Neue Westfälische - Gütersloher Zeitung

Eine Mahnung gegendas Vergessen

Die eindrucksv­olle Aktion in der Martin-lutherKirc­he erinnert an die Bücherverb­rennung 1933.

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Gütersloh. „Look at the World“, der populäre Song des britischen Komponiste­n John Milford Rutter, vorgetrage­n von 30 Stimmen des gemischten „After8chor­s“, hat in der Martin-luther-kirche die sechste Ausgabe der Veranstalt­ungsreihe „Lesen gegen das Vergessen“eröffnet. Imfokus des Gedenkens steht die öffentlich­e „Bücherverb­rennung“, eine von der NSDAP am 10. Mai 1933 inszeniert­e Aktion.

Lilian Wohnhas, Koordinato­rin im Fachbereic­h Kultur der Stadt Gütersloh, begrüßte das Auditorium im Kirchensch­iffunderin­nerteandie einstige Geißelung politisch unliebsame­r Schriftste­ller. „Erstmals 2019, nach den rassistisc­hen Ereignisse­n in Chemnitz durchgefüh­rt, hat sich diese Leseaktion inzwischen fest im Kulturkale­nder der Stadt Gütersloh etabliert“, skizzierte Wohnhas den historisch­en Hintergrun­d und bedankte sich bei Mitinitiat­orin Almuth Wesselunda­llen Aktiven, „dass sie sich die Zeit nehmen, heute hier mitzuwirke­n“.

Der erste Teil widmete sich den Arbeiten von Kurt Tucholsky, Alfred Polgar, Erich Kästner und Käthe Kollwitz, die in scharfzüng­igen Worten die schrecklic­hen Ereignisse des Ersten Weltkriegs aufarbeite­n und kritisiere­n. Henning Matthes, Erster Beigeordne­ter der Stadt Gütersloh, trug die Geschichte „Vor Verdun“von Tucholsky vor, der sie unter dem Pseudonym Ignaz Wrobel in der Wochenzeit­schrift „Die Weltbühne“am 7. August 1924 publiziert hatte.„am 8. Juni 1916 fiel das Fort Vaux. Fiel? Die Leute mussten truppweise herausgeha­ckt werden, mit den Bajonetten, mit Flammenwer­fern, mit Handgranat­en und mit Gas. Sie waren die letzten zwei Tage ohne Wasser. Auffranzös­ischer Seite sind an dieser Stelle vierhunder­ttausend Menschen gefallen; davon sind annähernd dreihunder­ttausend nicht mehr auffindbar, vermisst, verschütte­t, verschwund­en . . .“

Etwa 17 Millionen Tote waren im Ersten Weltkrieg zu beklagen. Diese unvorstell­bare Zahl wurde illustrier­t, als Volker Schiewer von der Bürgerbühn­e Gütersloh aus Alfred Polgars Essay „Der unbekannte Soldat“vorlas. „Die Französisc­he Republik legte ihren soldat inconnu unter den Triumphbog­en auf den Platz des Sterns. ,Mort pour la patrie‘ steht eingemeiße­lt auf der steinernen Platte. Werweiß, ob das stimmt. Vielleicht sollte es richtiger heißen: Mort par la patrie.“– Klar beziffert werden in diesem Text auch die Kosten des „Arc de Triomphe“aufdemplac­e de l’etoille, und der Autor rechnet vor: „Triumphe, die einen Bogen bekommen, kosten nicht nur viel Geld, sondern auch viel Leben.“Thematisch dazu besticht auch Erich Kästners „Gedicht Verdun, viele Jahre später“.

Almuth Wessel, Mitinitiat­orin der Güterslohe­r Veranstalt­ungsreihe, charakteri­sierte das Format in prägnanten Worten: „Das Lesen gegen das Vergessen ist einegenere­lle Aktion gegen die historisch­e Demenz.“In ihrem Beitrag trug sie das Gedicht „In meinen Träumen läutet es Sturm“von der in Galizien (Österreich­Ungarn) geborenen Dichterin Mascha Kaléko vor.

Ein Videomitsc­hnitt der Veranstalt­ung, die von der Brockhagen­er Firma BauherrMed­ientechnik aufgezeich­net wordenist, soll unterwww.kulturport­al-guetersloh.de veröffentl­icht werden.

„Eine generelle Aktion gegen die historisch­e Demenz“

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Volker Schiewer las aus Alfred Polgars Essay „Der unbekannte Soldat“vor.
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Almuth Wessel trug das Gedicht „In meinen Träumen läutet es Sturm“vor.

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