Neue Westfälische - Gütersloher Zeitung
Wird das Stadtjubiläum kaputt gespart?
Gütersloh. Mit zunehmend wärmeren Temperaturen haben die Eisdielen bald wieder Hochkonjunktur. Schon jetzt haben viele Gütersloher Betriebe geöffnet und vermelden zum Start in die neue Saison positive Neuigkeiten: Der Preis pro Kugel bleibt im Vergleich zum Vorjahr weitgehend stabil. Das hat eine Umfrage der „NW“unter mehreren Anbietern ergeben.
Bei „Arnaldo’s Eis-pavillon“an der Herzebrocker Straße etwa sind die Preise im Vergleich zum Vorjahr lediglich moderat angehoben worden. Nachdem Inhaber Pedro Bastos 2023 noch 1,40 Euro für eine Kugel seines Eises verlangt hatte, sind es in der neuen Saison zehn Cent mehr.
Dabei spielte die Anpassungdermehrwertsteuerinder Gastronomie (19 statt sieben Prozent seit Jahresanfang) eine Rolle. Die habe er zu einem gewissen Teil umgeschlagen, berichtet Bastos. Weiter schildert er von Teuerungen beim Kakao, der sich preislich beinah verdoppelt habe, oder Nüssen. Milch wiederum sei ein wenig günstiger geworden.
Die Nachfrage an der Herzebrocker Straße nach der kalten Süßspeise ist aktuell noch stark abhängig vom Wetter. „Wenn die Sonne scheint und es trocken bleibt, ist schon gut etwas los“, sagt Bastos. Bei noch überwiegend milden Temperaturen greifen die Gütersloher bei ihm am liebsten zu Sorten wie Amarena oder Stracciatella. Im Hochsommer darf es für viele auch fruchtiger sein. Dann etwa mit Granatapfel-eis.
Dunkle Sorten im Winter, fruchtige im Sommer – diese Vorlieben der Gütersloher
Peter Dolheimer arbeitet in seiner „Eisschleckerei“am Dreiecksplatz und im Kaiserquartier nur mit frischen Zutaten – daher erklärt sich der Preis von zwei Euro für eine Kugel.
beim Eis bestätigt auch Isil Özdemir vom „Eis Haus“an der Haller Straße in Isselhorst. Dort werden wie im Vorjahr 1,20 Euro pro Kugel fällig. Damit liegt der Preis eher unterhalb von jenem vieler anderer Anbieter. Rechnet sich das für den Betrieb überhaupt? Özdemirgibtehrlichzu:„wirsind an der untersten Grenze, aber es rechnet sich“.
Bei der „Eisschleckerei“, die 2022 zusätzlich zum Standort am Dreiecksplatz eine weitere Filiale im Kaiserquartier eröffnet hatte, kostet eine Kugel nach Angaben von Inhaber Peter Dolheimer zwei Euro – ein Topping (etwa Soße oder
Streusel) ist inklusive. Damit hat sich der Preis pro Kugel, etwa für die Sorte Waldbeere, gegenüber dem Vorjahr nicht verändert.
Dolheimer, der bei der Herstellung seines Eises nach eigenen Angaben ausschließlich mit natürlichen Zutaten arbeitet und auf künstliche Aromen verzichtet, benennt bei der Frage nach dem vergleichsweise höheren Preis gleich mehrere Faktoren. So
gebe es unter anderem Anstiege bei den Lohnkosten, den Preisen für die Eiswaffeln oder auch beim Zucker. Für 25 Kilogramm habe er noch vor zwei Jahren zwischen 19 und 20 Eurogezahlt–mittlerweilesind es 38 bis 42 Euro.
Die Kunden am Dreiecksplatz und im Kaiserquartier würden angesichts steigender Preise in allen Lebensbereichen auch bei der Süßspeise Verständnis zeigen. „Früher war man noch in Erklärungsnot, das ist inzwischen nicht mehr so“, sagt Dolheimer.
Die Vereinigung der italienischen Gelatieri in Deutschland, bundesweit mit rund
1.000 Mitgliedern und rund 2.200 Eisdielen vertreten, betont derweil, dass der Preis pro Kugel keine willkürliche Entscheidung der Inhaber sei. „Es ist unvermeidlich, dass Betriebsund Personalkosten sowie höhere Einkaufspreise für Zutaten die Preiskalkulation beeinflussen.“
Viele kleinere Betriebe, so heißt es in einer Mitteilung, hätten den Preis in den letzten Jahren niedrig gehalten, mit dem bitteren Ergebnis, ihren Laden schließen zu müssen. „Die Marge ist zu dünn und reicht am Ende der Saison noch nicht einmal aus, um die Kosten zu decken.“
■ Schon der „Gütersloher Frühling“leidet unter der Sparversion.
■ Warum den Jubiläumsfeierlichkeiten nicht das gleiche Schicksal drohen muss.
Du hast keine Chance, also nutze sie.“Dieser Spruch des bayerischen Filmemachers Herbert Achternbusch mit seiner „Jetzt erst recht“-stimmung kommt mir in den Sinn, wenn ich an die Planungen zum Stadtjubiläum denke. Maximal 200.000 Euro stehen den Organisatorinnen zur Verfügung, um im kommenden Jahr 200 Jahre Stadtrechte Gütersloh zu feiern. Mehr Geld ist wegen der angespannten Haushaltslage nicht drin. 200 Projekte möchte man dafür auf Beine stellen. Vorzugsweise für die Stadt kostenlos und daher vermutlich eher kleinformatig. So soll nach Vorstellung von Kulturdezernent Andreas Kimpel ein „ganzjähriges Jubiläumsgrundrauschen“entstehen. Ob das klappt?
Kürzlich mussten wir erleben, wie eine Veranstaltung unter ungünstigen Umständen glanzlos unterging. Der Auftaktdes„gütersloherfrühlings“fiel, statt mottogemäß aufzublühen, im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser. Wind und Regen machten dem Frühlingsmarkt und anderen Aktionen den Garaus. Zudem vermissten viele Besucher, die sich trotz des Sauwetters in die Stadt trauten, die aus Kostengründen eingesparten ellipsenförmigen Blumen-anpflanzungen. Manche beschwerten sich: Der Gütersloher Frühling wird kaputt gespart.
Und ich frage mich: Droht dem Stadtjubiläum ein ähnliches Schicksal?
Doch tatsächlich lassen sich beide Veranstaltungen nicht in einen Topf werfen. Der Gütersloher Frühling ist, wenn es gut läuft, eine hübsch anzusehende
Matthias Gans
Kommerz-show. Konsumenten sollen mit grünem Bling-bling in die Innenstadt gelockt und zum Geldausgeben animiert werden. Vielen Güterslohern genügt das. Der Gütersloher Frühling ist eine völlig legitime Standortpflege, die zunächst Geld kostet, bevor sie Geld generiert. Da darf man nicht knausrig sein. Die Bürger erwarten was für ihre Steuergelder.
Das Stadtjubiläumsfest ist schon im Ansatz etwas ganz anderes. Es ist, oder sollte es zumindest sein: ein Bürgerfest im besten Sinne des Wortes. Von engagierten Bürgern für Bürger gemacht, die sich mit ihrer Stadt identifizieren. Die federführenden Organisatorinnen – Lena Jeckel (Fachbereich Kultur), Christina Junkerkalefeld (Gütersloh Marketing) und Annetteblumenstein(zentrale Öffentlichkeitsarbeit) – steuern inhaltlich natürlich auch einiges zum Fest bei. Vor allem aber schaffen sie den Rahmen für die Ideen und Projekte aus der Stadtgesellschaft.
Am Ende zeigt sich, ob die Kreativität die beschränkten Geldmittel ausgleicht. Oder mit anderen Worten: Ob die Gütersloher nicht nur auf dem Eise grasen, sondern auch feiern können. Blumen-ellipsen braucht’s dazu jedenfalls nicht.