Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld West

„Manche Gäste kommen imhausmeis­terkostüm“

Wer kennt sie nicht, die skurrile Figur des Hausmeiste­r Krause, die von 1999 bis 2010 in 80 Folgen über die Tv-bildschirm­e flimmerte und seinem Darsteller Tom Gerhardt (66) Kultstatus einbrachte. Ab 4. April gastiert das gleichnami­ge Bühnenstüc­k in Bielef

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE OLIVER HEROLD

Herr Gerhardt, Sie kommen gerade vom Arzt – wie geht’s Ihnen?

TOM GERHARDT: Blendend! Körperlich­undgeistig­alles inordnung. Die Bühne hält anscheinen­d fit. Wir haben Hausmeiste­r Krause in verschiede­nentheater­n inzwischen mehr als 350 Mal gespielt. Das durchzuhal­ten ist schon sportlich. Wahrschein­lich laufendesw­egenzur Zeitbei Sport 1 die alten Hausmeiste­r-krauseFolg­en als Wiederholu­ng (lacht).

Das Interessea­nder Figurdes Hausmeiste­r Krause scheint auch nach 20 Jahren hoch zu sein . . .

GERHARDT: Das stimmt. Ich muss dazu sagen, dass wir für die Bühne zwar die beliebtest­en Themen und Charaktere aus der Fernsehser­ie übernommen, ansonsten aber eine neue Geschichte geschriebe­n haben. Es ist also nichts Zusammenge­stopftes! Im Fernsehen waren die einzelnen Folgen 20 Minuten lang, auf der Bühne spielen wir fast zwei Stunden. Die Herausford­erung war, sich eine Geschichte einfallen zu lassen, die das trägt. Das scheint uns gelungen zu sein. Tatsächlic­h bekommen die Leute nicht genug, mittlerwei­le hat sich eine Art Kult um diesen Krause gebildet. Den gabesschon­malanfangd­er2000er Jahre, aber er ist jetzt richtig zum Leben erweckt.

Worum geht’s in der Bühnenadap­tion?

GERHARDT: Um die klassische­n Thema von Krause: Er kämpft wieder um die Präsidents­chaft in seinem Dackelclub, und zwar mit allen möglichen unlauteren Mitteln. Da ist ihm nichts heilig. Darüber vergisst ermanchmal wichtige Termine, zum Beispiel den Hochzeitst­ag. Daraus ergibt sich ein Rosenkrieg zwischen Lisbeth und Dieter mit den wildesten Auswüchsen. Krause ist dabei wie immer paranoid und nimmt an, die halbe Welt intrigiere gegen ihn, weswegen er laufend Unschuldig­e verdächtig­t. Es wird turbulent und lustig.

Was macht die die Figur des Hausmeiste­r Krause so erfolgreic­h?

GERHARDT: Der Hausmeiste­r, den ich spiele, ist ein Archetypus. Sein ganzes Dasein ist sehr nostalgisc­h. Er war schon vor 20 Jahren jemand wie aus einer anderen Zeit, einer, der sich vehementge­gendiezeit­unddentren­d stellt. Krause ist widerborst­ig, vermutet überall Gefahren und versucht diese übermotivi­ert zu besiegen. Irgendwie hat er etwas Urdeutsche­s und viele menschlich­e Schwächen. Schwächen, die wir alle in uns haben und die sich in Krause widerspieg­eln: Er redet sich Sachen schön und erklärt andere zu Schuldigen, obwohl er selbst Schuld war. Und er biegt sich die Wahrheit zurecht, da ist er Meister. Und seine überschwän­gliche Tierliebe, da findetsich­sicherauch­somanchein­er wieder.

Apropos: Dackel Bodo und der Dackelclub spielen auch in der Bühnenfass­ung wieder eine Rolle. Warum ausgerechn­et Dackel und Dackelclub?

GERHARDT: Der Dackel ist ein besonderer Hund, fast schon skurril. Er ist ein bisschen widerborst­ig, hat aber gleichzeit­ig durch seine Statur etwas Komisches an sich. Und für eine Komödie ist ein Dackelclub, der die gleichen strengen Rieten pflegt wie ein Club, in dem man gefährlich­e Schäferhun­de heranzücht­et, auch eher geeignet.

Gab es mal Reaktionen von Dackelbesi­tzern?

GERHARDT: Die meisten finden das gut und amüsieren sich. Wir haben viele Zuschrifte­n bekommen, daher weiß ich von etlichen Dackelclub­s, bei deren Mitglieder­n der Dackelname Bodo sehr gepflegt wird. Manche haben auch den Trinkspruc­h „Alles für den Dackel – alles für den Club – unser Leben für denhund“übernommen. Bei einem Auftritt im Norden war neulich der Visbeker Dackelclub zu Besuch. Die hatten ein eigenes Lied einstudier­t, das sie zu 25 Mann gesungen haben. Oder manche Gäste kommen im Hausmeiste­rkostüm, richtig mit Hut und Kittel. Hin und wieder ist auch ein verkleidet­er Tommy mit Pudelmütze und Jacke da. Das ist nicht die Mehrheit der Gäste, aber es mischen sich immermal wieder welche darunter. Auch beim Karneval sieht man Leute, die sich als Hausmeiste­r Krause verkleiden, manchmal sieht man sogar die ganze Familie Krause.

Wie kommt es, dass so viele Menschen auf diese Figur so abfahren?

GERHARDT: Es ist ja nichtnur der Hausmeiste­r selbst, den das Publikum liebt, es sind alle Charaktere, weil es alles plastische und dreidimens­ionale Figuren sind mit einem eigenen Sprüche-arsenal. Zum anderen ist die Serie bis 2010 im Fernsehen gelaufen, danach noch mal als Wiederholu­ng, jetzt läuft sie auf Sport 1 – insgesamt haben wir 80 Folgen gedreht, die über einen langen Zeitraum gesendet worden sind. Beim Schreiben der Geschichte­nhabenwird­amalsstren­g aufgepasst, dass Krause auf Linie bleibt. Meine Co-autoren und ich wollten keine Allerwelts-comedy machen, sondern einen eigenen Stil. Das war übrigens die meiste Arbeit von allem. Aber es hat sich nachhaltig ausgezahlt.

Als Schauspiel­er waren sie oft in schrägen Rollen zu sehen, mandenke an „Voll normaaal“oder Ballermann 6. Wie viel vonihnense­lbst

steckt in den einzelnen Rollen?

GERHARDT: Das kann ich nicht sagen. Aber der Krause, der hat etwas Vereinnahm­endes. Ich hab michschond­abeierwisc­ht, wieich bestimmte Eigenschaf­ten von ihm nachmache, zum Beispiel, wenn ich auf eine Frage mit „Sischer sischer“antworte. Ichhabeamf­lughafen mal einen Handwerksm­eister getroffen, der mir anvertraut hat, ich wüsste gar nicht, was ich ihmangetan habe. Alle seine Lehrlinge würden immer nur mit „Sischer Chef, sischer“antworten, weswegen er sichmanchm­al nicht ganz ernst genommen fühle.

Wie ist eigentlich die Figur des „Hausmeiste­r Krause“entstanden?

GERHARDT: Nach dem Studium habe ich mal kurz als Freier Mitarbeite­r in den Lokal-journalism­us reingeschn­uppert. Ich bin mit meinem Mofa von Termin zu Termin gefahren und habe über Vereinssit­zungen, Feiern oder Hundeschau­en geschriebe­n. Das hat mich wohl inspiriert.

Sie sind dann nicht Journalist geblieben, sondern Schauspiel­er geworden. Wie kam’s dazu?

GERHARDT: Mir fehlten für den Journalism­usberuf die Präzision und die Genauigkei­t, die man haben sollte. Auch mein Drang zur Wahrheitsf­indung war nicht sehr ausgeprägt. Nebenher hatte ich mit meinem Freund Konrad aus Spaß das Schauspiel­ern betrieben. Wir hatten gar keine ehrgeizige­n Absichten, sondern sind hin und wieder vor Freunden aufgetrete­n. Ohne Eintritt, aber wir haben mit unserem halbstündi­gen Programm die Leute zum Lachen gebracht. Daraus entstand die Idee, ein Programm zu machen, das man in einem kleinen Theater aufführt. Das haben wir sehr dilettanti­sch und unprofessi­onell zusammenge­stoppelt – aber die Leute haben es uns nachgesehe­n. Und so ging es weiter, mein Kompagnon hatte sich zwischendu­rch verabschie­det, also habeichall­eineweiter­gemacht. Irgendwann­bin ich auf die Figur mit der Pudelmütze, die nachher ja verschiede­ne Kinofilme gemacht hat, der Tommy, gestoßen. Und der war dann auch eine Art Durchbrech­er. Dieser wilde Typus war etwas Neues. Der Hausmeiste­r kam dann erst viel später.

Denwird es dafür aber noch so lange geben, so lange Sie auf der Bühne stehen?

GERHARDT: So lange es den Leutenspaß­macht, macht esmirauch Spaß! Wenn man mir irgendwann signalisie­rt, dass es jetzt langsam mal reicht, dann würde ich das klaglos annehmen, alldieweil, wenn man das 35 Jahre lang erfolgreic­h hat machen dürfen, sollte man nicht meckern.

Wir wollten keine Allerwelts-comedy machen, sondern einen eigenen Stil.“

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