Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld West
Diese Drogen ziehen junge Schüler an
Ein krasser Fall macht schnell die Runde, schockt Eltern und Lehrer. Experten ordnen die aktuellen Entwicklungen ein. Verbot sei keine Lösung, sagen sie. Neuer Leitfaden zum Umgang an Schulen.
Die Geschichte eines Achtklässlers, der kürzlich auf dem Schulklo eines Bielefelder Gymnasiums eine halbsynthetische Cannabis-substanz konsumiert hat und ins Krankenhaus musste, macht schnell die Runde in der Stadt, sorgt für Aufregung und Gesprächsstoff. Sogenannte Vapes, Einweg-e-zigaretten, die für wenige Euro am Kiosk zu bekommensindundmitdenen eine nikotinhaltige Flüssigkeit verdampft wird, seien schonan Grundschulen ein Thema, sagt Liesa Südbrock, Expertin aus der Präventionsfachstelle der Bielefelder Drogenberatung. Aber ein Verbot sei keine Lösung – und Panikmache absolut nicht hilfreich.
Neben Vapes, Alkohol und Cannabis seien aktuell Lachgas, Snusundmedikamentebei Schülern angesagt. Bei der Präventionsarbeit in Schulen gehe es aber weniger darum, über alle Substanzen aufzuklären, sondern vielmehr„umlebenskompetenz. Darum, die Jugendlichen so zu stärken, dass sie möglichst gut mit dem Themaumgehenundauchneinsagen können“, sagt Südbrock. Aufklärung statt Verbot oder Panikmache sei da angesagt.
Nicht nur über Risiken zu sprechen, sondern auch zum sogenannten „Safer-use“zu informieren.
„Wenn man es ausprobieren möchte, was in einem bestimmten Alter normal ist und in der Pubertät auch bei bestimmten Aufgaben helfen kann, dann so sicher wie möglich“, sagt die Expertin. „Mit Leuten, die man gut kennt, an sicheren Orten statt allein im dunklen Club.“Und zu wissen, wiemanwieder nach Hause kommt, Leuten zu erzählen, was man konsumiert hat und ausreichend Wasser zu trinken.
Drogen seien grundsätzlich anallenweiterführendenschulen ein Thema, unabhängig davon, welche Substanzen gerade angesagt sind. „Wichtig ist, dass Lehrer und Sozialarbeiter da gut geschult sind, offen und transparent mit dem Thema und Problemen umgegangen wird“, sagt Südbrock. Die Frage sei auch immer, was hinter dem Konsum steckt, dafür zu sensibilisieren, was noch normaler Genuss sei oder wann mansich Sorgenmachenmuss. „Zum Beispiel, wenn die Leistungen abfallen oder man Entzugserscheinungen hat, wenn man nicht konsumiert“, ergänzt die Fachfrau, selbst Mutter.
Durch Geschmacksrichtungen wie Erdbeere oder Mango, Marketing, Musik, aber auch durch Darstellungen auf Tiktok und entsprechende Challenges zielten Vapes ganz klar auf sehr junge Leute ab. „Wir haben bei dem Thema schon Anfragen von Grundschulen“, sagt Südbrock. Lungenkrebsaufkleber wie bei normalen Zigaretten gäbe es nicht: Der Trend sei vergleichbar mit der Debatte um alkoholhaltige Süßgetränke vor einigen Jahren, ergänzt Jan-gert Hein, Geschäftsführerderdrogenberatung.
Ein Thema an Schulen sei aktuell Medikamentenmissbrauch. „Das fällt in den Beratungenundworkshops, aber auch im Einzelkontakt mit Schülern vermehrt auf“, berichtet Südbrock. Ganz unterschiedliche Medikamente seien es, die Schüler verschrieben bekommen hätten aufgrund von häufiger gewordenen psychischen Problemen oderauchadsoderadhs: Beruhigungs-, Schlaf- oder auch
Schmerzmittel. Damit könne man sich super konzentrieren, so die Erfahrung der Jugendlichen. Was vom Arzt verschrieben sei, könne nicht schaden: „Davon gehen viele aus, gebendiesubstanzendann einfach an ihre Mitschüler weiter, ohne über Nebenwirkungen und Wirkstoff Bescheid zu wissen und darüber nachzudenken, dass das absolut nicht okay ist“, sagt Südbrock.
Steigerung der Konzentration, Stressbewältigung, Leistungssteigerung: Aus diesen
Gründen sei Snus oder ein vergleichbares Produkt – ein kleiner Nikotinbeutel, den man sich unter die Oberlippe schiebt – vor allem bei jungen Männern, oft Sportlern, angesagt. Dass Mund- und Zahnraum, Zahnfleisch und Magenschleimhaut leiden, sei vielen nicht bewusst. Lachgas, das aus Patronen, ähnlich wie beim Sodastream, meist über einen Luftballon konsumiert wird, nutzten häufig bereits Achtoder Neuntklässler. „Dadurch wird ein ganz kurzes, maximal eine Minute lang andauerndes Glücksgefühl erzeugt“, erklärt Südbrock.
Alkohol- und Tabakkonsum hingegen nehmen ab unter Schülern, ergänzt Hein. Mit ihren Kindern frühzeitig über Vapes und Co. zu sprechen, raten die Experten Eltern. Selbst Vorbild zu sein und denschülernzuvermitteln, gut aufeinander zu achten und im Zweifelsfall lieber einen Krankenwagen zu rufen. Das sei nicht uncool, ganz im Gegenteil. Gerade habe die Präventionsfachstelle zusammen mit der Schulberatungsstelle der Stadt einen ganz neuen Leitfaden zum Umgang mit Drogen an Schulen erarbeitet, ergänzt Südbrock. „Der wird am 29. April offiziell vorgestellt.“
Beruhigungs-, Schlafoder Schmerzmittel für bessere Konzentration