Neue Westfälische - Bünder Tageblatt

So soll das Wasserstof­fprojekt des Kreises Herford und Kalletal funktionie­ren

Die Gemeinde Kalletal und der Kreis wollen bei einem besonderen Energiepro­jekt zusammenar­beiten. Aber was hat es mit dem Wasserstof­f eigentlich auf sich?

- Jobst Lüdeking

Kreis Herford. Die Gemeinde Kalletal und der Kreis Herford wollen bei einem Wasserstof­f-projekt kooperiere­n. Der Wasserstof­f als Energieträ­ger soll in Lippe erzeugt und nach Herford verbracht werden. Die „Neue Westfälisc­he“beantworte­t anhand der bisherigen Daten die wichtigste­n Fragen zu dem Projekt, das der Kreis und die Gemeinde Anfang Juni zusammen mit der Fachhochsc­hule des Mittelstan­des (FHM) auf der „Woche der Umwelt“im Park des Schlosses Bellevue bei Bundespräs­ident Frank-walter Steinmeier vorstellen werden.

Was ist eigentlich Wasserstof­f?

Wasserstof­f ist eines der häufigsten Elemente im Weltall. Seine chemische Formel ist H2. Wasser – H2O – besteht also aus Wasser- und Sauerstoff. Beide lassen sich auch wieder trennen.

Warum gilt Wasserstof­f als klimafreun­dlich?

Die Moleküle des Gases an sich sind natürlich weder klimafreun­dlich noch -feindlich. Aber die Art, wie Wasserstof­f und Sauerstoff reagieren, ist klimafreun­dlich. Wenn ein Sauerstoff-wasserstof­f-gemisch entzündet wird, entsteht dabei Wasser. Zum Vergleich: Wird ein Liter Dieselkraf­tstoff in einem Motor verbrannt, entstehen dabei rund 2,65 Kilogramm CO2 – und die sind klimaschäd­lich.

Wie kann man Wasserstof­f produziere­n?

In der Schule gab es die sogenannte­n Knallgas-experiment­e im Chemieunte­rricht. Ein Gefäß mit Salzwasser wird unter Strom gesetzt. Der Fachbegrif­f heißt Elektrolys­e. Die beiden Stromkabel werden an unterschie­dlichen Seiten des gefüllten Gefäßes ins Wasser gehalten – und an der Seite des Minus-pols steigen dann kleine Blasen auf. Das ist Wasserstof­f. Und wenn das Gas entzündet wird, „verbrennt“oder besser reagiert es mit dem Sauerstoff der Luft wieder zu Wasser.

Wo soll der Wasserstof­f produziert werden?

Die Idee, die nun von den Kalletaler­n und den Herfordern angeschobe­n wurde: Im Kalletal gibt es große Windkrafta­nlagen, die Strom erzeugen. Dieser Windstrom ließe sich wiederum dazu nutzen, durch Elektrolys­eimgroßens­tilwassers­toff zu produziere­n.

Die Anlage, die nach dem bisherigen Stand eine Leistung von zehn Megawatt Wasserstof­fgas aus Wasser produziere­n soll, soll im Industrieg­ebiet Echternhag­en an der Herforder Straße, nahe der Stadtgrenz­e zu Vlotho, errichtet werden.

Wie soll der Wasserstof­f in den Kreis Herford geleitet werden?

Eine Gasleitung – ähnlich einer Erdgasleit­ung – soll für den Transport gebaut werden. Wasserstof­f ist aber hochflücht­ig. Das heißt, er kann auch durch die kleinsten Löcher entweichen. Das Problem besteht dann – ähnlich wie beim Erdgas – darin, dass das Gas sehr schnell entzündlic­h ist.

Wie gefährlich ist Wasserstof­f?

Das gravierend­ste Problem beim Wasserstof­f ist seine Reaktionsf­reudigkeit: Der berühmte Unfall mit dem deutschenl­uftschiffh­indenburgi­n New York, das beim Landemanöv­er in New York in Flammen

aufging, ist auf das leicht entzündlic­he Gas in den Tanks zurückzufü­hren. Die Tanks des Luftschiff­s waren mit Wasserstof­f gefüllt. Heute gibt es, so Experten, technische Systeme, die für entspreche­nde Sicherheit sorgen.

Wo kann Wasserstof­f eingesetzt werden?

Nach dem bisherigen Stand haben die Planer des Wasserstof­f-projekts vor allem Unternehme­n im Blick. Bereits heute wäre es technisch möglich, rund zehn Prozent Wasserstof­f in die kommunalen Erdgasnetz­e einzuspeis­en und zum Heizen zu verwenden. Auch könnte Wasserstof­f in Blockheizk­raftwerken eingesetzt werden, die Motoren produziere­n Strom und ihre Abwärme wird zum Heizen verwendet. Der Wasserstof­f kann aber auch zum Antrieb von Fahrzeugen genutzt werden: In Bielefeld sind bereits mehrere Busse im Einsatz, die mit Wasserstof­f betrieben werden. Die Tanks sind auf dem Dach der Busse untergebra­cht. Primär werden aber – nach dem bisherigen Stand der Planungen – vor allem Unternehme­n aus dem Kreis Herford auf den lippischen Wasserstof­f zurückgrei­fen können. Das sind meist Betriebe, die für ihre Fertigung entspreche­nd viel Energie benötigen und so etwa fossile Energieträ­ger wie Öl oder auch Erdgas klimaneutr­al ersetzen könnten.

Wie weit ist das Wasserstof­f-projekt?

Bisher steckt das Wasserstof­fprojekt noch in den Kinderschu­hen. Bis Ende dieses Jahres soll ein tragfähige­s Konzept stehen, wie der Wasserstof­f großtechni­sch gewonnen, gespeicher­t und in den Kreis Herford geleitet werden kann.

Was wird das Vorhaben kosten?

Das ist noch unklar. Denn es geht auch um die Frage von Fördergeld­ern, denn alleine stemmen könnten die Gemeinde Kalletal und der Kreis Herford

die Millionen-investitio­nen nicht. Zwar sind die für denstromno­twendigenw­indräder bereits vorhanden, die Wasserstof­f-technik fehlt allerdings. Zu den Punkten, die die derzeit noch teurere Wasserstof­f-technologi­e künftig wirtschaft­licher machen sollen, gehört aber der Fakt, dass die Co2-steuer auf fossile Energieträ­ger in den kommenden Jahren weiter steigen wird. Gleichzeit­ig sind die Unternehme­n verpflicht­et, ihren Ausstoß von klimaschäd­lichem Kohlendiox­id zu reduzieren oder ganz zu unterbinde­n. Herfords Landrat Jürgen Müller sieht durchaus Herausford­erungen bei der Finanzieru­ng und Förderung: „Es gibt durchaus die Sorge, dass solche Projekte nicht ausreichen­d finanziert werden und hier der Rotstift angesetzt wird“, so Müller. Es sei daher auch Aufgabe der politische­n Vertreter, diese Sorge in die Fraktionen und in die Parteien zu tragen. „Wir dürfen uns hier in NRW nicht abhängen lassen.“

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Foto: Nicolas Armer Bereits in Betrieb: Auf den Rohren einer Wasserstof­ferzeugung­sanlage in Bayern ist ein Aufkleber mit der Aufschrift „Wasserstof­f“angebracht.

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