Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld West
Schlemmen und Schlendern im Breisgau-frühling
Die meisten Besucher kommen im Sommer, wenn Deutschlands südlichste Großstadt vor Hitze flirrt. Entspannter aber ist die Visite in der Vorsaison. Ein kulinarischer Rundgang unter milden Bedingungen.
Freiburg liegt in der wärmsten Ecke Deutschlands. Während viele Norddeutsche die Badener noch vor wenigen Jahrzehnten um ihr Klima beneideten, entwickeln sich die versiegelten Städte im Südwesten im Sommer mit Temperaturenum40grad Celsius gerne auch mal zur Freiluft-sauna.
Eine Idee für Gäste: den City-trip in die kühlere Jahreszeit verlegen. Menschentrauben bilden sich dann selten, dafür sind Temperaturen ab April schon angenehm und die Übernachtungspreise? Die liegen niedriger als in der Hochsaison.
Wer das erste Mal nach Freiburg kommt, verpasst etwas, wenn er nicht durch die Altstadt mit ihren Bächle schlendert, den Wasserläufen, die viele Gassen begleiten. Ab Hauptbahnhof ist man in zehn Gehminuten an der Kajo, der Kaiser-josefs-straße, der zentralen Shoppingmeile Freiburgs. Von dort geht es dann fix zum Münsterplatz mit dem Münstermarkt.
Er findet täglich außer sonntags statt und ist der Open-air-supermarkt der Freiburger: Obst und Gemüse aus regionalem Anbau, lokalen Käse und Käsekuchen verkaufen die Bauern an ihren Ständen an der Nordseite des Münsters. Südfrüchte und auswärtige Spezialitäten verkaufen Händler passenderweise auf der Südseite.
Zur Stärkung vor Ort kann man „Original Freiburger Lange Rote“probieren, die an mehreren Ständen gebrutzelt wird. Die Rostbratwurst ohne Darm hat das Gardemaß von 35 Zentimetern und ist eine Institution – zumindest in Freiburg.
Damit auf dem Markt alles seine Ordnung hat, gibt es Marktmeister. Zum Beispiel Kalinga Wijetunga. Der aus Sri Lanka stammende Freiburger verkaufte einst selbstaufdemmünstermarktsüdfrüchte, jetzt hat er den Hut auf. „Morgens früh um sechs geht es los. Dann gehe ich von Stand zu Stand, um die Fläche jedes einzelnen per Laser-maßband zu messen und zu notieren“, sagt der 44-Jährige. Danach richten sich die Gebühren.
Münstermarkt und Altstadt sind natürlich heiß begehrte Locations mit viel Laufkundschaft. Für Auswärtige ist es aber schwer zu durchschauen, wo Touristennepp droht und wo nicht. Eine gute Option ist deshalb eine kulinarische Tour.
So landet man etwa mit Guide Ulrike Peissl am Käsestand von Sennerin Eva Hohlfeld in der Honiggalerie, einem kleinen, familiengeführten Laden direkt am Münsterplatz, oder im Restaurant Lichtblick in der Konviktstraße. Gut Vorbereitete haben im Freiburg-buch von Stephan Elsemann geschmökert – einem Foodieundinsider, der abseits der Mainstreams Cafés, Restaurants und Beizen, wie in der Stadt im Breisgau die Kneipen genannt werden, getestet hat.
Architektonisch geprägt ist die Altstadt von der Erzdiözese Freiburg, aber auch von der Universität. Jede zweite Immobilie scheint entweder zur Uni oder der Kirche zu gehören. Beide Institutionen werden in zwei sehenswerten Museen thematisiert: dem Uniseum mit seiner Geschichte der Universität und dem städtischen Augustinermuseum. Letzteres zeigt Glasfenster und Wasserspeier aus dem Münster. Klingt öde, ist es aber nicht: Allein die Atmosphäre, das Licht und der Mix aus moderner und alter Architektur lohnen.
Von der Altstadt kommt man durch das Schwabentor direkt in die sogenannte Schneckenvorstadt. Zu diesem Handwerksviertel gehört die quirlige Gerberau, wo früher die Gerber ihr Leder bearbeiteten und das Wasser im Gewerbekanal entsprechend stank. Die Fischer der sich anschließenden Fischerau bekamen das Abwasser der Gerber leider ab.
Heute beheimatet die Schneckenvorstadt zahlreiche Mini-lädchen. Woihr Name herkommt? Es kursieren zwei Erklärungen: entweder vom alten Wirtshaus Zum Schnecken oder von den schneckenförmigen Wendeltreppen, die in manchen Gebäuden die Stockwerke miteinander verbanden.
Weiter Richtung Süden überquert man das Stadtflüsschen Dreisam und landet in Freiburgs beliebtestem Wohnquartier: der Wiehre. Wer die Heidelberger Weststadt kennt und Hamburg Eppendorf mag, wird das ruhige Quartier samt Jugendstilvillen lieben. Tatsächlich gibt es einen direkten Bezug zu Hamburg: Ende des 19. Jahrhunderts flohen zahlreiche Hamburger vor der Cholera nach Freiburg.
Der damalige Freiburger Oberbürgermeisterottowintererwarb gezieltumdie Hanseaten. Er wollte aus dem Arbeiterviertel einen Stadtteil für Betuchte machen. Das ist ihm wohl gelungen. Die Arbeiterhistorie der Wiehre sieht man heute noch an der sanierten Knopfhäusle-siedlung. Dort lebten Familien in zweigeschossigen kleinen Reihenhäusern mit eigenem Garten für die Selbstversorgung. Gearbeitet wurde in der nah gelegenen Knopffabrik Risler, die es heute nicht mehr gibt.
Auch in der Wiehre lässt sich gut einkehren: Fein ist ein Windbeutel mit Hagebutte-apfel-creme bei der Patisserie Förstermaxoder man holt sich eine Zimtschnecke beim Brotbruder in der Zasiusstraße.
Dann wäre noch der Hausberg Freiburgs, der Schauinsland. Um seinem Namen auf den Grund zu gehen, gehtesindiehöhe. Dietalstation der Gondel für den alpinen Ausflug auf 1.284 Meter erreicht man ab Bertoldsbrunnen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in nur 25 Minuten.
Wer weniger Zeit hat, Freiburg von weiter oben zu sehen, nimmt ab Stadtzentrum die Schlossbergbahn. Drei Minuten später ist man immerhin auf 456 Metern und genießtvomzentralenhügelaus das Panorama aus Schwarzwald, Freiburger Osten und die Altstadt.
Noch ein Tipp für den Rückreiseproviant: Statt sich samstags auf dem Münstermarkt in die Schlange einzureihen, um an einem gelben Stand eine weitere kulinarische Berühmtheit zu probieren – „Stephans Käsekuchen“– , kann man sich diese am Hauptbahnhof auch einfach aus dem Automaten ziehen. So fällt der Abschied von Freiburg vielleicht etwas leichter.