein Wildbienenhotel aufgebaut werden, um den sachgerechten Bau einer solchen Nisthilfe zu veranschaulichen. Gleichzeitig soll es ein zentraler Anlaufpunkt und der Start für die Wildbienenroute auf dem Friedhof sein – mit Infoschild und Flyerbox zur Erläuterung der einzelnen Stationen.
Zu den weiteren Punkten, die jeweils mit einem kleinen Schild mit QR-Code versehen werden, gehört die tote Blutbuche an der Friedhofsgrenze zur Friedrich-Verleger-Straße hin, die im Sommer 2019 im Alter von rund 200 Jahren gefällt wurde – sie war von einem Brandkrustenpilz befallen. Ein etwa vier Meter hoher Baumstumpf wurde damals als Insekten-Zuhause stehengelassen.
Nun dient der Buchenrest als Beispiel für stehendes Totholz, das an einer abgelegenen
Stelle durch liegendes Totholz (ordentlich sortiert und sicher verschraubt) ergänzt werden soll. Darüber hinaus sind ein Sandarium (eine kleine Sandfläche), ein Fußweg mit Trittvegetation, Blumen-Jahreszeiten-Beete, Obstbäume, Schattenblüherbeete und sogenannte „Ruderal“-Flächen (von Menschen geschaffen etwa Hofpflaster, Trümmerstellen oder Abfallhaufen, die gleichwohl von Pflanzen besiedelt werden) vorgesehen.
Umgesetzt werden soll das „Stilles Summen“-Projekt in den nächsten zwei Jahren. Zur Eröffnung der übergreifenden Projektreihe „Lebensraum Friedhof“, mit der die Verwaltung das Bewusstsein für Artenvielfalt und „die Notwendigkeit von kleinen Grünanlagen besonders in den Städten“schärfen will. Die, genau wie Friedhöfe, Insekten und anderen Kleintieren als Rückzugsgebiete dienen.
Die scheinen bitter nötig: Laut BUND ist bei Erhebungen in 63 deutschen Schutzgebieten zwischen 1989 und 2016 ein Rückgang der „Fluginsekten-Biomasse“von 76 Prozent – im Sommer sogar bis zu 82 Prozent – festgestellt worden.
Gründe sind neben der Intensiv-Landwirtschaft und sterilen Privatgärten der Wegfall von strukturreichen Wegrändern sowie Hecken und Hainen.
Von den rund 570 Wildbienenarten bundesweit etwa seien über die Hälfte in ihrem Bestand gefährdet.