Neue Westfälische - Bünder Tageblatt
Bekenntnis ohne Gendersternchen
◼ In Kirchlengern verließ ein Politiker eine Sitzung, weil ein Gendersternchen genutzt wurde.
◼ Das Gemeinwohl hatte er offenkundig nicht im Sinn.
Ob Lokalpolitiker in Bünde, Kirchlengern und Rödinghausen oder Bundespräsident. Sie alle legen qua Amt einen Eid ab: „Ich verpflichte mich, meine Aufgaben nach bestem Wissen und Können wahrzunehmen, das Grundgesetz, die Verfassung des Landes und alle übrigen Rechtsvorschriften zu beachten und meine Pflichten zum Wohle der Gemeinschaft zu erfüllen.“
Das eine ist rechtlich in der Regel eindeutig, das andere moralisch in Nuancen unterschiedlich. Dass am Ende aber das Gemeinwohl im Vordergrund des Handelns stehen sollte, ist offensichtlich. Umso erstaunlicher ist, was sich im Kirchlengerner Rat abgespielt hat.
Weil in einer Vorlage Gendersternchen genutzt worden sind, lehnt Cdu-ratsherr Bernd Klute sie ab. Ihr Inhalt: Ehrenamtler für ihren Fleiß und ihr Engagement für die Gemeinschaft mit einem Heimatpreis ehren. Das Land NRW stellt ein Preisgeld dafür
bereit, immerhin 5.000 Euro für drei Gewinner.
Das kümmerte Bernd Klute allerdings nicht. Er hing sich stattdessen an den Gendersternchen auf. Dazu muss man deutlich sagen: Die Gemeinde Kirchlengern nutzt diese Sternchen in ihren Vorlagen eigentlich nicht. Weil man sich aber an den Ausführungen zum Heimatpreis der Landesregierung orientiert hatte, war das Sternchen an einigen Stellen übernommen worden.
Über das Für und Wider von Gendersternchen entsponn sich daraufhin eine längere Debatte, die für Klute darin gipfelte, dass er den Antrag in jedem Fall ablehne, sollte er mit einem solchen Sternchen versehen sein. Bürgermeister Rüdiger Meier (CDU) zeigte sich gewohnt pragmatisch: Er halte von solchen Sternchen nichts, in diesem Fall würde man den ministeriellen Erlass aber übernehmen – mit Sternchen. Versehentlich votierte Klute dann doch für den Antrag. Als ihm sein „Fehler“klar wurde, forderte er die Änderung seiner Stimme – vergebens. „Die Abstimmung ist gelaufen“, so Meier. Klute verließ erbost den Raum.
Ego über Allgemeinwohl ist offensichtlich an dieser Stelle die treibende Kraft. Der Amtseid kann Klute jedenfalls nicht angetrieben haben, sich so zu benehmen. Die Förderung des Ehrenamts, die treibende Kraft des gemeinschaftlichen, gesellschaftlichen Lebens, wegen eines Sternchens abstrafen zu wollen, ist jedenfalls kein Handeln „zum Wohle der Gemeinschaft“. Zumal ehrenamtliches Engagement in den vergangenen Jahren rückläufig ist: Überall suchen Vereine und Institutionen Freiwillige. Menschen dafür zu begeistern, sich in ihrer Freizeit für andere einzusetzen, ist nicht einfach. Und offenbar für Klute auch nicht so wichtig wie ein Sonderzeichen.
Nicht, dass wir uns an dieser Stelle falsch verstehen: Dass man das Gendersternchen ablehnt, ist nachvollziehbar. Dass man sich aber an dieser Position ideologisch leiten lässt, nicht.
Mit seinem Abgang hat Klute zudem auf die wichtigste Entscheidung an diesem Abend verzichtet: Der Haushalt der Gemeinde stand noch auf der Tagesordnung. Ohne Haushalt kein Geld, ohne Geld ist die Verwaltung handlungsunfähig, es gibt keine Investitionen, keine Ratsentscheidungen. Der Etat der Gemeinde ist die Grundlage, auf der alle Arbeit von Verwaltung und Politik basiert.
Wer von Bürgerinnen und Bürgern in einen Gemeinderat gewählt wird, verpflichtet sich, im besten Interesse der Öffentlichkeit zu handeln. Wer sich aufgrund eines Sonderzeichens so verhält, handelt daher verantwortungslos.
Zumal es in dieser Debatte um keine Grundsatzentscheidung ging. Niemand wollte Gendersternchen für Verwaltungsvorlagen vorschlagen. Umso dankbarer bin ich, dass die restlichen Ratsmitglieder und auch Rüdiger Meier den Kern des Antrags nicht aus den Augen verloren und ihren Eid ernstgenommen haben: Sie haben zum Wohle der Gemeinde gehandelt.
Wie denken Sie darüber? Ich freue mich auf Ihre Anregungen unter katharina.eisele@ nw.de