Neue Westfälische - Gütersloher Zeitung

Doping-arzt Mark S. verliert Approbatio­n

- Arne Bensiek

Paderborn. Sirlord Conteh ist gebürtiger Hamburger und kickte von 2015 bis 2019 für die Regionalli­ga-reserve des FC St. Pauli. Klar, dass Partien gegen seinen Ex-klub für ihn immer etwas Besonderes sind. „Da bin ich mega-motiviert“, sagt der Stürmer des SC Paderborn. Seine bisherigen drei Duelle gegen St. Pauli waren für den Mann mit dem Spitznamen „Sissi“auch sehr emotionale Angelegenh­eiten. Dies wird am Ostersonnt­ag, wenn der SCP um 13.30 Uhr beim Zweitliga-spitzenrei­ter am Hamburger Millerntor gastiert, wohl nicht anders sein.

„Ich freue mich riesig auf das Spiel“, erklärt Conteh, der am 27. August 2022 bei seinem ersten Scp-gastspiel auf St. Pauli eine Achterbahn­fahrt der Gefühle erlebt hatte. Als Einwechsel­spieler hatte Sissi zunächst ein Tor erzielt, dabei aber knapp im Abseits gestanden. Dann gelang ihm in der Nachspielz­eit der vermeintli­che 2:1Siegtreff­er, doch St. Pauli glich im Gegenzug noch zum 2:2 aus.

Beim Rückspiel in Paderborn durfte der schnelle Angreifer von Beginn an ran, musste aber in Minute 65 verletzt raus. Zehn Minuten später sah er Gelb-rot, weil er von der Bank aus zunächst gemeckert und dann höhnisch applaudier­thatte.imhinspiel­der aktuellen Saison bereitete Conteh als Joker den 2:2-Endstand durch Filip Bilbija vor.

„Ich hoffe, ich am Sonntag wieder mit einem Tor oder Assist helfen“, sagt der 27-Jährige. Es würde mal wieder Zeit. Seine Torvorbere­itung gegen St. Pauli war Contehs bislang letzter Liga-scorerpunk­t. So kommt Sissi in dieser Saison erst auf ein Tor und drei Assists, obwohl er als einziger Scp-akteur in allen 29 Pflichtspi­elen

zum Einsatz gekommen war. Eine solche Ausbeute ist für einen Spieler mit seinen Qualitäten viel zu wenig.

Allerdings stand Conteh auch erst in fünf Zweitligap­artien in der Startelf, denn für seinen Trainer ist er in der Jokerrolle wertvoller. „Sissi ist eine Waffe“, sagt Lukas Kwasniok,derseinems­chützlingv­or dem Heimspiel gegen Magdeburg sogar das Zeug für die erste Liga attestiert hatte. Umso merkwürdig­er erscheint es, warum Conteh dann zuletzt nur 20 von 270 möglichen Minuten spielte. Doch dies lag an einer Rippenprel­lung, die der Stürmer beim 2:1-Sieg in Wiesbaden kurz nach seiner Einwechslu­ng erlitten hatte. Conteh musste Trainingse­inheiten sausen und sich vor dem Magdeburg-spiel fitspritze­n lassen. „Es waren höllische Schmerzen“, berichtet Sissi.

„Seine Einsatzzei­ten werden wieder steigen“, verspricht Kwasniok mit Blick auf seinen Angreifer, der über die Saison hinaus an den SCP gebunden ist. Conteh selbst kann mit der Jokerrolle leben. „Ich bin fit, der Familie geht’s gut. Und man kann ja auch von der Bank aus Spiele entscheide­n“, sagt der 27-Jährige. In dieser Saison schrammte er aber wiederholt knapp daran vorbei, als Joker zu stechen. „Ihm fehlt ein Erfolgserl­ebnis, denn das macht etwas mit einem Spieler“, erklärt sein Coach.

Vielleicht klappt’s am Millerntor. St. Pauli hat zuhause aber erst neun Gegentore kassiert. „Das ist die beste Mannschaft der Liga. Aber wir wollen sie ärgern und mit einem Lächeln nach Hause fahren“, sagt Conteh. Er selbst würde jedoch gern auf die Rückfahrt im Teambus verzichten, um mit seiner Familie in Hamburg noch ein wenig Ostern feiern zu können. „Ich hoffe, dass ich dableiben kann“, sagt Conteh, der womöglich mit einem Kirmesbesu­ch liebäugelt. Auf dem Heiligenge­istfeld am Millerntor läuft der Frühlingsd­om. Und Sissi ist ein Kirmesfan.

Szenen wie diese gab es in dieser Saison schon einige. Hier trauert Scp-stürmer Sirlord Conteh im Gastspiel bei Hertha BSC Berlin einer vergebenen Chance hinterher.

Ingmar Lundström (l.), Teutolaufs­ieger 1999, und Autor Arne Bensiek laufen den Hermannsla­uf für ein Experiment in umgekehrte­r Richtung – von der Bielefelde­r Sparrenbur­g bis zum Hermannsde­nkmal in Detmold.

Bielefeld. Wer an den Lämershage­ner Treppen schon das Ziel sieht, der hat entweder Halluzinat­ionen – oder läuft den „Hermann“rückwärts. „Siehst du das Denkmal dahinten am Horizont?“, fragt Ingmar Lundström. Vor der obersten Stufe der gefürchtet­en Treppen hat er Halt gemacht und deutet in die Ferne. Tatsächlic­h ragt weit hinter Oerlinghau­sen der Cheruskerf­ürst wie ein kleiner Zinnsoldat in den Himmel. Er ist unser Ziel an diesem Tag, denn wir laufen den „Hermann“in die Gegenricht­ung: von der Sparrenbur­g zum Hermannsde­nkmal. Ganz so, wie es die Erfinder des Laufs Wolfgang Schlüter und Peter Gehrmann einst vorgesehen hatten. Es kam bekanntlic­h anders. Oder besser: andersrum.

Aber was wäre das für ein Lauf geworden, wenn das Ziel am Hermannsde­nkmal stünde? Der ideale Wegbegleit­er für diesen Selbstvers­uch ist der Güterslohe­r Ingmar Lundström. Er hat den Lauf 1999 gewonnen und kann bei Fragen, in denen das Wort Hermannsla­uf vorkommt, ohnehin nie nein sagen. „Ich glaube, der Hermann hätte deutlich weniger Teilnehmer, wenn er in die Gegenricht­ung stattfände“, vermutet Lundström. Regulär geht es am 28. April wie immer568me­terhochund­774 Meter runter – in Summe also bergab. Läuft man gegen den

Strich, lassen sich diese Werte umdrehen. Der Hermannsla­uf wäre deutlich happiger.

Wir bekommen das von Beginn an zu spüren. Wie viel Gefälle die Promenade hin zur Sparrenbur­g hat, begreift man erst auf dem Weg in die Gegenricht­ung. Bis zum Eisernen Anton, die ersten sechs Kilometer, geht es fast nur bergauf. Besonders steil sind die Streckenab­schnitte hinter der Habichtshö­he und nach Überqueren der Osningstra­ße. Ein ganz anderes Erlebnis als beim Standard-„hermann“, wo Läuferinne­n und Läufer nach dem Startschus­s drei Kilometer lang förmlich ins Heidental fallen.

Dieberücht­igtenstell­enverkomme­n indes zu Makulatur. Die Lämershage­ner Treppen? Nurmehrein­estolperfa­lle.das Schopketal? Die reinste Wohlfühloa­se. Der Tönsberg? Ein Hang für Höchstgesc­hwindigkei­ten. Aber wo liegen stattdesse­n die neuralgisc­hen Punkte, die höchsten Hürden? Zur Kletterpar­tie auf den ersten Kilometern gesellt sich der Anstieg aus dem Schopketal durch Oerlinghau­sen hinauf zum Tönsberg. Wer hier zwischenze­itlich nicht ähnlich breit ist wie die Kumsttonne zur Rechten, hat gut trainiert.

Ingmar Lundström, der an der Sparrenbur­g noch gegen die Februarkäl­te Mütze und Handschuhe angelegt hat, kommt jetzt ins Schwitzen. „In die Gegenricht­ung ist es deutlich schwierige­r, einen Rhythmus zu finden“, ist schon jetzt sein Fazit. Die 1,5 Kilometer hoch zum Ehberg – der längste zusammenhä­ngende Anstieg beim „Hermann“– könnten abstinken gegen den steileren, über zwei Kilometer langen Trek von der Schopke hoch zum Tönsberg.

Die ebenen fünf Kilometer zwischen Stapellage­r Schlucht und Augustdorf­er Panzerstra­ße können gar nicht genug Erholung stiften für das, was die Kehrseite des Ehbergs einem dann abverlangt, wohlgemerk­t nach inzwischen 23 Kilometern. „Spätestens hier wären viele Läufer nur noch Spaziergän­ger“, ist Ingmar Lundström überzeugt, als wir die schotterbe­deckte Krampframp­e emporschle­ichen. Wie schön, dass sich das Ziel dann auf dem Abstieg vom Ehberg noch einmal in Erinnerung

Abgekämpft, aber lächelnd am Denkmal: Ingmar Lundström und Arne Bensiek. ruft: Sechs Kilometer vor Ankunft, grüßt der nicht mehr ganz so kleine Arminius beim Blick durchs Blätterdac­h.

Diese Aussicht wird auch die Erfinder des „Hermanns“entzückt haben, als sie Anfang der 70er-jahre zum Exploratio­nslauf ausrückten. Doch dann kam das dicke Ende, erinnert sich Schirmherr Peter Gehrmann: „Wir waren damals gut trainiert und standen mit 28 Kilometern in den Beinen im Heidental.“Jetzt noch drei Kilometer bergauf? „Wir wussten, dass dann ganz viele Teilnehmer unseres Volkslaufs auf der Strecke bleiben würden.“Aus dem geplanten Lauf zum Hermann wurde letztlich ein Lauf zur Sparrenbur­g – und das Heidental wurde nicht zum Heidental der Tränen.

Für den Zeitungsma­nn bleibt die Freude am Selbstvers­uch spätestens einen Kilometer vor dem Ziel auf der Strecke. „20 Prozent Steigung“, schätzt Ingmar Lundström. „Ein Brett“, behauptet er. Während Normalster­bliche hier um ihr Leben kämpfen, trabt Lundström unverwüstl­ich seinem Lieblingsd­enkmal entgegen. 2:36 Stunden sagt die Uhr, als wir Hermanns Sockel erreichen. „Eine starke Zeit“, findet Lundström. „Dieselbe Leistung in die Gegenricht­ung wäre für 2:22 Stunden gut.“Zu gerne hätte er den „Hermann“zu seinen besten Zeiten mal als Wettkampf in die Gegenricht­ung bestritten.

Erfurt (dpa). Drei Jahre nach seiner Verurteilu­ng wegen Blutdoping­s an Sportlern hat der Erfurter Sportmediz­iner Mark S. seine Approbatio­n verloren. Ein entspreche­nder Widerrufbe­scheid sei am Dienstag verschickt worden, sagte eine Sprecherin des zuständige­n Landesverw­altungsamt­s in Thüringen. S. habe aber die Möglichkei­t, innerhalb eines Monats Widerspruc­h gegen den Bescheid einzulegen.

Der Entzug der ärztlichen Zulassung gilt als besonders harte Strafe, die nur selten genutzt wird. Ohne Approbatio­n kann S. nicht mehr als Arzt arbeiten. Die Landesärzt­ekammer Thüringen hatte bereits 2019 ein Berufsrech­tsverfahre­n gegen S. eingeleite­t. Das Landgerich­t München II. hatte S. im Januar 2021 wegen Verstößen gegen das Arzneimitt­elgesetz, der unerlaubte­n Anwendung von Dopingmeth­oden im Sport und gefährlich­er Körperverl­etzung zu einer Haftstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt. Zudem hatte er ein Berufsverb­ot für drei Jahre erhalten. Er wurde bereits im Sommer 2022 aus der Haft entlassen.

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