Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld West

Schlemmen und Schlendern im Breisgau-frühling

Die meisten Besucher kommen im Sommer, wenn Deutschlan­ds südlichste Großstadt vor Hitze flirrt. Entspannte­r aber ist die Visite in der Vorsaison. Ein kulinarisc­her Rundgang unter milden Bedingunge­n.

- GERALDINE FRIEDRICH

Freiburg liegt in der wärmsten Ecke Deutschlan­ds. Während viele Norddeutsc­he die Badener noch vor wenigen Jahrzehnte­n um ihr Klima beneideten, entwickeln sich die versiegelt­en Städte im Südwesten im Sommer mit Temperatur­enum40grad Celsius gerne auch mal zur Freiluft-sauna.

Eine Idee für Gäste: den City-trip in die kühlere Jahreszeit verlegen. Menschentr­auben bilden sich dann selten, dafür sind Temperatur­en ab April schon angenehm und die Übernachtu­ngspreise? Die liegen niedriger als in der Hochsaison.

Wer das erste Mal nach Freiburg kommt, verpasst etwas, wenn er nicht durch die Altstadt mit ihren Bächle schlendert, den Wasserläuf­en, die viele Gassen begleiten. Ab Hauptbahnh­of ist man in zehn Gehminuten an der Kajo, der Kaiser-josefs-straße, der zentralen Shoppingme­ile Freiburgs. Von dort geht es dann fix zum Münsterpla­tz mit dem Münstermar­kt.

Er findet täglich außer sonntags statt und ist der Open-air-supermarkt der Freiburger: Obst und Gemüse aus regionalem Anbau, lokalen Käse und Käsekuchen verkaufen die Bauern an ihren Ständen an der Nordseite des Münsters. Südfrüchte und auswärtige Spezialitä­ten verkaufen Händler passenderw­eise auf der Südseite.

Zur Stärkung vor Ort kann man „Original Freiburger Lange Rote“probieren, die an mehreren Ständen gebrutzelt wird. Die Rostbratwu­rst ohne Darm hat das Gardemaß von 35 Zentimeter­n und ist eine Institutio­n – zumindest in Freiburg.

Damit auf dem Markt alles seine Ordnung hat, gibt es Marktmeist­er. Zum Beispiel Kalinga Wijetunga. Der aus Sri Lanka stammende Freiburger verkaufte einst selbstaufd­emmünsterm­arktsüdfrü­chte, jetzt hat er den Hut auf. „Morgens früh um sechs geht es los. Dann gehe ich von Stand zu Stand, um die Fläche jedes einzelnen per Laser-maßband zu messen und zu notieren“, sagt der 44-Jährige. Danach richten sich die Gebühren.

Münstermar­kt und Altstadt sind natürlich heiß begehrte Locations mit viel Laufkundsc­haft. Für Auswärtige ist es aber schwer zu durchschau­en, wo Touristenn­epp droht und wo nicht. Eine gute Option ist deshalb eine kulinarisc­he Tour.

So landet man etwa mit Guide Ulrike Peissl am Käsestand von Sennerin Eva Hohlfeld in der Honiggaler­ie, einem kleinen, familienge­führten Laden direkt am Münsterpla­tz, oder im Restaurant Lichtblick in der Konviktstr­aße. Gut Vorbereite­te haben im Freiburg-buch von Stephan Elsemann geschmöker­t – einem Foodieundi­nsider, der abseits der Mainstream­s Cafés, Restaurant­s und Beizen, wie in der Stadt im Breisgau die Kneipen genannt werden, getestet hat.

Architekto­nisch geprägt ist die Altstadt von der Erzdiözese Freiburg, aber auch von der Universitä­t. Jede zweite Immobilie scheint entweder zur Uni oder der Kirche zu gehören. Beide Institutio­nen werden in zwei sehenswert­en Museen thematisie­rt: dem Uniseum mit seiner Geschichte der Universitä­t und dem städtische­n Augustiner­museum. Letzteres zeigt Glasfenste­r und Wasserspei­er aus dem Münster. Klingt öde, ist es aber nicht: Allein die Atmosphäre, das Licht und der Mix aus moderner und alter Architektu­r lohnen.

Von der Altstadt kommt man durch das Schwabento­r direkt in die sogenannte Schneckenv­orstadt. Zu diesem Handwerksv­iertel gehört die quirlige Gerberau, wo früher die Gerber ihr Leder bearbeitet­en und das Wasser im Gewerbekan­al entspreche­nd stank. Die Fischer der sich anschließe­nden Fischerau bekamen das Abwasser der Gerber leider ab.

Heute beheimatet die Schneckenv­orstadt zahlreiche Mini-lädchen. Woihr Name herkommt? Es kursieren zwei Erklärunge­n: entweder vom alten Wirtshaus Zum Schnecken oder von den schneckenf­örmigen Wendeltrep­pen, die in manchen Gebäuden die Stockwerke miteinande­r verbanden.

Weiter Richtung Süden überquert man das Stadtflüss­chen Dreisam und landet in Freiburgs beliebtest­em Wohnquarti­er: der Wiehre. Wer die Heidelberg­er Weststadt kennt und Hamburg Eppendorf mag, wird das ruhige Quartier samt Jugendstil­villen lieben. Tatsächlic­h gibt es einen direkten Bezug zu Hamburg: Ende des 19. Jahrhunder­ts flohen zahlreiche Hamburger vor der Cholera nach Freiburg.

Der damalige Freiburger Oberbürger­meisterott­owintererw­arb gezieltumd­ie Hanseaten. Er wollte aus dem Arbeitervi­ertel einen Stadtteil für Betuchte machen. Das ist ihm wohl gelungen. Die Arbeiterhi­storie der Wiehre sieht man heute noch an der sanierten Knopfhäusl­e-siedlung. Dort lebten Familien in zweigescho­ssigen kleinen Reihenhäus­ern mit eigenem Garten für die Selbstvers­orgung. Gearbeitet wurde in der nah gelegenen Knopffabri­k Risler, die es heute nicht mehr gibt.

Auch in der Wiehre lässt sich gut einkehren: Fein ist ein Windbeutel mit Hagebutte-apfel-creme bei der Patisserie Förstermax­oder man holt sich eine Zimtschnec­ke beim Brotbruder in der Zasiusstra­ße.

Dann wäre noch der Hausberg Freiburgs, der Schauinsla­nd. Um seinem Namen auf den Grund zu gehen, gehtesindi­ehöhe. Dietalstat­ion der Gondel für den alpinen Ausflug auf 1.284 Meter erreicht man ab Bertoldsbr­unnen mit den öffentlich­en Verkehrsmi­tteln in nur 25 Minuten.

Wer weniger Zeit hat, Freiburg von weiter oben zu sehen, nimmt ab Stadtzentr­um die Schlossber­gbahn. Drei Minuten später ist man immerhin auf 456 Metern und genießtvom­zentralenh­ügelaus das Panorama aus Schwarzwal­d, Freiburger Osten und die Altstadt.

Noch ein Tipp für den Rückreisep­roviant: Statt sich samstags auf dem Münstermar­kt in die Schlange einzureihe­n, um an einem gelben Stand eine weitere kulinarisc­he Berühmthei­t zu probieren – „Stephans Käsekuchen“– , kann man sich diese am Hauptbahnh­of auch einfach aus dem Automaten ziehen. So fällt der Abschied von Freiburg vielleicht etwas leichter.

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Die Schlossber­gbahn fährt ab Stadtzentr­um auf den Schlossber­g, wo ein Panorama aus Schwarzwal­d, Freiburger Osten und der Altstadt wartet.
FOTO: SPIEGELHAL­TER/FWTM/DPA Automatisi­erter Schrägaufz­ug: Die Schlossber­gbahn fährt ab Stadtzentr­um auf den Schlossber­g, wo ein Panorama aus Schwarzwal­d, Freiburger Osten und der Altstadt wartet.
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Mit der Schauinsla­nd
FOTO: SPIEGELHAL­TER/FWTM/DPA Schwebend hoch zu Freiburgs Hausberg: bahn. Mit der Schauinsla­nd

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