Neue Westfälische - Gütersloher Zeitung
China schickt Schiffe voller E-autos
Die Autobauer aus Fernost wollen ihre Fahrzeuge schnell nach Europa bringen – und stechen deshalb nun selbst in See. Tausende Autos kann so ein Frachter transportieren. Droht Deutschland die China-auto-flut?
Peking (dpa). Als die „BYD Explorer 1“im Hafen der südchinesischen Stadt Shenzhen den Anker lichtet, ist die Aufmerksamkeit in Deutschland groß. An Bord des Frachters parken mehr als 5.000 Elektroautos von BYD – Chinas Eauto-primus. Mittlerweile haben chinesische Autobauer die Seefahrt für sich entdeckt. Die 200 Meter lange „BYD Explorer 1“mit Platz für bis zu 7.000 Autos ist der erste sogenannte Roll-on-roll-off-frachter, der die Wagen der Chinesen in die Welt bringen soll. Binnen zwei Jahren soll die Flotte auf acht Schiffe wachsen.
„Der Hauptgrund, jetzt so viele Autos von China nach Europa zu transportieren, ist, die Transportkosten zu reduzieren und die Industriekette so wirklich kontrollierbar und autonom zu machen“, sagt Experte Cui Dongshu. Der Chef der Personenkraftwagen-vereinigung CPCA bemerkt, dass die Hersteller zuvor kaum Schiffe buchen konnten, um Autos in andere Märkte zu bringen. Eigene Frachter, auf die die Autos hinauf und im Zielhafen schnell abfahren können (roll-on/roll-off), machten die Zeitpläne kontrollierbar und ersparten den Firmen Beschränkungen, die beim Transport durch andere Anbieter entstehen könnten.
Neben BYD stach auch der staatliche Autobauer Saic, der mit Volkswagen ein Joint-venture betreibt, im Januar mit seinem ersten eigenen Autofrachter „Saic Anji Sincerity“in See. An Bord: 3.700 Autos mit Kurs auf Deutschland. Zudem erwartet der Staatsbetrieb Chery 2024 die Auslieferung seines ersten eigenen Frachters.
Unter den aktuellen Bedingungen benötige ein Bydschiff etwa 100 Tage für eine Rundreise, rechnet Qian Renjie vom Duisburger CAR Center Automotive Research vor. Aufs Jahr gesehen könnten die geplanten acht Frachter des
Konzerns mit je drei Rundreisen bis zu 168.000 E-autos nach Europa bringen.
2023 exportierte China laut staatlichen Medien 1,2 Millionen Autos – fast 78 Prozent mehr im Jahresvergleich. In Deutschland stieg nach Daten
des Kraftfahrtbundesamtes 2023 die Zahl der neu zugelassenen Fahrzeuge mit Herkunftsland China im Vorjahresvergleich um 47,6 Prozent. Zahlenmäßig lagen chinesische Autos mit 33.699 Stück aber noch weit hinter Konkurrenten aus anderen Ländern. Unter den fünf größten Importmarken fand sich keine Marke aus China.
Die internationalen Ambitionen BYDS sind laut Qian aber deutlich. „Mit der zunehmenden Transportkapazität und der Zusammenarbeit der lokalen Autohäuser werden andere Autobauer den Druck aus China deutlich spüren, nicht nur von BYD, sondern auch von Unternehmen wie Xiaomi, Nio und Xpeng“, erklärtderanalyst.indeutschland müssten Chinas Marken noch ihr Billig-image abschütteln. Jedoch rät Qian den heimischen Autobauern, die chinesische Konkurrenz nicht zu ignorieren.
Mit Showrooms in großen deutschen Städten versuchen die Chinesen, ihre Autos bekannter zu machen. Marktkenner beobachten, dass die Marken eher darauf setzen, mit Ausstellungsräumenwiedenen von Tesla um Aufmerksamkeit zu buhlen, statt sich in Gewerbegebiete zurückzuziehen.
Dass die Schiffe meist Europa ansteuern, liegt auch an den Häfen. Denn diese können laut Experte Cui anders als jene in Afrika oder Südamerika Autofrachter annehmen. In Bremerhaven seien die Ro-roschiffe neu, bemerkt die Sprecherin von BLG Logistics, Tina Allerheiligen. Die große Flut chinesischer Autos sehe der Betreiber des Autoterminals in der norddeutschen Stadt allerdings noch nicht. 2023 seien dort 1,7 Millionen Autos umgeschlagen worden, darunter 10.000 chinesische. Dabei gebe es einen Wandel: Allerheiligen zufolge werden mittlerweile mehr Autos importiert als exportiert.
Kommt die Autoflut aus Fernost also noch? In den ersten beiden Monaten 2024 lieferte China 75.600 E-autos in die EU – ein Rückgang von rund einem Fünftel im Vergleich zum selben Vorjahreszeitraum, ergeben Daten des chinesischen Zolls. Zudem köchelt in Brüssel noch die Antisubventionsuntersuchung der EU gegen in China produzierende Hersteller von E-autos. Das Vorgehen spaltet die Branche in Firmen, die es befürworten und andere, die Gegenmaßnahmen zu ihrem Nachteil aus Peking befürchten.