Neue Westfälische - Gütersloher Zeitung
Im Gehen zur unverblümten Wahrheit
Lokalzeitungen wirken und Erwin Grosche gibt’s kompakt
Ich wusste bis dato gar nicht, dass ich 1974, damals war ich zwölf Jahre alt, offenbar ein legendäres Fernsehjahr miterlebt habe. Daher danke ich meiner Kollegin Cornelia Wystrichowski für ihren Artikel nebenan, der mir dieses Jahr mit „Derrick“, „Ein Herz und eine Seele“, „Catweazle“, „Einsatz in Manhattan“, „Am laufenden Band“und anderen wunderbaren Formaten wieder in Erinnerung gerufen hat.
In der Tat, 1974 war eine Menge dabei, was auch mein TV-Erleben nachhaltig geprägt hat, auch wenn ich den tieferen Sinn der grandiosen Folgen von Ekel Alfred damals wohl kaum erfasst haben dürfte und ich Kojak vor allem für sein „Entzückend, Baby“geliebt habe. Gab es eigentlich noch andere Fernsehjahre, in denen einem so viel geboten wurde? Ich erinnere mich nicht. Sie?
Als Journalist hat mich gerade eine Untersuchung aufhorchen lassen: In Gemeinden ohne Zeitung bekommt demnach die AfD im Schnitt 1,6 Prozent mehr Stimmen als in Gemeinden mit mindestens einer Lokalzeitung. Das hat der Journalist und Sozialwissenschaftler Maximilian Flößer in einer Untersuchung für das Land Baden-Württemberg herausgefunden. Ein Ergebnis, das mich als Redakteur ermutigt und das für Verleger Ansporn sein sollte, ihre Redaktionen so auszustatten, dass sie weiter als wichtige Säulen unserer Demokratie arbeiten können. Wen die Ergebnisse der Studie im Detail interessieren, der hört sich den Podcast „Medien im Visier“an.
Zum Wochenende habe ich nocheinenLesetippfürSie.Der Bielefelder Aisthesis Verlag hat just das „Lesebuch Erwin Grosche“aufgelegt. Auf kompakten 180 Seiten können Sie sich nun mal eben vom feinen Humor des Paderborner Kabarettisten, den Hanns-Dieter Hüsch einst einen „Westfalen mit lateinamerikanischer Fantasie“nannte, anstecken lassen. Herausgeber Walter Gödden sei Dank für diese Lesebuch-Auswahl,dieeineSchneise schlägt durch das 300 Titel umfassendes Gesamtwerk des „James Joyce von Paderborn“(erneut Hüsch über Grosche), der selbst einmal über seine Produktivität sagte: „Ich bin kein Dichter im Elfenbeinturm, ich schreibe im Gehen. Ich mach alles nebenbei, weil ich weiß, dass nur mit dieser Einstellung auch die unverblümte Wahrheit zufällig zu finden ist.“Das Prinzip teste ich mal. Ihnen ein schönes Wochenende. stefan.brams@
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