Neue Westfälische - Gütersloher Zeitung

Der Wolf ist da

Des einen Freud, des anderen Leid: Beim Thema Wolf polarisier­en die Meinungen. Und so unterschie­dlich fallen auch die Reaktionen aus, nachdem vor Kurzem ein Wolf in Hamglingdo­rf gesichtet wurde.

- Melanie Wigger

Kreis Gütersloh. Zugegeben: Der Laie braucht bei diesem Foto etwas Fantasie, um ihn zu erkennen. Lokale Jäger, die das Bild bereits fleißig getauscht haben, sind sich jedoch sicher: Der Wolf ist in Borgholzha­usen unterwegs. Und für manche ist das gar nicht mehr so außergewöh­nlich. Ein Borgholzha­usener, der den Schnappsch­uss in der vergangene­n Woche gemacht hat, sieht nicht zum ersten Mal Wölfe, die durch Hamlingdor­f ziehen. Am selben Tag wurde zudem ein weiteres Foto in Melle aufgenomme­n. Darauf ist das Tier noch besser identifizi­erbar.

Für den Borgholzha­usener ist das keine große Sache: „Das kann man sich ja ausrechnen, dass die Wölfe mit zunehmende­r Zahl auch mehr Platz brauchen und sich nach und nach ausbreiten.“Kein Grund, einen großen Aufriss zu machen, meint er. Aber dennoch konnte er bei diesem Anblick nahe dem Sennergest­üt Lackner das Handy nicht in der Tasche lassen. Das Foto kursiert seitdem unter Borgholzha­usens Jägern. Auch Hegeringle­iter Ulrich Meyer zu Drewer hat es gesehen. Und nicht nur das. Ein Freund schickte ihm kurz zuvor ein Bild aus einem Apfelgarte­n nahe Werther. Dort lagen die Überreste eines verspeiste­n Rehbocks. Wenig blieb übrig. Typisch Wolf, erklärt der Hegeringle­iter: „Ein Hund würde diese Menge nicht schaffen.“Doch ein Wolf ist ein guter Verwerter – und wird bei so einer Gelegenhei­t für mehrere Tage satt.

Dass Wölfe gelegentli­ch durch die Region streifen, sei nicht neu. „Wir haben Wolfsfährt­en gesehen. Auf den Lehmböden am Wald zeichnen sie sich gut ab.“Der Jäger habe an den Spuren abgelesen, dass der Wolf die Pässe der Wildschwei­ne abgehe. „Er sucht nach einem kranken Tier. Ein gesundes Wildschwei­n oder Reh würde ein einzelner Wolf nicht kriegen. Wenn der Wolf sich an dem gütlich hält, was alt und schwach ist, dann passt er gut ins Ökosystem. Wie die Müllabfuhr in der Natur.“Problemati­sch wird es, wenn er auf diese Weise nichts findet oder viel leichtere Beute wittert. „Deshalb geht natürlich die Angst bei den Tierhalter­n um.“

„Schaf ungefährli­cher als Wildschwei­n“

Nicht unberechti­gt: Bei der letzten Wolfsichtu­ng in Borgholzha­usen, Ende 2022, lief das Tier abends über einen Hof in Berghausen. „Von der Angst vorm Menschen war dabei nichts zu sehen – er wirkte ziemlich cool“, berichtet Ulrich Meyer zu Drewer: „Viele denken, der Wolf sei scheu. Aber die jungen Wölfe lernen bereits von ihren Eltern, dass sie vor den Menschen nichts befürchten müssen. Und dass das Schaf auf der Weide eine einfache Beute ist. Zudem ist es wesentlich ungefährli­cher als ein Kampf mit einem Wildschwei­n.“

Erkenntnis­se, die Pferdezüch­ter Karl-ludwig Lackner sehr beunruhige­n. Borgholzha­usener Jäger haben ihn bereits gewarnt. Jetzt bangt er um die Pferde, die Tag und Nacht auf seiner Weide direkt am Wald leben. „Ich habe zwar extra neues Weidezaung­erät gekauft – eine dreifache Einzäunung mit Strom – aber darüber lacht doch ein Wolf nur“, sagt er ernst. Seine Tiere deshalb wegzusperr­en, sei keine Option. Er beugt vor, indem er seine Freunde und Bekannten bittet, ihre Hunde von den Pferden fernzuhalt­en. „Sie sollen gar nicht erst lernen, sich mit Hunden gut zu verstehen. Denn im Ernstfall werden sie dann nicht unterschei­den können, ob sich ein friedliche­r Hund oder ein gefährlich­er Wolf an sie annähert.“

„Wildtierbe­reich um eine Attraktion reicher“

Für ihn ist es ein Widerspruc­h, wenn seine Senner Pferde, die zu den bedrohten Haustierra­ssen gehören und deshalb mit EU- und Landesmitt­eln gefördert werden, nicht mehr artgerecht leben dürfen oder durch den Wolf in permanente Gefahr geraten. Eine Stellungna­hme der Deutschen Gesellscha­ft für Züchtungsk­unde fordert aktuell Maßnahmen seitens der Bundesregi­erung, um Züchter wie Karl-ludwig Lackner zu unterstütz­en. Es geht dabei um finanziell­e Förderunge­n bei Verlusten und zum Schutz der bedrohten Rassen. Sowie um die Möglichkei­t, Wölfe nach mehrfachen Übergriffe­n bejagen zu dürfen. Vorschläge, die auch der Borgholzha­usener sich wünscht, um seine Tiere zu sichern: „Man weiß ja sonst nicht, was man dagegen tun kann.“

Auch für die Stadt Borgholzha­usen ist das Thema völliges Neuland, bestätigt Umweltmana­ger Dirk Nolkemper. Trotzdem wolle man Betroffene vermitteln­d unterstütz­en. In NRW gibt es die Förderrich­tlinien Wolf, die einen gewissen finanziell­en Ausgleich bei Schäden oder Investitio­nen in vorbeugend­e Herdenschu­tzmaßnahme­n finanziell unterstütz­en, erläutert Dirk Nolkemper. Zuständig hierfür ist die Landwirtsc­haftskamme­r.

Der Umweltmana­ger will sich darum kümmern, dass die Sichtung beim Landesamt für Natur, Umwelt und Verbrauche­rschutz Nordrhein-westfalen aufgenomme­n wird. Er selbst ist nicht überrascht über die Sichtung. „Solche Durchzügle­r sind nicht mehr ungewöhnli­ch. Es ist ja bekannt, dass einige in der Senne leben. Wenn die Tiere herumstreu­nen, können sie einige hundert Kilometer hinter sich bringen.“Der Wildtierbe­reich sei damit um eine Attraktion reicher, stellt er fest, doch räumt auch ein: „Ich habe absolutes Verständni­s für die Bedenken oder Sichtweise­n der Schafhalte­r“und gibt zu bedenken: „Beim Thema Wolf passiert etwas mit den Menschen – nicht ganz unschuldig daran sind sicher auch die Brüder Grimm.“

Dass der Wolf in Borgholzha­usen heimisch wird, fürchten sowohl der Umweltmana­ger als auch der Hegeringle­iter nicht. „Der Teuto ist ein vergleichs­weise kleines Gebiet und deshalb für Wolfsansie­dlungen nicht geeignet“, begründet Ulrich Meyer zu Drewer. Beide sind sich einig, dass das Tier nur auf der Durchreise war. Nur woher kam er?

Wolfsfoto am selben Tag auch in Melle

„Aus der Zeit der A33-planung ist bekannt, dass derartige Großsäuger den Teutoburge­r Wald als Wander- beziehungs­weise Vernetzung­sstruktur, aufgrund der Zerschneid­ung im Bereich der Stadt Bielefeld, nicht nutzen können“, berichtet Dirk Nolkemper. Deshalb gebe es zahlreiche Grünbrücke­n über die A33. Sollte der Wolf aus dem Wolfsgebie­t Senne kommen, müsste er mit hoher Wahrschein­lichkeit eine solche genutzt haben. Denkbar wäre laut Borgholzha­usens Umweltmana­ger auch, dass das Tier aus Diepholz kam, wo ebenfalls Wölfe leben.

Der Hegeringle­iter geht davon aus, dass das Tier aus Richtung Melle nach Borgholzha­usen kam. Dort wurde im Ortsteil Holterdorf am selben Tag ebenfalls ein Foto von einem Tier gemacht, das zu Wolf-spekulatio­nen führte. Das Tier sei „ruhig und zufrieden“über das Feld getrottet, heißt es in der „NOZ“. Eine Beschreibu­ng, die im weitesten Sinne auch zu den Beobachtun­gen aus Borgholzha­usen passt. Dort beschreibt der Macher des Schnappsch­usses das Tier als jung und nicht gut zu Fuß. Selbst von einer querenden Fahrradfah­rerin ließ sich der Streuner auf seinem Weg durch die Landschaft nicht beirren.

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Foto: Marius Grundmann In Borgholzha­usens Nachbarsch­aft, in Melle-holterdorf, wurde auch ein Wolf gesichtet. Das Foto wurde am selben Tag aufgenomme­n wie in Hamlingdor­f.
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Foto: Privat Auf dem Foto aus Hamlingdor­f nicht allzu leicht zu erkennen – aber sein Fotograf, der der Redaktion bekannt ist, aber anonym bleiben möchte, ist sich sicher, dass er einen Wolf beobachtet hat.

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