Neue Westfälische - Bünder Tageblatt
Langeranlaufbiszumsee
Dernockberge-trailisteineempfehlungfürfernwanderer:inachtetappenziehtersichüberdiesanftenkuppeneines Biosphärenparks.übernachtetwirdmalaufalmhütten,malinkomforthotels.
Volksmusik, echt jetzt? Ob unsdasgefallenwird?nun, wir haben vor, einige Tage durch Kärnten zu streifen, da hat sich die Reiseleitung überlegt, uns vorher mit einem Hüttenzauber einzustimmen, unsere Ohrenundsinnezuschärfen–auf landestypische Weise eben. Das passiert hier gemeinhin mit Musi. Also treten auf: die Eheleute Brugger. Die Barbara und der Christian.
Dochdiesindsehrandersalsdas, was wir angenommen hatten. Kein Stefanie-hertel-/florian-silbereisen-double, sondern Vertreter der traditionellen alpenländischen Volksmusik. Könner, Musikschullehrer alle beide: Barbara unterrichtet Blockflöte und Hackbrett, Christian Volksmusik und Steirische Harmonika. Was sie für uns spielen, ist eher getragenalsholdrio.wirhörenwalzer und Polka, eine feine, melodische Musik, die sich wunderbar in die Gemütlichkeit dieses Abends, dieses Gastraumes einfügt.
Wir sind auf 1.712 Metern in der Neuen Bonner Hütte einquartiert – ein Grüppchen von sechs Leuten,außerdemeinehepaarum die 60 und eine ältere Witwe. Sonstniemand.unddasmittenim Sommer, mitten in Österreich. Eigenartig. Wer über Bergrummel klagt, über allzu volle Wanderrouten, kann nicht in den Nockbergen gewesen sein. Denn hier ist es ruhig. An einem unserer nächsten Trekkingtage begegnen wir lediglich drei anderen Wanderern.
Die Nockberge, sie unterscheiden sich von den übrigen Alpen. Manchesindgeneigt,sieüberdas Fehlende zu beschreiben: Sie seien weder steil noch schroff, ihnen fehlten Felsen, Grate, Schluchten. Doch dafür ragen sie auf andere Weise heraus: durch ihreungewöhnlicheform.ihregeschwungenen, grasigen Kuppen, die abgerundeten „Nock“-gipfel: Das ist schon sehr speziell. Gelegentlich wähnen wir uns im Mittelgebirge, in der waldarmen Rhönvielleicht.dochdastäuscht, esgehtkräftigraufundrunter.am Ende jeder Etappe werden wir reichlich Höhenmeter gesammelt haben, tausend im Schnitt.
Auf der Neuen Bonner Hütte holt unsammorgeneliasab,einranger des Biosphärenparks. „Wie war die Nacht, wie war die Musi?“Bestens, Daumen hoch. Elias ist gekommen, um uns auf der Etappe über Schwarzwand und Gaipahöhe bis Innerkrems zu begleiten.fünfeinhalbstundennetto-gehzeit, sagt der Routenplan, aber nicht mit Elias: Dieser Mann ist derart kundig über alles, was kreucht und fleucht, dass es eine Freude ist. Was es unterwegs alles zu entdecken gibt!
Dieährigeteufelskrallebeispielsweise. Eine Entdeckung! Sie wächst auf Hüfthöhe und schmeckt nach grünem Spargel, wir können gar nicht genug davon kriegen, immer wieder geht die Hand zum Busch. Die Heidelbeeren, der Bergthymian, die Zirbe, die Kuhschelle, der Hauswurz und das Schwarze Kohlröschen,dassoleckernachschokolade duftet: Elias kennt sie alle. Doch wo bleibt der Speik, dieses sagenhafte Gewächs, nach dem einst sogar Kleopatra verlangte? Auch bekannt als Alpenbaldrian? Dort ist er. Ein schmächtiges Pflänzchen, das wir erst entdecken, als wir kurz hinter der Gaipahöhe
die „Blutige Alm“überqueren. In den kelchartigen, gelben Blüten des Speiks steckt eine heilende Kraft, heißt es. Menschenimorient,innordafrikaund Europa parfümieren schon ewig damit,bräutereibensichvorihrer Vermählung damit ein. Maria Magdalena, so wird erzählt, soll
Jesus Füße mit Speik gesalbt halben.
Warum uns der Fund so begeistert: Weil nur hier, in den Nockbergen, auf einer Höhe zwischen 1.800 und 2.300 Metern, der„echtespeik“wächst,dervaleriana Celtica. Derart wirksam und begehrt ist er, dass man ihn 1936 unter Naturschutz stellte. „Nur zwei Bauernfamilien haben das Recht, ihn zu ernten, jedochhöchstens25kilogrammpro Jahr“, erklärt Elias. Sie lösen den Speik mit der Hand und speziellen Krallen aus dem Boden, dann verkaufen sie ihn an eine Firma
Dass wir bei solchen Details nur langsam voran kommen, ist klar, machtabernichts.eliasvermaginteressant zu erzählen. Wir erfahren von ihm, dass die Nockberge zu den erdgeschichtlichen Raritäten gehören: Weil sie wundersamerweise,andersalsihrealpine Umgebung, in der jüngsten Eiszeit nahezu eisfrei und dadurchrückzugsortseltenerpflanzen und Tiere blieben. Der Mornellregenpfeifer beispielsweise, einbrutvogel,findethiereinesseiner wenigen Refugien außerhalb der Tundra, und am Boden huschen erstaunliche Arten von Spinnen-, Lauf- und Kurzflügelkäfern herum. Besonders prachtvoll: der Auerhahn, Wappentier desbiosphärenparks.erfühltsich in den naturnahen Nadelwäldern wohl. Zu sehen bekommen wir ihn leider nicht.
Acht Etappen zählt der Nockberge Trail. Die örtliche Touristinfopreistihnals„österreichsbeliebtesten Weitwanderweg“, was uns wundert, denn, wie gesagt, Mitwanderer sehen wir kaum. Jedenfallshatmansich2021entschieden,ihnumdreietappenvon Bad Kleinkirchheim bis zum Millstätterseezuverlängern,waseine gute Idee war; vor allem die Passagen zwischen Kamplnock und Tschiernock bieten tolle Panoramen. Der Charme des Trails liegt darin, dass er vielseitig ist. Almen, Zirbenwälder und sanfte Gipfel wechseln einander ab, hier unddaglitzerteinsee.malübernachten wir in Komforthotels, mal in Hütten.
Auf der sechsten Etappe von Bad Kleinkirchheim zum Erlacherhaus begleitet uns Florian, ein Ranger-kollege von Elias. Herrlich das Teilstück, das uns in die Kernzone des Biosphärenparks führt.manerkenntessofort:hier hat die Natur ihre Ruhe. Totholzliegtherum,bäume,vorjahrzehnten umgeknickt, sind von Moosen und Flechten überwachsen. Versunken und still streifen wirdurcheinenzauberhaftenlärchenwald.vondenästenderbäumehängengirlandenartigeflechten, ganze Bündel davon – stets ein Indikator, dass die Luft besonders rein ist.
Nur ein Viertel des Trails führt durch die Kernzone des Parks. Klingtbedauernd,istesabernicht. Denn auch die anderen Biosphären-zonen haben ihren Reiz. Sie erlauben eine angepasste Almwirtschaft, ermöglichen Bauern ihr Auskommen, stellen sicher, dass der Lebensraum auch künftigen Generationen erhalten bleibt.
Herrlich für Wanderer ist es dennoch, manchmal gerade deswegen.aufdenbeidenletztenetappen wird das besonders ersichtlich: Die Stelle und die Gestaltung des Granattores sind großartig,ebensodieaussichtausder Riesenschaukel an der Alexanderhütte.undschließlichdiezielankunft auf einem Steg am Millstätter See: sehr gut überlegt! Raus aus den verschwitzten Klamotten,reininswasser!dieseerfrischung haben wir uns verdient.