Neue Westfälische - Gütersloher Zeitung

Eine Reise auf der MS Gütersloh

In ihrem neuen Projekt „Traumschif­f Gütersloh“mischt die Bürgerbühn­e Altbekannt­es mit neuen Erkenntnis­sen.

- Rolf Birkholz

■ Gütersloh. Summend empfängt der Schiffscho­r die Gäste, nachdem Schiffsjun­ge Kalle sie kontrollie­rt hat. Ja, die Besucherin­nen und Besucher des neues Stücks der Bürgerbühn­e sind mit an Bord dieser groß geplanten, dann stockenden und schließlic­h doch überrasche­nd erfahrungs­reichen Reise auf der „MS Gütersloh“. Unter der Regie von Stefan Meißner, assistiert von Pernille Høgild und Rolf Eustergerl­ing, feierte jetzt auf der auch für die folgenden Aufführung­en ausverkauf­ten Studiobühn­e das „Traumschif­f Gütersloh“seine viel beklatscht­e Premiere, stach erstmals in See.

Was heißt See? Wenn der Heimathafe­n das Theater Gütersloh ist, wird die erste Wasser, nun ja, -straße ja wohl die Dalke sein. Da könnte den Güterslohe­r Passagiere­n schon etwas schwanen. Denn einerseits soll es in die große, weite Welt gehen, anderersei­ts sollen sie nicht auf Möpkenbrot und Pumpernick­el, Wurstebrei und Stielmuß verzichten müssen. Die Köchin (Franziska Lücke) singt dennoch von internatio­naler Küche, reimt auf Gütersloh Oregano.

Ebensomuss­allerdings­auch Kapitänin Carola Ottovordem­gentschenf­elde (Silke Hölscher, immer souverän am

Steuerrad, doch nur mit K alles hilfe sich etwas einfallen lassen, denn aufgrund„techni scher Probleme“tuckert das Schiff nur langsam vor sich hin. Statt Marokko und Mauritius, Great Barrier Reef und Machu Picchu gilt es nun Attraktion­en der „kleinsten Großstadt Deutschlan­ds“anzukündig­en: botanische­r Garten, Parkbad, Eiswiese.

Unterdesse­n werden die Gäste bei Laune gehalten. Die immer betrübt dreinblick­ende „Animöwe“(Silke Wieban) lädt zurückhalt­end zu Bewegungsü­bungen ein. Der Chor stimmt Lieder an, hier sind Mikail-kaim und Cem Özel, Ü. Durman, Gülcay Özdogru, Yunus-emre Barin, Zekiye Altunay,figenarsuu­ndhabippar­lar

abwechslun­gsreich mit von der Partie.

Zwischendu­rch treten die Reisenden einzeln, zu zweit oder dritt auf. Salih Yayar ist ein eifriger Influenzer, der bald schon nichts aufregend Neues mehr mitzuteile­n hat und sich Gedanken darüber macht, in Deutschlan­d als Türke, in der Türkei als Deutscher zu gelten. Die vielbeschä­ftigte „Business Lady“(Mine Brandl) erhält gar telefonisc­h eine Krebsdiagn­ose: „Was mach ich denn jetzt?“

Und während „Willis Frau“(Doris Zimmer) ihren Ehemann sucht, findet die Künstlerin (Patrizia Miernik) keine Inspiratio­n. Die mit ihrer Urne Anima unterm Arm herumlaufe­nde Mentorin (Gabriele

Höcker) wiederum genießt die Aufenthalt­e in der Natur an den Haltestell­en: „Es kommt auf die kleinen Dinge an.“Diese Szenen bieten mal bewegende, mal heitere Aspekte.

Als Kalle (Maya Kwiatkowsk­i) mit der Tochter (Jule Timmer) der von Aileen Innocenti gespielten Astrobiolo­gin anbandelt, erfährt er nebenbei, dass die Wissenscha­ftlerin hinter den „technische­n Problemen“steckt. Ihr Quiz für die Passagiere ist Teil einer Studie. Sie will beweisen, dass die Güterslohe­r Außerirdis­che sind: Es könne ja kein Zufall sein, dass 1851 in Kattenstro­th ein Meteorit niedergega­ngen und im selben Jahr das Evangelisc­h-stiftische Gymnasium gegründet worden ist. An dieser elitären, abgeschott­eten Anstalt könne sich Außerirdis­ches bestens entwickelt haben.

Nun, die Touristen bleiben irdisch, erkennen die Reise auch als eine zu sich selbst. Am Ende bekommt die Stadt ortsuntypi­sch ein dickes Lob, wird vom „Kaffeetrin­ken am Kolbeplatz“, vom Sonnenunte­rgang im Wapelbad geschwärmt. Die Mitwirkend­en haben ein buntes Schiffsrei­setagebuch durchgeblä­ttert, altbekannt­es Ostwestfäl­isches mit neuen Einsichten gemischt. Anregend und gut anzuschaue­n.

 ?? Foto: Rolf Birkholz ?? An Bord der „MS Gütersloh“begeben sich Jule Timmer (von links), Aileen Innocenti, Salih Yayar, Maya Kwiatkowsk­i, Gabriele Höcker, Mine Bandl, Silke Hölscher und Silke Wieban auf eine abenteuerl­iche Reise zu Attraktion­en wie Parkbad und Eiswiese.
Foto: Rolf Birkholz An Bord der „MS Gütersloh“begeben sich Jule Timmer (von links), Aileen Innocenti, Salih Yayar, Maya Kwiatkowsk­i, Gabriele Höcker, Mine Bandl, Silke Hölscher und Silke Wieban auf eine abenteuerl­iche Reise zu Attraktion­en wie Parkbad und Eiswiese.
 ?? Foto: Rolf Birkholz ?? Gabriele Höcker und Salih Yayar spielen zwei Passagiere an der Bordbar des Traumschif­fs.
Foto: Rolf Birkholz Gabriele Höcker und Salih Yayar spielen zwei Passagiere an der Bordbar des Traumschif­fs.

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