Neue Westfälische - Gütersloher Zeitung
Der Wolf ist da
Des einen Freud, des anderen Leid: Beim Thema Wolf polarisieren die Meinungen. Und so unterschiedlich fallen auch die Reaktionen aus, nachdem vor Kurzem ein Wolf in Hamglingdorf gesichtet wurde.
Kreis Gütersloh. Zugegeben: Der Laie braucht bei diesem Foto etwas Fantasie, um ihn zu erkennen. Lokale Jäger, die das Bild bereits fleißig getauscht haben, sind sich jedoch sicher: Der Wolf ist in Borgholzhausen unterwegs. Und für manche ist das gar nicht mehr so außergewöhnlich. Ein Borgholzhausener, der den Schnappschuss in der vergangenen Woche gemacht hat, sieht nicht zum ersten Mal Wölfe, die durch Hamlingdorf ziehen. Am selben Tag wurde zudem ein weiteres Foto in Melle aufgenommen. Darauf ist das Tier noch besser identifizierbar.
Für den Borgholzhausener ist das keine große Sache: „Das kann man sich ja ausrechnen, dass die Wölfe mit zunehmender Zahl auch mehr Platz brauchen und sich nach und nach ausbreiten.“Kein Grund, einen großen Aufriss zu machen, meint er. Aber dennoch konnte er bei diesem Anblick nahe dem Sennergestüt Lackner das Handy nicht in der Tasche lassen. Das Foto kursiert seitdem unter Borgholzhausens Jägern. Auch Hegeringleiter Ulrich Meyer zu Drewer hat es gesehen. Und nicht nur das. Ein Freund schickte ihm kurz zuvor ein Bild aus einem Apfelgarten nahe Werther. Dort lagen die Überreste eines verspeisten Rehbocks. Wenig blieb übrig. Typisch Wolf, erklärt der Hegeringleiter: „Ein Hund würde diese Menge nicht schaffen.“Doch ein Wolf ist ein guter Verwerter – und wird bei so einer Gelegenheit für mehrere Tage satt.
Dass Wölfe gelegentlich durch die Region streifen, sei nicht neu. „Wir haben Wolfsfährten gesehen. Auf den Lehmböden am Wald zeichnen sie sich gut ab.“Der Jäger habe an den Spuren abgelesen, dass der Wolf die Pässe der Wildschweine abgehe. „Er sucht nach einem kranken Tier. Ein gesundes Wildschwein oder Reh würde ein einzelner Wolf nicht kriegen. Wenn der Wolf sich an dem gütlich hält, was alt und schwach ist, dann passt er gut ins Ökosystem. Wie die Müllabfuhr in der Natur.“Problematisch wird es, wenn er auf diese Weise nichts findet oder viel leichtere Beute wittert. „Deshalb geht natürlich die Angst bei den Tierhaltern um.“
„Schaf ungefährlicher als Wildschwein“
Nicht unberechtigt: Bei der letzten Wolfsichtung in Borgholzhausen, Ende 2022, lief das Tier abends über einen Hof in Berghausen. „Von der Angst vorm Menschen war dabei nichts zu sehen – er wirkte ziemlich cool“, berichtet Ulrich Meyer zu Drewer: „Viele denken, der Wolf sei scheu. Aber die jungen Wölfe lernen bereits von ihren Eltern, dass sie vor den Menschen nichts befürchten müssen. Und dass das Schaf auf der Weide eine einfache Beute ist. Zudem ist es wesentlich ungefährlicher als ein Kampf mit einem Wildschwein.“
Erkenntnisse, die Pferdezüchter Karl-ludwig Lackner sehr beunruhigen. Borgholzhausener Jäger haben ihn bereits gewarnt. Jetzt bangt er um die Pferde, die Tag und Nacht auf seiner Weide direkt am Wald leben. „Ich habe zwar extra neues Weidezaungerät gekauft – eine dreifache Einzäunung mit Strom – aber darüber lacht doch ein Wolf nur“, sagt er ernst. Seine Tiere deshalb wegzusperren, sei keine Option. Er beugt vor, indem er seine Freunde und Bekannten bittet, ihre Hunde von den Pferden fernzuhalten. „Sie sollen gar nicht erst lernen, sich mit Hunden gut zu verstehen. Denn im Ernstfall werden sie dann nicht unterscheiden können, ob sich ein friedlicher Hund oder ein gefährlicher Wolf an sie annähert.“
„Wildtierbereich um eine Attraktion reicher“
Für ihn ist es ein Widerspruch, wenn seine Senner Pferde, die zu den bedrohten Haustierrassen gehören und deshalb mit EU- und Landesmitteln gefördert werden, nicht mehr artgerecht leben dürfen oder durch den Wolf in permanente Gefahr geraten. Eine Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Züchtungskunde fordert aktuell Maßnahmen seitens der Bundesregierung, um Züchter wie Karl-ludwig Lackner zu unterstützen. Es geht dabei um finanzielle Förderungen bei Verlusten und zum Schutz der bedrohten Rassen. Sowie um die Möglichkeit, Wölfe nach mehrfachen Übergriffen bejagen zu dürfen. Vorschläge, die auch der Borgholzhausener sich wünscht, um seine Tiere zu sichern: „Man weiß ja sonst nicht, was man dagegen tun kann.“
Auch für die Stadt Borgholzhausen ist das Thema völliges Neuland, bestätigt Umweltmanager Dirk Nolkemper. Trotzdem wolle man Betroffene vermittelnd unterstützen. In NRW gibt es die Förderrichtlinien Wolf, die einen gewissen finanziellen Ausgleich bei Schäden oder Investitionen in vorbeugende Herdenschutzmaßnahmen finanziell unterstützen, erläutert Dirk Nolkemper. Zuständig hierfür ist die Landwirtschaftskammer.
Der Umweltmanager will sich darum kümmern, dass die Sichtung beim Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-westfalen aufgenommen wird. Er selbst ist nicht überrascht über die Sichtung. „Solche Durchzügler sind nicht mehr ungewöhnlich. Es ist ja bekannt, dass einige in der Senne leben. Wenn die Tiere herumstreunen, können sie einige hundert Kilometer hinter sich bringen.“Der Wildtierbereich sei damit um eine Attraktion reicher, stellt er fest, doch räumt auch ein: „Ich habe absolutes Verständnis für die Bedenken oder Sichtweisen der Schafhalter“und gibt zu bedenken: „Beim Thema Wolf passiert etwas mit den Menschen – nicht ganz unschuldig daran sind sicher auch die Brüder Grimm.“
Dass der Wolf in Borgholzhausen heimisch wird, fürchten sowohl der Umweltmanager als auch der Hegeringleiter nicht. „Der Teuto ist ein vergleichsweise kleines Gebiet und deshalb für Wolfsansiedlungen nicht geeignet“, begründet Ulrich Meyer zu Drewer. Beide sind sich einig, dass das Tier nur auf der Durchreise war. Nur woher kam er?
Wolfsfoto am selben Tag auch in Melle
„Aus der Zeit der A33-planung ist bekannt, dass derartige Großsäuger den Teutoburger Wald als Wander- beziehungsweise Vernetzungsstruktur, aufgrund der Zerschneidung im Bereich der Stadt Bielefeld, nicht nutzen können“, berichtet Dirk Nolkemper. Deshalb gebe es zahlreiche Grünbrücken über die A33. Sollte der Wolf aus dem Wolfsgebiet Senne kommen, müsste er mit hoher Wahrscheinlichkeit eine solche genutzt haben. Denkbar wäre laut Borgholzhausens Umweltmanager auch, dass das Tier aus Diepholz kam, wo ebenfalls Wölfe leben.
Der Hegeringleiter geht davon aus, dass das Tier aus Richtung Melle nach Borgholzhausen kam. Dort wurde im Ortsteil Holterdorf am selben Tag ebenfalls ein Foto von einem Tier gemacht, das zu Wolf-spekulationen führte. Das Tier sei „ruhig und zufrieden“über das Feld getrottet, heißt es in der „NOZ“. Eine Beschreibung, die im weitesten Sinne auch zu den Beobachtungen aus Borgholzhausen passt. Dort beschreibt der Macher des Schnappschusses das Tier als jung und nicht gut zu Fuß. Selbst von einer querenden Fahrradfahrerin ließ sich der Streuner auf seinem Weg durch die Landschaft nicht beirren.