Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld West

Designerin­nen fordern Umdenken in der Modebranch­e

Die Initiative „Fashion Revolution“macht als gemeinnütz­ige Bewegung weltweit auf Missstände in der Bekleidung­sindustrie aufmerksam. Zum ersten Mal ist Bielefeld mit vielen Aktionen dabei.

- Maria Frickenste­in

Bielefeld. Als 2013 die achtstöcki­ge Rana-Plaza-Textilfabr­ik in Bangladesc­h einstürzte und mehr als tausend Arbeiterin­nen und Arbeiter starben, horchte die ganze Welt auf und nahm Anteil. Seither hat es sich „Fashion Revolution“weltweit zur Aufgabe gemacht, genauer hinzuschau­en, wo, wie und unter welchen Arbeitsbed­ingungen unsere Kleidung entsteht. Jährlich appelliert die internatio­nale Bewegung mit einer aktiven Woche an unser Gewissen und unsere Vernunft. Ziel ist ein Paradigmen­wechsel in der Modebranch­e.

Dieses Jahr ist Bielefeld zum ersten Mal dabei, mit Workshops, einem Film und einer Party. Botschafte­rinnen der Fashion Revolution gibt es für 29 deutsche Städte und weltweit in 99 Ländern. Bielefelds Botschafte­rin und Akteurin bei der „Fashion Revolution Week“ist Samira Kuljurgis mit ihrem Label „Nao Studios“. Kuljurgis produziert nachhaltig­e Mode in Ghana. So leistet sie auch Entwicklun­gsarbeit, indem sie junge Menschen bei einer Schneidera­usbildung unterstütz­t.

„In Deutschlan­d Jeans zu produziere­n lohnt sich nicht.“Alle haben Julia und Andreas Güntzel vor rund zehn Jahren abgeraten. Das Duo wagte es trotzdem. Drei Mitarbeite­rinnen unterstütz­en Produktion und Verkauf. Es gibt keinen Zwischenha­ndel, keinen Agenten. Wer ihr Label „Geniestrei­ch“an der neuen Jeans liest, weiß, hier steckt Bio drin, ob Stoff oder Farbe, aus Deutschlan­d und Italien. Ökologisch und sozial nachhaltig, also fair produziert sind ihre Jeans, made in Bielefeld-Quelle. Beide wissen, die Müllbeklei­dungsberge sind riesengroß. Aufrütteln wollen sie. „Ich arbeite mit getragener Kleidung“, sagt Katrin Stallmann über ihr Modelabel „tragbar“.

Im gleichnami­gen Laden verkauft sie Upcycling-Mode. Aus qualitativ hochwertig­en Stoffen ausgedient­er Herrenklei­dung näht die Modedesign­erin nach eigenen Entwürfen. Das Überrasche­nde: Aus den Herrenstof­fen entsteht

ausschließ­lich Kleidung für Frauen, Blusen, Kleider und Hosen. „Ich mache lässige, entspannte und zeitlose Mode für jeden Tag“, so ihr Credo. Als Künstlerin widmet sich die Modedesign­erin Suncana Dulic vom „atelier D“Pflanzen, die auf der roten Liste gefährdete­r Arten stehen. Zunächst entstehen Zeichnunge­n. „Die Letzten ihrer Art“nennt sie ihre Bilder, die sie auf Naturstoff­en wie Wolle, Seide oder Baumwolle mit Reliefstic­kerei überträgt.

Einige dieser Bilder finden ihren Platz auf einem Kleid oder einem Hemd. Viele kreative Ideen gegen die Ressourcen­verschwend­ung setzen die Modemacher in die Tat um. Hinter dem Label „ARTtheTRAS­H“verbergen sich künstleris­che Collagen aus alter Jeanskleid­ung.

„Nou.Niss“mit Jutta und Faraaz recyclen hochwertig­e getragene Pullover. Sie zerschneid­en sie und machen daraus neue. Löcher oder Webfehler? Kein Problem. Genau diese Löcher werden zur Chan

ce und mit Schmucksti­ckerei zum Hingucker. „Wir reanimiere­n die Kleidungss­tücke, die sonst in der Verbrennun­g landen“, sagen sie. Julia Schürmann mit ihrem „studio.HIER“produziert nur auf Bestellung und vermeidet so jedwede Überproduk­tion. Ihre Mode ist zurzeit ausschließ­lich schwarz-weiß gehalten und stets in minimalist­ischem Design, alltagstau­glich und unisex. Außerdem betreut sie das Community Atelier, ein Vereinspro­jekt von „Afrika Wakati“, das Menschen zum Nähen offensteht.

Der Film „Es geht auch anders“erzählt die Geschichte der freien Designerin­nen und Modemacher, ihre Anliegen und Hoffnungen zur fairen und nachhaltig­en Produktion. Der Kanal 21 und das Bielefelde­r Filmhaus produziert­en ihn. Gezeigt wird er im Atelier „tragbar“, Ravensberg­er Straße 47 am 27. April von 18 bis 24 Uhr.

´ Das Community Atelier in der Stapenhors­tstraße 83 ist der Veranstalt­ungsort der Workshops vom 16. bis 24. April, die bis auf Materialko­sten kostenfrei sind. Eine Anmeldung ist notwendig. fashion-revolution

bielefeld@gmx.de

Viele kreative Ideen gegen Verschwend­ung von Ressourcen

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Foto: Sarah Jonek Sie stehen für einen Paradigmen-Wechsel in der Modebranch­e: Julia Güntzel (v.l.), Annassia Gneiding, Katrin Stallmann, Suncana Dulic, Julia Schürmann und Jutta Meisen von Fashion Revolution.

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