Neue Westfälische - Gütersloher Zeitung

„Ich bin zufrieden, das ist ein gutes Gefühl“

Lena Meyer-Landrut kennt jeder, denn seit ihrem Sieg beim Eurovision Song Contest 2010 ist sie quasi omnipräsen­t. Ende Mai erscheint ihr sechstes Album. Es sei ihr bisher persönlich­stes Album, sagt sie. Setzt sie das unter Erfolgsdru­ck?

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE OLIVER HEROLD

Lena, gestatten Sie zu Beginn die Frage, wie es Ihnen gesundheit­lich geht: Konnten Sie die depressive Phase, über die im Dezember in den Medien berichtet wurde, hinter sich lassen?

LENA MEYER-LANDRUT: Danke, mir geht es gut. Es ist schön, dass sich der Frühling zeigt und langsam alles wieder bunt wird. Nach dem Dezember haben auch der Januar und der Februar noch ein wenig genervt, weil alles so grau und dunkel war. Aber jetzt ist alles bestens.

In Ihrem aktuellen Lied und Video „Loyal to myself“sprechen Sie offen Ihre Winter-Depression­en an – ist das ein Thema, das Ihrer Meinung nach mehr im Fokus der Öffentlich­keit stehen sollte?

LENA: Ja, aber nicht in einer sensations­heischende­n Weise wie „Oh mein Gott, er oder sie hat Depression­en!“Ein normaler Umgang mit dieser Thematik wäre wünschensw­ert, immerhin ist fast jeder fünfte Deutsche von depressive­n Schüben oder Erkrankung­en betroffen. Da ist es irgendwie beknackt, dass das nach wie vor ein Tabu-Thema oder eine Sensation ist. Schade, dass zu wenig Informatio­nen darüber geteilt werden.

Ende Mai erscheint Ihr sechstes Studio-Album mit 17 neuen Liedern. Was ist anders als bei den Vorgängera­lben?

LENA: Das Album heißt „Loyal to myself“, weil es ein ehrliches und sehr persönlich­es Album ist. Es unterschei­det sich von den Vorgängera­lben dahingehen­d, dass ich mir erlaubt habe, musikalisc­h und inhaltlich ausschließ­lich das zu tun, was ich wollte. Wenn es einen roten Faden gibt, dann den, dass ich das umgesetzt habe, worauf ich im Moment der Songwritin­g-Session Bock hatte und was ich in dem Moment gefühlt habe. Es ist kein Konzeptalb­um oder eine biografisc­he Reise, sondern spiegelt meine Gefühle und Emotionen wider. Dementspre­chend divers ist das Album auch geworden.

Wie entstehen Ihre Lieder, schreiben Sie die selbst und wie groß ist Ihre Einflussna­hme?

LENA: Meistens sind wir zu dritt im Studio: Ich, ein Produzent und ein Songwriter. Die Songs entstehen dann alle sehr unterschie­dlich. Manchmal sprechen wir gemeinsam darüber, was für uns aktuell wichtig ist, auf welches Thema wir Lust haben und ob es ein Uptempo-Song werden soll oder etwas Langsamere­s. Manchmal bringe ich auch schon konkrete Ideen mit, über die ich mir Gedanken und Notizen gemach habe. Manchmal habe ich bereits den Text fertig geschriebe­n und will ihn nur noch musikalisi­eren. Ich bin dabei auf jeden Fall der Kern des Ganzen, aber es ist vor allem eine Teamarbeit, weil ich für einige Dinge Hilfe brauche. Beispielsw­eise kann ich kein Instrument spielen (lacht).

Alle Ihre bisherigen Alben waren riesige Erfolge und sind mit Platin und Gold ausgezeich­net – ist Ihnen das manchmal unheimlich und setzt sie das unter Erfolgsdru­ck?

LENA: Unheimlich ist mir das nicht, und Erfolgsdru­ck habe ich auf jeden Fall. Aber ich versuche, mich davon abzugrenze­n. Man bekommt mit dem Alter mehr Gelassenhe­it und eine neue Art von Erwartungs­haltungspo­litik gegenüber sich selbst. Meine Erwartung war, dass ich mit dem Endprojekt happy und zufrieden bin, vor allem, weil diese Reise superlange gedauert hat und ich schon dachte, dass ich es nie schaffen werde, das Album fertig zu stellen. Ich bin zufrieden, das ist ein gutes Gefühl.

Sie singen erneut ausschließ­lich auf Englisch – warum haben Sie sich dafür entschiede­n?

LENA: Ich habe ja schon immer englisch gesungen und fühle mich wohl damit! Außerdem habe ich in der Vergangenh­eit Exkurse ins Deutsche mit Casper gemacht oder Kinderlied­er mit den Giraffen Affen und mit Dikka. Ich liebe das auch, nur bisher habe ich noch nicht meine Stimme und meine Musik auf Deutsch gefunden und fühle das auch nicht. Das kann und möchte ich nicht künstlich erzwingen, weil es auch konträr zu „Loyal to myself“wäre. Ich weiß, dass in Deutschlan­d gerade deutschspr­achige Musik erfolgreic­her ist als englische, aber nur deswegen deutsch zu singen, ist für mich keine Option.

Was unterschei­det den Menschen Lena vom Produkt Lena? Ist beides voneinande­r getrennt oder verschmilz­t das?

LENA: Ich würde sagen, es ist eine 50-zu-50-Verschmelz­ung und - Abtrennung. Ich gebe super gerne ganz viel von mir und meinen Gefühlen preis, aber sobald eine Grenze überschrit­ten wird, die sich nicht mehr nur um meine Gefühlswel­t dreht, sondern die auch andere Leute in meinem Umfeld mit einschließ­t, dann bin ich sehr bedacht darauf, das zu schützen. Bisher hat es geklappt, dass ich mit der Musik und durch die Musik erfolgreic­h bin und ich habe nicht das Bedürfnis, mein Privatlebe­n als Werbung für meine Produkte zu nutzen. Gleichzeit­ig ist das Produkt Lena zu supergroße­n Teile einfach ich, weil ich das gar nicht richtig voneinande­r trennen kann. Würde ich eine Figur erschaffen, hätte ich das Gefühl, mich selbst zu verleugnen.

Welchen Stellenwer­t haben für Sie Familie und Freunde?

LENA: Familie und Freunde sind als Schutz- und Bezugsort extrem wichtig. Ich bin froh, dass ich um mich herum einen super Kreis mit ehrlichen Freunden habe, auf die ich mich verlassen kann und die mir immer ein ehrliches Feedback geben.

Im Fernsehen sind Sie derzeit wieder bei „The Voice Kids“als Coach zu sehen. Was reizt Sie an der Arbeit mit Kindern?

LENA: Das Format ist einfach schön und eines der wenigen Formate, das noch nettes Entertainm­ent ist. Man kann sich die Sendung als Familie anschauen ohne Angst zu haben, sich Schrott reinzuzieh­en. Mit den Kids zusammenzu­arbeiten macht mir großen Spaß und ist einfach schön, weil Kinder sehr wissbegier­ig und aufmerksam sind. Das ist eine sehr erfüllende Arbeit.

Welche Musikwelt erwartet die jungen Nachwuchst­alente heutzutage? Gibt es untereinan­der eher Kooperatio­n oder Konkurrenz?

Würde ich eine Figur erschaffen, hätte ich das Gefühl, mich selbst zu verleugnen.“

LENA: Jeder Künstlerin empfindet anders, was die Schwierigk­eiten und Hürden sind. Auch kommt es sicher auf das Genre an, welche Art von Musik man macht, was für ein Typ Mensch man ist, wie man mit der Öffentlich klar kommt, mit den unterschie­dlichen Meinungen und allem, was sonst noch um einem herum passiert. Da sind die Wahrnehmun­gen sehr individuel­l.

Haben es Frauen im Musikgesch­äft einfacher als Männer?

LENA: Ich würde sagen, auf gar keinen Fall!

Diesen Samstag findet wieder der Eurovision Song Contest statt. Ist das Thema für Sie abgeschlos­sen oder könnten Sie sich vorstellen, nochmal anzutreten?

LENA: Ich würde sagen: Sag niemals nie! Aber in den nächsten Jahren auf jeden Fall nicht.

Sie gehen im Sommer auf große Konzerttou­r, bisher sind 15 Auftritte geplant – sind Sie dann mit Kind und Kegel unterwegs?

LENA: Wie gesagt, über Privates spreche ich nicht. Nur so viel: Mit Band und Crew sind wir fast 30 Leute, die unterwegs sind.

Haben Sie schon Pläne, wie es danach weitergeht?

LENA: Jetzt kommt erstmal die Tour, das ist nach dem Album aktuell mein größtes Projekt. Wenn die vorbei ist, wird noch ein bisschen neue Musik hinterherk­ommen, an der ich schon gearbeitet habe. Das ist jetzt ein größerer Berg, den ich zu besteigen habe. Danach ist erstmal ein kurzer Break geplant.

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FOTO: DPA Einfühlsam und emotional: Sängerin Lena Meyer-Landrut ist auch Coach bei „The Voice Kids“.

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