Neue Westfälische - Gütersloher Zeitung
Die Bahn steigt erneut auf die Bremse
Die neue Infrastrukturtochter der DB teilt mit, dass sich ein wichtiger Eingriff bis 2031 verzögert. Warum, sagt sie nicht. Das wirft Fragen auf.
Gütersloh.
Der Ausbau des Gütersloher Schienennetzes könnte sich erheblich verzögern. Wie jetzt bekannt wurde, hat die Bahn die Sperrpause für den Streckenabschnitt von Hamm bis Bielefeld auf 2031 verschoben. In welcher Weise sich das auf die geplanten zusätzlichen Bahnsteige in Gütersloh und Isselhorst-avenwedde auswirkt, blieb gestern unklar.
Informiert wurden die Mitglieder in der Verbandsversammlung des Verkehrsverbundes VVOWL Anfang März. Die Bahntochter Infrago, Ende 2023 gebildet und zuständig für die Infrastruktur, nannte keine Gründe für die Verzögerung. Die Besorgnis, dass der Bahnverkehr in Gütersloh noch längere Zeit ruckelt, ist seither jedoch groß.
Sperrpausen werden eingerichtet, um größere Maßnahmen in einem Rutsch durchzuziehen. Mitunter sind sie mit Vollsperrungen verbunden. Anfragen dazu sowie zum veränderten Zeitplan ließen die Kommunikationsstellen von Bahn, NWL und Verkehrsministerium gestern unbeantwortet. Im Bau-infoportal der Bahn finden sich die Vorhaben in Gütersloh nicht mehr. Auch der Ausbau des Streckenabschnittes Hamm–bielefeld ist dort nicht mehr enthalten. In der Fünf-jahresvorschau des Landes für den Schienenverkehr bis 2027 taucht lediglich die Twe-strecke
auf; sie soll nach bisheriger Planung ab Dezember 2027 wieder fahren.
Vor fünf Jahren wurde noch von einem der wichtigsten Vorhaben landesweit gesprochen
Heimische Politiker sind bemüht, Auskunft zu bekommen. So hat der Cdu-landtagsabgeordnete Raphael Tigges für kommende Woche ein Gespräch mit Werner Lübberink, dem Konzernbevollmächtigten der Deutschen Bahn in NRW, vereinbart. „Wir benötigen Klarheit“, sagt Tigges. „Mir liegt sehr am Herzen, dass der Ausbau der Bahnhöfe und des Schienennetzes vorangeht.“Gespräche würden auch auf Ebene des Verkehrsministeriums geführt.
Tigges will unter anderem wissen, inwieweit die Vorhaben innerhalb des Projektes „Robustes Netz“betroffen sind. Diese sehen vor, einen zusätzlichen Bahnsteig mit zwei Personengleisen in Gütersloh zu bauen sowie zwei Außenbahnsteige in Isselhorst-avenwedde. 2019, als der damalige Verkehrsminister Hendrik Wüst diese Planung in die Landesgremieneinbrachte,hattees geheißen, dass die hiesigen Abschnitte elementar seien, um den Zugverkehr zu beschleunigen und verspätungsresistenter („robuster“) zu gestalten. „Das zählt zu den wichtigsten Vorhaben landesweit“, hatte der Leiter des Itf-centers (Integraler Taktfahrplan) NRW berichtet. Die Verspätungen, die man sich in Gütersloh wegen der dort besonders eng getakteten Zug-slots einfange, trage man bis ins Ruhrgebiet und nach Berlin hinein. Das müsse aufhören.
Die zusätzlichen Bahnsteige sollen ermöglichen, den schnellen Fern- vom langsamen Regionalverkehr zu entflechten. Die Intercitys und ICES würden seltener ausgebremst. Dafür, so der Plan, werden die Gleiskörper neu aufgeteilt – Gleise, auf denen bislang noch Güterzüge rollen, würden zu Personengleisen umgewidmet.
Die Stadt erwartet eine neue Kostenkalkulation zum Durchstich bis zum Langen Weg
Sowohl in Gütersloh als auch in Isselhorst-avenwedde wäre das mit erheblichen Arbeiten verbunden. Im Hauptbahnhof etwa wäre erforderlich, die Unterführung um 15 Meter zu verlängern. Das will die Stadt bekanntlich nutzen, um gleich bis zur anderen Seite auf den Langen Weg durchzustechen. Vor drei Jahren legte der Db-konzern eine Kostenschätzung vor, wonach ein solcher Durchstich 7,12 oder 10,42 Millionen Euro kosten würde, je nach Breite des Tunnels. Diese Zahlen dürften längst überholt sein. Laut der städtischen Planungschefin Inga Linzel ist eine Kostenkalkulation Bestandteil des Vertragswerkes zwischen DB und der Stadt Gütersloh. „Die Ergebnisse hierzu werden planmäßig im dritten Quartal dieses Jahres vorgestellt.“
In Isselhorst-avenwedde warten sie derweil schon lange auf einen besseren Bahnhof. „Der Zustand der Anlage ist absolut unbefriedigend“, sagt Tigges. Befürchtet wird, dass die Bahn es immer wieder hinausschiebt, weil der Umbau wegen der Höhenunterschiede von Güter- und Personengleisen so komplex ist; möglicherweise ist zum Beispiel der Einbau von vier bis fünf Fahrstühlen erforderlich.
Pendler und Bahnfahrer aus Isselhorst-avenwedde sind derzeit eh bedröppelt, weil seit einigen Tagen die RB 67 der Eurobahn nicht mehr fährt und daher kaum noch ein Zug hält. Das Unternehmen hat die Verbindung vorerst gestrichen, weil es ihr an Personal, vor allem an Zugführern, fehlt. Ob dieser Zustand bis zu den Sommerferien oder gar länger anhält – die Eurobahn vermag es selbst nicht zu sagen, hält sich mit einer Prognose zurück. Eine dauerhafte Ausdünnung des Fahrplans wird nicht ausgeschlossen, zumal auch andere Bahnbetriebe Mühe haben, Personal zu finden.
Der Cdu-bundestagsabgeordnete Ralph Brinkhaus ist wegen des Zugverkehrs mittlerweile derart alarmiert, dass er einen Bahngipfel OWL angeregt hat. Dieser soll, wie es heißt, voraussichtlich Ende Mai stattfinden. Die Hoffnung ist, dass sich spätestens dann auch klare Aussagen zu den Themen Sperrpause und robustes Netz treffen lassen.