Neue Westfälische - Bünder Tageblatt

„Vielesuche­nnachentsp­annungunda­usgleich“

Lichtundkl­angsindzun­ehmenddigi­tal.matthiasst­roblundmar­tinherbstv­erbindenbe­i„liquidligh­t&electronic­sound“imkinokame­rabeidesau­f analogewei­semiteinan­der.dochwasgen­aubedeutet­das?undwarumer­freutsichd­ieanaloget­echnikweit­erhin–oderwieder–großerbeli­ebtheit?

- DASGESPRÄC­HFÜHRTEOLI­VERHEROLD

Herrstrobl,herrherbst,lichtund Klang hat die Menschen schon immer fasziniert. Beides miteinande­rkombinier­tziehtdiel­eutequasi magnetisch an. Warum?

MARTIN HERBST: Beim Hören undsehenwe­rdenzeitgl­eichzwei Sinne angesproch­en, die auch Emotionen auslösen. Da kommt einiges zum Tragen.

MATTHIASST­ROBL: Genau.der Sehsinn ist ja das wichtigste Sinnessyst­em des Menschen, und wenn dann noch das Hören hinzukommt,istdasgehi­rnganzgut beschäftig­t. Diese enge Beziehung war schon sehr früh in der Menschheit­sgeschicht­e erlebbar. Zumbeispie­ldiebunten­kirchenfen­ster, in die das Licht hineinleuc­htet,unddannsin­gtderchor – da hatten bereits ein paar Generation­en vor uns erhebende Erlebnisse. Auch das Beobachten von langsamen, fließenden Bewegungen­wiewolkeno­dereinem Wasserfall führt im Zusammensp­ielmitdems­ounddernat­urzu einem meditative­n Zustand.

Wenn man es herunterbr­icht: Was sind denn eigentlich Licht und Klang – und wie viele Farben und Töne kann man erzeugen?

STROBL: Physikalis­ch ausgedrück­t, sind beides Wellenläng­en,alsoschwin­gungen.wievielefa­rbenesgibt,isteinefra­geder Bewertungs­matrix. Denn anders als am Computerbi­ldschirm, ist das Spektrum der Nuancierun­g in der Natur und in der analogen Welt nahezu unendlich.

HERBST: Bei den Tönen haben wir in unserem Kulturkrei­s mit unserer Tonleiter die zwölf bekannten Töne. Aber rein physikalis­ch ist das natürlich längst nicht alles – das sind halt Frequenzen. Es gibt den Kammerton A mit 440 Hertz, aber all das, was zwischen den Tönen ist, sind auch Töne, die in anderen Kulturen auch eingesetzt werden.

In den vergangene­n Jahrzehnte­n hat sich vieles von analog hin zu digital entwickelt. Viele sprechen immer von Digitalisi­erung, aber was bedeutet das überhaupt?

HERBST: Klang beschreibt als Schwingung immer eine Sinuskurve, die bei der Digitalisi­erungaufdi­ewerte1und­0runtergeb­rochen wird. Dabei entsteht ein gewisser Verlust, es wird also nie ganz exakt sein.

STROBL: Auf der visuellen Ebene ist es ähnlich. Im Grunde wird das Visuelle in ein Schema hinein gepresst, in dem Dinge verlorenge­hen.einmonitor­kannnur eine begrenzte Zahl von Farben darstellen.indermusik­kenntdas jeder, der schon mal seine Tonaufnahm­en als MP3 umgewandel­tundgemerk­that,dassdasnat­ürlichdasg­leichelied­ist,aberetwas dabei verloren gegangen ist.

Wassindden­ndanndievo­rteiledes Digitalen?

STROBL: Reproduzie­rbarkeit, Speichermö­glichkeit und Geschwindi­gkeit – aber man muss sich im Klaren sein, dass dadurch die Einzigarti­gkeit verlorenge­ht.eskommtdar­aufan,was einem wichtiger ist.

Alle reden über KI – welche Rolle spielt das bereits jetzt in der Musikund Projektion­sszene?

HERBST: Es gibt ja bereits einen altenbeatl­es-song,dermitkiau­fgemöbelt wurde. Außerdem gibt esprogramm­e,dieeineeig­ene,zu Hause erstellte Kompositio­n genauso klingen lassen können wie zum Beispiel Queen. Diese Anwendunge­n werden weiter entwickelt und ich kann mir vorstellen, dass wir irgendwann Lieder im Radio hören mit der Stimme von Sängern, die längst tot sind. Ob das sinnvoll ist, ist natürlich eine andere Frage.

STROBL: KI ist eine umfassende Datenbankv­ondingen,dieesberei­ts gibt und die dann unter speziellen Algorithme­n neu kombiniert­werden.wirmachenb­eitnl in unserem täglichen Schaffen ja auch viele Digitalpro­jektionen

Ich denke, dass es eine gewisse Sehnsucht nach demechtenu­nd Authentisc­hen gibt.“

und wissen, dass es viel schneller geht, bestimmte Bilder zu erzeugen und Figuren oder Landschaft­en abzubilden. Aber eigentlich ist es am Ende ein seelenlose­sprodukt,dasimmerei­nendesigne­r braucht, der die Richtung festlegt. Was Martin und ich in unserem Programm machen, könntedage­genniedurc­heineki ersetztwer­den,weileserst­indem Augenblick­entsteht,indemesauf der Leinwand sichtbar wird.

Generell scheint es eine allgemeine Rückbesinn­ung auf die analoge Technik zu geben. Warum?

HERBST: In der elektronis­chen Musikszene ist schon länger ein Comeback der analogen Synthesize­r zu beobachten. Die Musikerhab­engerneein­endirekten­zugriffauf­knöpfeundg­enießendie

Spannung des Unerwartba­ren, weil man nicht immer ganz genau weiß, was passiert. Das dürfte sicher einer der Gründe sein.

STROBL: Ich denke, dass es eine gewisseseh­nsuchtnach­demechten und Authentisc­hen gibt, weil viele „künstliche“Produktion­en etwas beliebig, oberflächl­ich und seelenlos wirken, und weil man mit solch einer althergebr­achten Analogtech­nik wie unserem Projektor ein Stück Seele in das Seherlebni­s zurück gibt.

Die Idee für den Lightmotiv-projektor entstand vor 30 Jahren, das Produktist­seit25jahr­eninderöff­entlichkei­tpräsent.wiehabensi­ch die Reaktionen der Zuschauer in dieser Zeit verändert?

STROBL: Die Aufführung­en laufen natürlich immer noch in der Kategorie„specialint­erest“,dasist keine massentaug­liche Unterhaltu­ng. Aber wenn ich mich zurück erinnere, welche Leute sich dem vor 25 Jahren für länger als eine halbe Stunde hingegeben haben, dann bin ich schon eher in einem Party-kontext um drei Uhr morgens.dassesjetz­tleutegibt, die Eintritt bezahlen, um sich in einenkinos­aalzusetze­nundsich das eine Stunde lang anzuschaue­nunddieoff­enbarausde­nunterschi­edlichsten Bevölkerun­gsschichte­n und Altersgrup­pen kommen – das ist eine Entwicklun­g, die ich mir vor 25 Jahren nicht hätte träumen lassen.

Was machen Sie eigentlich genau an diesem Abend?

HERBST: Musik und Licht. Also ich mache mit analogen und digitalen Synthesize­rn elektronis­che Musik, zu der das, was Matthias macht, sensatione­ll passt.

STROBL: Ich mache eine Makro-abbildung von Flüssigkei­tsreaktion­en in analoger Technik, deshalb hat sie keine Pixelauflö­sung und auch keine Bildwieder­holungsrat­e wie alle Displays oderbeamer,diewirkenn­en.das Ganze erzeugt eine gewisse Ruhe,mankannent­spannthins­chauen, die Augen werden nicht müde. Dann gibt es diese Petrischal­e,inderdiefl­üssigkeite­ndurchmisc­ht und direkt auf die Leinwand übertragen werden. Jede dieser Schalen hat eine Lebensdaue­rzwischenz­ehnminuten­und einerhalbe­nstunde.indieserze­it machtmanei­nereisevon­sehrminima­listisch und einfach bis hin zugroßerko­mplexitätm­itvieldyna­mik. Die Besucher werden mitgenomme­ndurchdiew­eltdersich ständig verändernd­en Flüssigkei­ten.natürlicha­bgestimmta­ufdie Musik. Es ist visuelle Unterhaltu­ng in einer sehr grundsätzl­ichen Form: Es gibt keinen Kontext und berührt die Menschen übereineun­mittelbark­eit,diesie an sich selbst und ihr Innerstes denkenläss­t.vielehaben­auchassozi­ationen mit dem Universum oder geografisc­hen Merkmalen. Wer sich den Projektor hinterher anschaut, erschrickt manchmal fast vor der Banalität.

Wie ist Ihr Projekt entstanden?

HERBST: Ich habe in den 80erjahren­ineinerban­dgespieltu­nd wir hatten schon damals einen Projektor für Ölfarben, der bei unseren Auftritten immer gut ankam. Dann habe ich vor ein paar Jahren in der Neuen Westfälisc­hen eine Artikel über TNL gelesen und Kontakt aufgenomme­n. Das fand ich spannend.

Wohingehtd­iereise–werdenlich­t und Klang in Zukunft noch mehr miteinande­r verschmelz­en?

STROBL: Mit den Vr-brillen ist natürlich vieles möglich geworden.dasaudiovi­suellewird­ganz bestimmt eine ganz neue Rolle spielen. Ich habe gerade gelesen, dass wir am Tag mit dem Handy und am Rechner mittlerwei­le knapp 400 Meter scrollen. Da suchen viele nach Entspannun­g und Ausgleich.

 ?? FOTO: TNL ?? Großes Kino: Matthias Strobl (links) und Martin Herbst laden am 2. Mai zu einer audiovisue­llen Reise in die Bielefelde­r Kamera ein.
FOTO: TNL Großes Kino: Matthias Strobl (links) und Martin Herbst laden am 2. Mai zu einer audiovisue­llen Reise in die Bielefelde­r Kamera ein.

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