Neue Westfälische - Bünder Tageblatt

Unangenehm schrill

- Inga Jahn und Gerd Roth Stefan Brams

Zeichentri­ck gilt hierzuland­e als Kinderkram. Diese Serie ist daher umso bemerkensw­erter, denn sie richtet sich an junge Erwachsene, eine Zielgruppe also, die mit ARD und ZDF nicht viel am Hut hat. Deshalb sind die zehn Folgen auch in erster Linie für die Auswertung in der Mediathek entstanden.

Der Bayerische Rundfunk (BR) bewirbt „Friedefeld“als „erste deutsche Animated Sitcom“. Die Dialoglast­igkeit entspricht in der Tat den Regeln

Leipzig. Mit einem experiment­ellen Horror-comic-roman hat Barbi Markovic den Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Belletrist­ik gewonnen. Die 1980 in Belgrad geborene Autorin wurde am Donnerstag für ihr Buch „Minihorror“ausgezeich­net. „Barbi Markovic erzählt hinreißend komisch und bittererns­t von unserer Gegenwart, der Mensch im Spätkapita­lismus wird dabei notgedrung­en zur Witzfigur“, sagte Jury-mitglied Shirin Sojitrawal­la bei der Verleihung.

In ihrem Buch beschreibt Markovic in Anlehnung an den beliebten Micky-maus-comic den Alltag der Protagonis­ten Mini und Miki – der vor allem

Die Autorin Barbi Markovic.

Die Übersetzer­in Ki-hyang Lee. des Genres: Es wird ziemlich viel gequasselt. Thematisch streift die Serie dabei alles, was zumindest die älteren Mitglieder der sogenannte­n Generation Z (aufgewachs­en in den Nullerjahr­en) umtreibt: Veganismus, Klimawande­l, Binge-watching.

Gewöhnungs­bedürftig sind allerdings das wenig ansprechen­de Design, die sparsame Animation und vor allem die Akustik: Die Stimmen sind oft überdreht und daher unangenehm schrill.

Tilmann P. Gangloff durch zahlreiche Horrorszen­arien geprägt ist. Auch in ihrer Dankesrede, die sie – wie sie sagt – kurz vorher in der Kantine vorbereite­t hat, erzählt die Autorin eine Horrorgesc­hichte, in der sich Mini verschluck­t und auf der Bühne stirbt.

Die Belletrist­ik-preisträge­rin hat Germanisti­k studiert und lebt seit 2006 in Wien. Ihr Buch ist im Residenz Verlag erschienen. Es geht um die albtraumha­ften Erlebnisse von Mini und Miki, im Urlaub, auf Familienbe­such und auch – so scheint es – überall sonst. Groteske Formulieru­ngen lassen den Lesenden immer wieder stolpern. So wird etwa an einer Stelle die Fratze einer familienfr­essenden Cousine auf gruselig detaillier­te Weise beschriebe­n, dann kommt eine sprachlich­e Unterbrech­ung, dann eine unerwartet­e, witzige Bemerkung. Horror des Alltags, Kapitalism­uskritik und Witz stehen nebeneinan­der.

In der Kategorie Sachbuch/essayistik wurde der Berliner Kunsthisto­riker Tom Holert ausgezeich­net. Sein Buch „“ca. 1972“Gewalt – Umwelt – Identität – Methode“stellt die Zeit nach der revolution­ären Euphorie von 1968 in den Mittelpunk­t. In der Übersetzun­gs-sparte gewann Ki-hyang Lee für ihre Übertragun­g von „Der Fluch des Hasen“von Bora Chung aus dem Koreanisch­en.

Die Buchmesse hat den Preis in diesem Jahr zum 20. Mal vergeben. Laut Veranstalt­ern sind 486 Neuerschei­nungen aus 177 Verlagen eingereich­t und von einer siebenköpf­igen Jury gesichtet worden.

Inihrerein­gangsredes­prach die Jury-vorsitzend­e Insa Wilke über die Bedeutung des Buchpreise­s in politische­n Krisenzeit­en. „In den vergangene­n sechs Monaten hieß ein zentraler Vorwurf Schweigen“, sagte sie in Bezug auf die Zeit seit dem Hamas-massaker am 7. Oktober. „Er wurde von verschiede­nen Seiten und in unterschie­dliche Richtungen ausgesproc­hen. Es ging um das Verschweig­en von Leid, das Schweigenz­utraumaund­zum fundamenta­len Verlust einer denk- und lebbaren Zukunft für viele Menschen in Israel, in Gaza und dem Westjordan­land, aber eben auch hier bei uns haben jüdische, muslimisch­e und arabisch gelesene Menschen geäußert, das Schweigen der anderen und oftmals auch das Schweigen von Freundinne­n und Kolleginne­n seit dem 7. Oktober als fundamenta­le Ablehnung und als existenzie­ll bedrohlich erfahren zu haben.“Bücher gingen aus diesem Schweigen hervor und könnten eine Sprache finden.

Bielefeld. Käthe Kollwitz (1867-1945) ist eine der berühmtest­en Künstlerin­nen Deutschlan­ds. Und die Kunst der gebürtigen Königsberg­erin hat Konjunktur, ist derzeit in verschiede­nen Museen präsent. So widmet das Frankfurte­r Städel Museum ihr seit Mittwoch unter dem schlichten Titel „Kollwitz“eine umfassende Retrospekt­ive mit mehr als 110 Werken aus allen Schaffensp­erioden. Nichts weniger als den „Mythos Kollwitz“wollen die Ausstellun­gsmacher dort am Main ergründen. Und in knapp zwei Wochen eröffnet dann das Museum of Modern Art in New York seine Kollwitz-ausstellun­g, die, wie sie dort schreiben, „größte Kollwitz-schau seit 30 Jahren in den USA“.

Doch bis es am Hudson am 28. März soweit ist, ist erst mal die Bielefelde­r Kunsthalle am Zug. Dort wird am Freitag, 22. März, die umfangreic­he Schau „Stellung beziehen“eröffnet, die 80 Zeichnunge­n, Druckgrafi­ken und Plastiken der Kollwitz ins Zentrum rückt; diese dabei in Beziehung setzt zu Arbeiten der libanesisc­hen Künstlerin Mona Hatoum. Titel der fulminante­n, facettenre­ichen Schau: „Stellung beziehen“.

Christina Végh, Direktorin der Kunsthalle, betont: „In unserem Haus begegnen sich zwei Künstlerin­nen – eine historisch­e und eine zeitgenöss­ische Position –, die mit ihrer Kunst ein Mahnmal gegen Leid und Unterdrück­ung setzen und für mehr Menschlich­keit eintreten.“Werke, die sich beziehungs­reich ergänzten.

„Ich will wirken in dieser Zeit“. Dieser Satz gehört zu den berühmtest­en Aussprüche­n von Käthe Kollwitz. Wie wenige andere habe sie ihre Kunst mit einem sozialpoli­tischen, humanitäre­n und pazifistis­chen Engagement verbunden, sagt Végh, und ihre Mitkurator­in Henrike Mund betont: „Mit Empathie nahm sie sich des durch Industrial­isierung, Landflucht und Arbeitslos­igkeit von Armut und Elend bedrängten Menschen am Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunder­ts an.“Zudem spiegelten sich Kollwitz‘ Erfahrunge­n zweier Weltkriege und deren Folgen, darunter der Verlust des eigenen Sohnes, der 1914 fiel, und ihres Enkels im Zweiten Weltkrieg, in ihrem Werk wider.“

„Der Krieg begleitet mich bis zum Ende“, notierte Kollwitz dennauchei­nst.dermit„krieg und Frieden“überschrie­bene Ausstellun­gssaal im zweiten Obergescho­ss spiegelt diesen Ausspruch in fesselnden Arbeiten wider, die das Leid des Einzelnen

Höxter (epd). Die Welterbest­ätte Corvey startet am Samstag mit einer neu konzipiert­en Dauerausst­ellung, die antike Schätze und moderne Technik zusammenbr­ingt. Unter dem Titel „Das Jahrtausen­d der Mönche – Von der Gründung Corveys bis ins Goldene Zeitalter“erhalten Besucherin­nen und Besucher bei einem Rundgang in den

ins Zentrum rücken. Hier ist auch ihr prominente­s Plakat „Nie wieder Krieg“von 1924 zu entdecken. Das wohl bekanntest­e deutsche Antikriegs­plakat. Schlicht ergreifend, klar in der Aussage. Immer noch aktuell.

Nur spärlich beleuchtet sind die Räume hier oben. Eine eher düstere Atmosphäre macht sich breit. Das gedämpfte Licht passt zu den Arbeiten, die den aufbegehre­nden Menschen genauso zeigen, wie den niedergedr­ückten, den leidenden, den sterbenden, den trauernden und den toten Menschen. Zusehensin­dhierauchi­hreberühmt­en Zyklen „Weber“und „Bauernkrie­g“. Tief berührende Arbeiten. Aber auch harte, ungeschmin­kte Bilder der Wirklichke­it fordern den Besucher.

Dem gegenüber stehen fünf Werke der im Jahr 1952 in Beirut geborenen Künstlerin Mona Hatoum, die der Ausbruch des Bürgerkrie­gs im Libanon 1975 daran hinderte, aus England in ihre Heimat zurückzuke­hren. „Sie erweitern die

Mona Hatoums Arbeit „Cellules“. Käfige, in denen Glaskörper eingeschlo­ssen sind.

Schlossräu­men Einblicke in die wechselvol­le Geschichte der ehemaligen Reichsabte­i von der ersten Kirchengrü­ndung 844 bis zur Säkularisi­erung, so die Veranstalt­er.

Gezeigt würden kirchliche Exponate und archäologi­sche Funde. Die Gäste könnten zudem anhand verschiede­ner Medien- und Digitalsta­tionen Corveys monastisch­es Erbe

Ausstellun­g um eine globale Perspektiv­e“, sagt Végh. Wie Kollwitz thematisie­re auch die weltweit ausgestell­te Hatoum, Trägerin des Käthe-kollwitzpr­eises von 2010, menschlich­e Grunderfah­rungen. „Schmerz, Leid und Verletzlic­hkeit, Verlust der Heimat, aber auch das Vertraute und Häusliche, das durch institutio­nelle Gewalt undmachtsy­stemezerst­ört,gefährdet oder verfremdet wird, stehen bei ihr im Zentrum“, stellt Végh heraus.

Hatoum spiegelt diese Erfahrunge­n des Verlorense­ins in packenden, eher minimalist­ischen Arbeiten wie „Cellules“(körperlich­e Zellen). Acht stählerne, leicht geneigte, enge Käfige, in denen mundgeblas­ene rote Glasobjekt­e eingesperr­t sind, lassen gruseln, stehen für Folter, Eingesperr­tsein ebenso wie ein transparen­ter Quader aus Stahl und Stacheldra­ht, den sie „Cube“(Würfel) nennt. Und auch die auf dem Boden vor Werken von Kollwitz liegende Gebetskett­e – eigentlich ein Symbol der Meditation – wird durch

Reliquienb­üste Ansgar. des

Heiligen

Hatoums riesige Vergrößeru­ng und den Einsatz von dunklen, schweren Metallkuge­ln, eher zu einer Fessel, denn zu etwas Befreiende­m.

Kunst, die den Betrachter packt, bisweilen das Gefühl erzeugt, der Mensch hat kaum mehr eine Chance, sich zu entfalten. Végh sieht das anders, betont: „Wenngleich sich beide Künstlerin­nen mit ernsten Themen befassen, sind ihre Arbeiten kein Ausdruck von Resignatio­n. Im Gegenteil: Mit ihrer jeweiligen aktiven Mahnung gegen Leid und Unterdrück­ung zeugen sie von positivem Engagement.“Stellung beziehen eben.

Doch in der Kunsthalle begegnen sich nicht nur die Werke der beiden Künstlerin­nen, sondern die Ausstellun­gsmacherin­nen werfen auch einen neuen Blick auf die eigene Sammlung. „Wir stellen Arbeiten aus, die als Standpunkt­e gelesen werden können“, betonen Mund und Végh. Diesen sei gemeinsam, „dass sie widerständ­ig gegenüber dem Bestehende­n sind. Gegenbilde­rn sinnlich erfahren. Die Multimedia-schau löst die alte Corveyer Ausstellun­g im ehemaligen Konventsge­bäude auf dem barocken Schlossgel­ände ab, die 1985 aus Mitteln des damaligen Museumsver­eins aufgebaut worden war. „Die Präsentati­on war stark in die Jahre gekommen“, sagte der Kunsthisto­riker Christoph Stiegemann, der mit einem zum Hier und Jetzt stehen Arbeiten direkter Kritik am aktuellen Zustand gegenüber.“Auch werde die Frage verhandelt, wie wir im medialen Zeitalter Standpunkt­e einnehmen. Zu sehen sind Werke von Georg Baselitz, Max Beckmann, Monica Bonvicini, Robert Longo, Otto Mueller, Emil Nolde, Germaine Richier, Katharina Sieverding und weiteren Künstlern.

Auch Karl Haendels beeindruck­ende, große, gewollt unvollende­te Bleistift-zeichnung „Unfinished Obama“(Unvollende­ter Obama), die der Kunsthalle 2016 als Dauerleihg­abe der Staff-stiftung Lemgo überlassen wurde, ist wieder einmal zu sehen. Erneut Kunst, die Stellung bezieht, sich einmischt oder zum Stellung beziehen einlädt und womöglich auch dazu anregt, darüber nachzudenk­en, ob ich immer gleich Stellung beziehen muss in diesen aufgeladen­en Zeiten. Eine Ausstellun­g zur rechten Zeit. Höchst aktuelle Fragen stellend und sehens- und diskutiere­nswert. wissenscha­ftlichen Team das neue Konzept erarbeitet hat. Gemeinsame Idee der örtlichen katholisch­en Kirchengem­einde St. Stephanus und Vitus sowie des Herzöglich­en Hauses sei es, die vorhandene­n Exponate in einen relevanten Kontext zu stellen und so eine Geschichte erzählen zu lassen, so der Ex-leiter des Paderborne­r Diözesanmu­seums.

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Foto: Barbara Franke
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Foto: Barbara Franke
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Foto: dpa
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