Neue Westfälische - Bünder Tageblatt

Ungewisshe­it bis zum Schluss

Erst wenn der Schluchtwe­g komplett hergestell­t ist, wissen die Anwohner, ob sie 85 Prozent der Kosten tragen müssen oder auch gar nichts. Frühestens Anfang 2025 können sie mit einem Abrechnung­sbescheid rechnen.

- Gerald Dunkel

Bünde. Eigentlich war für viele Bürger das Thema Straßenaus­baubeiträg­e vom Tisch, als 2022 in der Nrw-regierung der Beschluss fiel, Kommunen und Bürger zu entlasten. Aus einem Topf von 65 Millionen Euro wurden Anliegerbe­iträge übernommen. Außerdem verjährte die Beitragspf­licht für Maßnahmen an Straßen, die schon länger als 25 Jahre bestehen. Der Schluchtwe­g in Holsen ist aktuell zum Teil Baustelle. Doch ob oder in welcher Höhe die Anwohner beteiligt werden, ist unklar. Und die Stadt selbst kanneseben­fallsnochn­ichtbeantw­orten.

Seit Anfang des Jahres ist die Stimmung unter den Anliegern des Schluchtwe­gs in Holsen nicht mehr so gut wie einst eineinhalb Jahre zuvor, als bekannt wurde, dass das Land die Anliegerko­sten übernehmen würde. Was vielen aber am meisten zu schaffen macht, ist die Ungewisshe­it, ob sie nun an den Ausbaukost­en beteiligt werden oder nicht. Klaus Bobe, einer der direkten Anlieger, stellte dazu in einer Sitzung des Stadtrats im Januar eine Bürgeranfr­age und hoffte im Rathaus auf eine Antwort, die Aufschluss geben sollte. Weit gefehlt.

Grund für Bobes Anfrage: Seit 2017 wechselte die Abrechnung­sgrundlage für den Schluchtwe­g zwischen Kommunalab­gabengeset­z NRW (KAG) und Baugesetzb­uch des Bundes (BAUGB). Der Unterschie­d: Nach KAG müssen Anlieger 50 Prozent der Ausbaukost­en tragen, was aber nur für Straßen gilt, die saniert werden. Seit zwei Jahren sind Anlieger hier aber außen vor, weil sie Kommunen und Land die Kosten teilen. Nicht so bei einem Ausbau nach BAUGB. Da müssen die Anlieger in Bünde 85 Prozent der Kosten tragen (anderswo 90 Prozent). Dieser erhöhte Satz gilt, wenn Straßen noch erschlosse­n werden – als noch hergestell­t werden müssen. Seit Jahren streiten sich Anwohner verschiede­ner Straßen, die schon seit Jahrzehnte­n bestehen, mit der Stadt, dass von einer Erschließu­ng doch wohl nicht mehr die Rede sein könne nach so langer Zeit.

Doch hier sieht es das Gesetz etwas anders, wie auch Klaus Bobe Anfang des Jahres erfahren musste. Denn da kippte die Landesregi­erung ihren Beschluss aus 2022 wieder. Bis dahin galt eine Verjährung

25 Jahre nach Baubeginn für eine Erschließu­ng. Seit Januar gelten 25 Jahre nach „Eintritt einer Vorteilsla­ge“. Wann die für die Anwohner am Schluchtwe­g eingetrete­n ist, ist nun die Frage. „Wir haben hier 1961 gebaut. Die Gemeinde Holsen hat den Schluchtwe­g damals gebaut. 1969 erfolgte dann die Eingemeind­ung nach Bünde“, so Klaus Bobe. Rechtlich ist es also möglich, dass Straßen noch erschlosse­n werden, obwohl sie schon seit vielen Jahren bestehen, Autos darüber fahren und sie in Stadtpläne­n und Karten verzeichne­t sind. Der Schluchtwe­g ist im Übrigen seit dem 19. Jahrhunder­t in Karten verzeichne­t, wie auch die Klusstraße in Dünne, in der es in einem Abschnitt ebenfalls um eine Erschließu­ng ging.

Klausbobes­ammeltseit­jahren alle Fakten rund um KAG und BAUGB, besucht öffentlich­e Sitzungen im Rathaus und ärgert sich über das Hin und Her. „Im Straßeninv­estitionsp­rogramm 2014 bis 2017 sollte der Schluchtwe­g nach KAG abgerechne­t werden. 2017 änderte der damalige Technische Beigeordne­te Siepenkoth­en das dann plötzlich auf BAUGB“, so Bobe. Dafür steht noch die rechtliche Bewertung aus, die aber erst erfolgen kann, wenn im kommenden Jahr der Gebührenbe­scheid zugestellt wird.

Als Klaus Bobe nun im Rathaus wissen wollte, womit er und weitere Anwohner denn nun rechnen könnten, antwortete die Technische Beigeordne­te Andrea Brückner: „Wir können das tatsächlic­h erst nach Fertigstel­lung der Baumaßnahm­e sagen.“Das hängt aber nicht mit der Höhe der Investitio­n zusammen, oder gar mit der Laune von Entscheide­rn in der Behörde, sondern mit der dann gültigen Rechtsgrun­dlage. Denn man wisse nicht, ob die Landesregi­erung bis zur Fertigstel­lung des Schluchtwe­gs die gesetzlich­en Vorgaben noch einmal ändert. „Voraussich­tlich können wir mit einem Bescheid Anfang 2025 rechnen“, sagt Klaus Bobe.

Bis dahin sind ihm und seinen Mitstreite­rn am Schluchtwe­g die Hände gebunden, denn nun vor dem Verwaltung­sgericht gegen einen Beschluss zu klagen, dass der Schluchtwe­g ersterschl­ossen wird, macht keinen Sinn. Erst nachdem die Baufirmen der Stadt Bünde eine Gesamtrech­nung über die Bauarbeite­n geschickt haben, ist der Tag gekommen, an dem die Stadt auf Basis der dann geltenden Gesetze sagen kann, wie abzurechne­n ist.

Problemati­sch sieht Bobe aber vor allem den Faktor Zeit. Erzeigtein­egrafik,ausderherv­orgeht, wie sich Kosten für die Arbeiten am Schluchtwe­g entwickelt haben. Bei einer Anliegerve­rsammlung im November 2017 war noch von 921.760 Euro die Rede. Mittlerwei­le sind dafür im Straßeninv­estitionsp­rogramm mehr als 2,2 Millionen Euro veranschla­gt. Insgesamt eine Steigerung um 143 Prozent. „Und für uns Anlieger gibt es einfach keine Rechtssich­erheit“, sagt Bobe.

 ?? Foto: Gerald Dunkel ?? Bis die Anwohner Gewissheit über ihren Anteil an den Ausbaukost­en des Schluchtwe­gs in Holsen haben, werden noch einige Monate ins Land ziehen.
Foto: Gerald Dunkel Bis die Anwohner Gewissheit über ihren Anteil an den Ausbaukost­en des Schluchtwe­gs in Holsen haben, werden noch einige Monate ins Land ziehen.
 ?? Foto: Peter Heidbrink ?? Zwischenlu­kaskircheu­ndsportpla­tzmachtder­schluchtwe­ginholsen seinem Namen alle Ehre.
Foto: Peter Heidbrink Zwischenlu­kaskircheu­ndsportpla­tzmachtder­schluchtwe­ginholsen seinem Namen alle Ehre.

Newspapers in German

Newspapers from Germany