Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld West

Von9auf 25 in 40 Stunden

- Kurt Ehmke

Ja, die Grafiken rechts muten merkwürdig an, wenn wir aus dem Fenster in den Regen blicken. Und doch sollten wir uns nicht täuschen lassen: Auch verstärkte Niederschl­äge gehören zum Programm des Klimawande­ls, es geht alles immer mehr in die Extreme – vor allem bei uns in Mitteleuro­pa.

Und wie zur Bestätigun­g zeigt die Wetter-app gestern Nacht noch 9 Grad an – und am Samstag fast schon heiße 25 Grad. Ihr Leineweber

Bielefeld. Die Zahl der Hitzetage in Bielefeld ist explodiert – und die Dynamik ist groß: Das geht aus einer breitangel­egten Recherche in 400 Landkreise­n und kreisfreie­n Städten und einerprogn­ose für die Stadt Bielefeld hervor. Konkret: Gab es in den 30 Jahren ab 1961 in Bielefeld 124 Hitzetage, so waren es in den 30 Jahren ab 1993 mehr als doppelt so viele – 252. Aus vier Tagen im Jahr mit 30 Grad und mehr wurden gut acht. Und es könnten bald 20, 25, vielleicht sogar 30 sein.

Bundesweit steht Bielefeld damit sogar noch vergleichs­weise gut da, in Berlin und Frankfurt (und jeweils südlich davon) gibt es etliche Kreise und Städte mit 400er- und sogar 500er-zahlen für die zurücklieg­enden 30 Jahre. Der Rhein-pfalz-kreis hatte extreme 550 Hitzetage, was im Schnitt jedes Jahr zweieinhal­b Wochen Hitze jenseits der 30 Grad bedeutete.

Dramatisch auch die Entwicklun­g der sogenannte­n Dürremonat­e. Aus den von Quarks, BR, NDR und Correctiv ausgewerte­ten Zahlen geht hervor, dass in denselben Zeiträumen wie bei der Hitze in Bielefeld aus 55 Dürremonat­en 88 geworden sind. Gerechnet auf ein Jahr ist das fast ein Viertel eines jeden Jahres Dürre. Rekordjahr in Bielefeld war 2019, als nur ein einziger Monat nicht als Dürremonat galt. Ein Monat wird – vereinfach­t gesagt – zum Dürremonat, wenn die Feuchtigke­it im Boden bis 25 Zentimeter (und bis 180 Zentimeter als zweites Parameter) bei 80 Prozent oder mehr unter dem Durchschni­tt liegt. Im Bundesverg­leich steht Bielefeld übrigens nicht allzu gut da: unteres Mittelfeld.

In OWL aber geht es noch weitaus heftiger: Der Kreis Herford hatte laut der Recherche 106, der Kreis MindenLübb­ecke sogar 115 Dürremonat­e in der Zeit von 1993 bis 2022.

Es ist Klimawande­l in konkreten Zahlen – auch das Themastark­regen gehört dazu. Die Zahlen für Bielefeld: Betrachtet wurde der 20-Jahres-zeitraum 2001 bis 2021. Starkregen­ereignisse gab es im Bundesschn­itt 92, Bielefeld liegt deutlich besser mit 37. Also: Knapp zweimal jährlich regnete es bis zu sechs Stunden lang so stark, dass die Warnstufe 3 galt. In Bielefeld gab es dabei zwei „Rekordjahr­e“: 2018 und 2020 gab es jeweils fünf Starkregen­ereignisse.

Ebenfalls abgefragt wurde, was konkret getan wird – auffällig sei, so die Autoren der Studie, dass es in 84 Prozent

Hitze? Klingt nett und nach Sommer– doch steigende Hitzetage korreliere­n mit steigenden Zahlen von Toten. Und geht es auf die 40 Grad zu, kann darüber nicht mehr jeder lachen. der Kreiseundk­reisfreien Städte keine Hitzeaktio­nspläne gebe. Trotz der Zahlen und der Tendenzen fehle „ein klarer Plan, um die Bevölkerun­g zu schützen“.

Bielefeld gehört zu den wenigen Ausnahmen (NW berichtete). Hier werde auch mit der Begrünung von Fassaden, mitder Pflanzungb­äumenund Pflanzen (auch hitzeresis­tenten) sowie dem Rückbau von schnellen Abflusssys­temen reagiert. Dringend nötig, aber bisher nicht finanziert und nicht durchgefüh­rtwordense­ien folgende Schutzmaßn­ahmen: Beschattun­gselemente, Flächenent­siegelunge­n, das Anlegen von Wasserfläc­hen und Überflutun­gsflächen, die Förderung von langsamen Abflusssys­temen sowie die Anwendung von Schwammsta­dtprinzipi­en (die Stadt saugt Wasser auf und hält es wie ein Schwamm). Das ist der von der Tudortmund begleitete­n Studie zu entnehmen.

Welcher Druck im Kessel herrscht, zeigen zwei Grafiken aus dem Hitzeaktio­nsplan der Stadt. Sie stammen vom Umweltplan­ungsbüro „geo net“aus Hannover und zeigen die sogenannte­n „gefühlten Temperatur­en“in zwei Metern Höhe an einem durchschni­ttlichen Sommertag in Bielefeld im Jahr 2021 – und dasselbe in einer Prognose für das Jahr 2050. Die Daten aus 2021 stammen aus etlichen Messungen, bei denen am Ende laut Stadt diejenigen genommen wurden, die im Sommer 2021 einem Durchschni­ttssommert­ag entsproche­n haben.

In der Prognose steigen die Flächen mit gelben und roten Farben (35 Grad und mehr bis weit über 40 Grad) erkennbar massiv an – und die kühleren, blauen schrumpfen drastisch.

Und da sind wir wieder bei den gut acht Hitzetagen, die es im Schnitt in jedem Jahr seit 1993 in Bielefeld gab: Sie dürften mit Blick auf die Prognose für das Jahr 2050 fast schon lächerlich wenig sein – wer die Steigerung­en seit 1961 hochrechne­t, kommt in der Addition der Tage schnell auf einen halben bis einen ganzen Monathitze. Schon2018u­nd2022 gab es jeweils 19 Hitze-tage in Bielefeld. Hitze, die Menschen quält, die direkt oder indirekt Todeszahle­n steigen lässt. Die besonders Innenstädt­e zu Orten werden lässt, die für viele nicht mehr lebenswert sind.

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Foto: Barbara Franke
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