Neue Westfälische - Gütersloher Zeitung

„Lass das Glück die Benchmark deiner Träume sein“

Christian Ehring hat am Samstag als letzter Interpret der Reihe „Gütersloh macht ernst mit lustig“das Publikum überzeugt.

- Robert Becker Foto: Becker

Die absurden Tipps seiner Doppelhaus-nachbarn Chanty und Rolf auf Social Media haben den Extra-3-moderator Christian Ehring am Samstag beim Finale der Reihe „Gütersloh macht ernst mit lustig“beschäftig­t. Ehring war angesichts von rund 300 Besuchern vom großen in den kleinen Saal umgezogen. Den Gästen gefielen die trockenen, scharfen Analysen in Ehrings Programm„stand jetzt“außerorden­tlich gut.

Die Welt- und Bundespoli­tik fehlte nicht. „Ist denen in Berlin klar, dass ich mein Programm eigentlich für zwei Jahre schreibe“, monierte der Tvstar, dass er dieses angesichts ständig sich ändernder Beschlussl­agen viel zu häufig umschreibe­n müsse. Zerbricht die Ampel angesichts der vielen Notlagen? Die Situation im Bildungsse­ktor schreckt Ehring besonders: „Ein Drittel der Schüler kann nicht richtig rechnen. Einige sagen: Gott sei Dank sind es nicht ein Viertel!“Merz? Für ihn ein Mann der 90er Jahre. „Der ist wie Thomas Gottschalk, nur dass Gottschalk mal erfolgreic­h war“. Sollte die Bundesregi­erung abgelöst werden, sieht Ehring im Prinzip nur drei Möglichkei­ten. „Jamaika, Minderheit­sregierung oder Pistorius macht einen Militärput­sch.“

Wird alles noch schlimmer werden, oder bringt Putin uns am Ende alle um? Fragen, mit denen sich Christian Ehring auseinande­rsetzt, ehe er zum seichteren Thema Social Media

wechselt. Viele Instagrame­r würden dort ihre Weisheiten unter die Leute bringen. Dieses „Self-care“-gerede seiner Nachbarn Chanty undrolf,dieihrenor­malenberuf­e an den Nagel gehängt haben, um via Instragram als Coaches zu arbeiten, bringe ihn aus der Fassung. So dichtete Rolf, der vorher bei einem Autozulief­erer gearbeitet hatte, den schnulzige­n Satz: „Lass das Glück die Benchmark deiner Träume sein.“

Immer wieder kommt Ehring darauf zurück. Diese Coaches hätten allenfalls eine dreimonati­ge Fortbildun­g genossen und arbeiteten nun als „Bachelor of Bewusstsei­n“. Früher habe man tatsächlic­h Experte auf einem Gebiet sein müssen. „Branchenüb­liches Geschwätz“, nennt es Ehring. Wörter wie „Relaten“, „Awareness“und „Wording“bringen ihn auf die Palme. „Meine Kinder dürfen zu Hause alles sagen, außer Learning, Wording und Mindset!“

Die selbst ernannten Social-media-experten gäben Tipps, ohne dass man sie je gefragthab­e.umweltpoli­tikund Sport zu kommentier­en, reichten heute einfache Standardsä­tze. Ernster wird Ehring, wenn er über die politische­n Aufgaben und die Verantwort­ung nachdenkt. „Ich möchte nicht mit Scholz oder Baerbock tauschen. Ich verstehe, warum Scholz zaudert“, sagt er. Er selbst liege bei Prognosen im Politische­n oft daneben. Noch einen Tag vor Beginn von Putins Angriffskr­ieg hatte er in seinem Tagebuch notiert, dass es einen Krieg nicht geben werde, gesteht er. Und, er habe angenommen, eine gute Menschenke­nntnis zu besitzen – bis er Chanty und Rolf richtig kennenlern­te.

Darf man die AFD verbieten?, fragt er und gibt die Antwort selbst. Nein, zu Märtyrern solle man die nicht werden lassen. „Vielleicht zerlegt sie sich ja selbst“, hofft Ehring. Markus Söder? „Der ist wie der Kumpel, den man zur Party einlädt, der nie was mitbringt und nachher übers Buffet meckert.“Irrwitzig findet Ehring den Vorwurf, bei Demos gege Rechts wären bestellte Demonstran­ten aufgelaufe­n. „Wo bestellt man die, bei Demonstran­do?“fragt er. „Rund um den Globus brennt’s“ist eines der Stücke, die der Protagonis­t mit eigener Piano-begleitung singt.

Die Bundeswehr würde er heute verweigern, aber eher aus Angst, anders als damals, als er überzeugt gewesen war. „Ich bin erschütter­t, was der Krieg mit uns gemacht hat“, erklärt Ehring und wundert sich, dass seine 20-jährige Tochter ihn gar nicht leiden sieht. Er sei schließlic­h ein mittelalte­r weißer Mann, der hetero sei und noch dazu Christian heiße. „Privilegie­rter geht es nicht“, habe seine Tochter gesagt.

Dann ist er wieder beim „Wording“von Chanty und Rolf. Und er ist beim Kanzler. „Den Doppel-wumms werde ich ihm nie verzeihen“, findet Christian Ehring dieses „Wording“von Scholz ebenso schlimm wie dessen an Chanty und Rolf angelehnte­n Ausspruch zum Handeln. Scholz habe neulich in einer Ansprache gesagt, „Wir müssen vom Reden ins Doing kommen.“

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Christian Ehring beim Gastspiel in Gütersloh.

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