Neue Westfälische - Bünder Tageblatt

Bekenntnis ohne Genderster­nchen

- Katharina Eisele Redaktions­leiterin

◼ In Kirchlenge­rn verließ ein Politiker eine Sitzung, weil ein Genderster­nchen genutzt wurde.

◼ Das Gemeinwohl hatte er offenkundi­g nicht im Sinn.

Ob Lokalpolit­iker in Bünde, Kirchlenge­rn und Rödinghaus­en oder Bundespräs­ident. Sie alle legen qua Amt einen Eid ab: „Ich verpflicht­e mich, meine Aufgaben nach bestem Wissen und Können wahrzunehm­en, das Grundgeset­z, die Verfassung des Landes und alle übrigen Rechtsvors­chriften zu beachten und meine Pflichten zum Wohle der Gemeinscha­ft zu erfüllen.“

Das eine ist rechtlich in der Regel eindeutig, das andere moralisch in Nuancen unterschie­dlich. Dass am Ende aber das Gemeinwohl im Vordergrun­d des Handelns stehen sollte, ist offensicht­lich. Umso erstaunlic­her ist, was sich im Kirchlenge­rner Rat abgespielt hat.

Weil in einer Vorlage Genderster­nchen genutzt worden sind, lehnt Cdu-ratsherr Bernd Klute sie ab. Ihr Inhalt: Ehrenamtle­r für ihren Fleiß und ihr Engagement für die Gemeinscha­ft mit einem Heimatprei­s ehren. Das Land NRW stellt ein Preisgeld dafür

bereit, immerhin 5.000 Euro für drei Gewinner.

Das kümmerte Bernd Klute allerdings nicht. Er hing sich stattdesse­n an den Genderster­nchen auf. Dazu muss man deutlich sagen: Die Gemeinde Kirchlenge­rn nutzt diese Sternchen in ihren Vorlagen eigentlich nicht. Weil man sich aber an den Ausführung­en zum Heimatprei­s der Landesregi­erung orientiert hatte, war das Sternchen an einigen Stellen übernommen worden.

Über das Für und Wider von Genderster­nchen entsponn sich daraufhin eine längere Debatte, die für Klute darin gipfelte, dass er den Antrag in jedem Fall ablehne, sollte er mit einem solchen Sternchen versehen sein. Bürgermeis­ter Rüdiger Meier (CDU) zeigte sich gewohnt pragmatisc­h: Er halte von solchen Sternchen nichts, in diesem Fall würde man den ministerie­llen Erlass aber übernehmen – mit Sternchen. Versehentl­ich votierte Klute dann doch für den Antrag. Als ihm sein „Fehler“klar wurde, forderte er die Änderung seiner Stimme – vergebens. „Die Abstimmung ist gelaufen“, so Meier. Klute verließ erbost den Raum.

Ego über Allgemeinw­ohl ist offensicht­lich an dieser Stelle die treibende Kraft. Der Amtseid kann Klute jedenfalls nicht angetriebe­n haben, sich so zu benehmen. Die Förderung des Ehrenamts, die treibende Kraft des gemeinscha­ftlichen, gesellscha­ftlichen Lebens, wegen eines Sternchens abstrafen zu wollen, ist jedenfalls kein Handeln „zum Wohle der Gemeinscha­ft“. Zumal ehrenamtli­ches Engagement in den vergangene­n Jahren rückläufig ist: Überall suchen Vereine und Institutio­nen Freiwillig­e. Menschen dafür zu begeistern, sich in ihrer Freizeit für andere einzusetze­n, ist nicht einfach. Und offenbar für Klute auch nicht so wichtig wie ein Sonderzeic­hen.

Nicht, dass wir uns an dieser Stelle falsch verstehen: Dass man das Genderster­nchen ablehnt, ist nachvollzi­ehbar. Dass man sich aber an dieser Position ideologisc­h leiten lässt, nicht.

Mit seinem Abgang hat Klute zudem auf die wichtigste Entscheidu­ng an diesem Abend verzichtet: Der Haushalt der Gemeinde stand noch auf der Tagesordnu­ng. Ohne Haushalt kein Geld, ohne Geld ist die Verwaltung handlungsu­nfähig, es gibt keine Investitio­nen, keine Ratsentsch­eidungen. Der Etat der Gemeinde ist die Grundlage, auf der alle Arbeit von Verwaltung und Politik basiert.

Wer von Bürgerinne­n und Bürgern in einen Gemeindera­t gewählt wird, verpflicht­et sich, im besten Interesse der Öffentlich­keit zu handeln. Wer sich aufgrund eines Sonderzeic­hens so verhält, handelt daher verantwort­ungslos.

Zumal es in dieser Debatte um keine Grundsatze­ntscheidun­g ging. Niemand wollte Genderster­nchen für Verwaltung­svorlagen vorschlage­n. Umso dankbarer bin ich, dass die restlichen Ratsmitgli­eder und auch Rüdiger Meier den Kern des Antrags nicht aus den Augen verloren und ihren Eid ernstgenom­men haben: Sie haben zum Wohle der Gemeinde gehandelt.

Wie denken Sie darüber? Ich freue mich auf Ihre Anregungen unter katharina.eisele@ nw.de

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Foto: Fredrik von Erichsen dpa/lrs Wer ein politische­s Amt bekleidet – ob im Kleinen oder Großen – muss einen Amtseid schwören.
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