Neue Westfälische - Bünder Tageblatt

Forderung nach umgekehrte­r Beweislast: „Nur Ja heißt Ja“

Auf Einladung der Grünen tauschen sich Expertinne­n zur Gewalt gegen Frauen und Mädchen aus. 95 Prozent der Fälle geschehen im privaten Umfeld, Familie oder Beziehung.

-

Kreis Herford. „Nur Ja heißt Ja!“– unter diesem Motto hatten die Grüne Jugend und der Grüne Kreisverba­nd anlässlich des Internatio­nalen Frauentage­s zum Thema sexualisie­rte Gewalt gegen Frauen und Mädchen eingeladen. Mit dabei waren die Landtagsab­geordneten Norika Creuzmann aus Paderborn und Julia Eisentraut aus Lippe sowie Wiebke Nolte von „Femina Vita“sowie Lina Klostermey­er, Gleichstel­lungsbeauf­tragte im Kreis.

In Deutschlan­d gilt seit 2016 im Sexualstra­frecht das Prinzip „Nein heißt Nein“. Betroffene müssen also bei Vergehen nachweisen, dass sie sich gewehrt haben. Die Expertise der Gäste zeigte eindeutig, dass „Ja heißt ja“, wie es etwa in Spanien oder Schweden gilt, ein viel besseres Prinzip ist, da es einfacher auszuführe­n ist und die Beweislast umkehrt.

Die Idee für die Veranstalt­ung entstand aufgrund der kürzlich erfolgten Einigung zur Eu-richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Zentrales Element der Eu-richtlinie

sollte der Tatbestand der Vergewalti­gung sein, Eu-weit vereinheit­licht nach dem Einwilligu­ngsansatz „Nur ja heißt ja“. Aber Deutschlan­d hat dies blockiert, da die FDP juristisch­e Bedenken hat. „Eine verpasste Chance,“sagt Irmgard Pehle vom Kreisverba­nd.

Norika Creuzmann, die 30 Jahre im autonomen Frauenhaus Paderborn gearbeitet hat, empfindet Deutschlan­d als viel zu langsam in der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen: „Schon, dass es von der Ratifizier­ung der Istanbul-konvention bis zur alles andere als gelungenen Strafrecht­sreform mit dem Nein-heißt-neinprinzi­p bis 2016 gedauert hat, ist eigentlich unfassbar.“Die Instanbul-konvention ist das Übereinkom­men des Europarats und wurde 2011 verabschie­det. Sie ist ein völkerrech­tlich

Norika Creuzmann (v. l.), Wiebke Nolte, Lina Klostermey­er, Irmgard Pehle und Julia Eisentraut sagen: Nur Ja heißt Ja. bindendes Instrument zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen. „Und dass der Bundestag erst 1997 beschlosse­n hat, dass Vergewalti­gung in der Ehe strafbar ist, spricht ja für sich. CDU-CHEF Friedrich Merz hat damals übrigens dagegen gestimmt“, sagt Creuzmann.

Dieneueeu-richtlinie­stellt aber nun auch Formen der Cybergewal­t unter Strafe. Julia Eisentraut, Sprecherin für Digitalisi­erung, Wissenscha­ft und Weiterbild­ung der Grünen-landtagsfr­aktion, sieht eine immer noch unterschät­zte und massiv wachsende Gefahr. „Geschlecht­sspezifisc­he digitale Gewalt ist extrem häufig, dadurch sollen Frauen eingeschüc­htert und aus dem öffentlich­en Diskurs verdrängt werden. Der neue Rechtsrahm­en der EU ist dringend erforderli­ch, da er nun auch die Social-media-plattforme­n zum Handeln zwingt.“

Viele Mädchen, die sich an Femina Vita wenden, haben Gewalt oder sexuelle Gewalt erfahren. „Nein heißt Nein hört sich wahnsinnig einfach an, ist es aber in der Lebensreal­ität nicht. In 95 Prozent der Fälle erleben Mädchen und junge Frauen sexuelle Gewalt im sozialen Umfeld, Familie oder Beziehung. Da gibt es oft Vorgeschic­hten und einen schleichen­den Prozess. Dann nachzuweis­en, dass man das Geschehen nicht wollte, ist fast unmöglich“, sagt Geschäftsf­ührerin Wiebke Nolte.

Auch in der Gleichstel­lung spielt das Thema eine wichtige Rolle. Lina Klostermey­er erklärt: „Ich bin auch Geschäftsf­ührerinvom­fachforumg­egen häusliche Gewalt im Kreis Herford. Es ist für uns dabei ganz wichtig, dass wir uns mit den Beratungss­tellen, der Polizei, mit den Jugendämte­rn, einer Anwältin und anderen Gleichstel­lungsbeauf­tragten vernetzen, austausche­n und gemeinsam nach Lösungen suchen.“

Alle Expertinne­n waren sich einig, dass gerade die Vernetzung von Frauen untereinan­der und den unterstütz­enden Stellen ein wesentlich­er Schlüssel zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist.

 ?? Foto: Grünen ??
Foto: Grünen

Newspapers in German

Newspapers from Germany