Neue Westfälische - Gütersloher Zeitung
Ab in die Post!
Der Kabarettist Hans-hermann Thielke wurde mit seiner Rolle des spießig-kauzigen Postbeamten bekannt. Jetzt tritt er in Gütersloh an dem passenden Ort auf.
Gütersloh. „Uuuund ab die Post!“– Nein, eine solch forsche Ansage ist von Hans-hermann Thielke nicht zu erwarten. Zu viel Dynamik, zu viel Tempo. Thielke ist eher der beherrschte, der um Kontrolle bemühte Typ. Als ehemaliger Beamter, tätig im mittleren nichttechnischen Dienst, behält er die Dinge lieber in Stempelweite. In Gütersloh heißt seine Losung vielmehr: „Ab in die Post!“
Und zwar am Dienstag, 29. Mai. Um 19.30 Uhr tritt er im ehemaligen Postamt an der Kaiserstraße auf. In der alten Schalterhalle, genauer gesagt: im Paketdepot dieser Halle wird für den gerne Strickpullunder und Krawatte tragenden Staatsdiener ordentlich ausgefegt. Man baut ihm eine Bühne auf, platziert einige Reihen Stühle davor und lässt ihn reden: über sich, seinen beschwerlichen Alltag, seinen Blick auf die Welt. Es dürfte amüsant werden.
Thielke tritt auf Einladung der Weberei auf. Der Bürgerkiez hat dafür den passenden Ort ausgesucht. Der Kabarettist, einst bis in die Höhen des mittleren, nichttechnischen Postdienstes aufgestiegen, kehrt in der Schalterhalle gewissermaßen zu seinen Wurzeln zurück. Die Firma Hagedorn, Eigentümerin der Immobilie, macht es möglich. Sie schließt auf, stellt bereit.
„Ist doch eine schöne Sache, da unterstützen wir gerne“, sagt Judith Roderfeld, Sprecherin von Hagedorn. Das Gebäude für diesen Auftritt mal eben zur Verfügung zu stellen, unbürokratisch zu agieren, deckt sich mutmaßlich nicht mit den Lebenserfahrungen eines Postbeamten, ist aber in diesem Fall genau jene Handlungsweise, die es Thielke, der Weberei und dem Kooperationspartner Neue Westfälische ermöglicht, diese Veranstaltung anbieten zu können.
Beim Betreten der verlassenen Postimmobilie durch ein Hallentor werden die Besucher einen kleinen Eindruck von deren Größe gewinnen; sie werden sehen, wie es hinter dem Besuchertresen aussah, welchen Weg ihr Brief, ihr Päckchen nahm; sie werden registrieren, dass selbst Behördenräume vor gewitzten Aufklebern nicht sicher sind („Post
– Personal ohne sinnvolle Tätigkeit“), sie werden feststellen, wie verwaist der Raum mit den Postfächern heute wirkt. Mehr allerdings auch nicht. Eine Führung durch die Gesamtimmobilie wird es nicht geben. Wer den Besuch der Veranstaltung mit der Hoffnung verbindet, einen „Lost Place“zu besichtigen, würde enttäuscht sein, zumal der Platz so verloren gar nicht anmutet.
Macht aber nichts. Die Besucher werden stattdessen mit dem Auftritt eines Komödianten beschenkt, der als Inbegriff für einen spießigen, kauzigen Beamten gilt. In Fernseh-auftritten, sei es beim „Quatsch Comedy Club“oder den „Mitternachtsspitzen“, hat er diese Rolle perfektioniert. Der ehemalige Postler – Seitenscheitel, moderne Gleitsichtbrille – denkt zuhause in seinem Reihenmittelhaus
am Rande einer Kleinstadt viel nach und weiß, dass Menschen heutzutage mehr Fragen als Antworten haben, dass es es ihnen schwer fällt, den Kopf über Wasser und dabei die Füße auf dem Boden zu behalten. Und: Er hilft ihnen dabei. Die Parole für seinen Auftritt in Gütersloh: „Einer für Alle!“
Aufgewachsen in Itzehoe, erfolgreicher Absolvent eines Realschulabschlusses, gestählt
durch die Härten des Postdienstes, kennt Thielke die Sorgen der Menschen genau. Dieses Wissen möchte er teilen. Seine Qualifikationen: Gewissenhaftigkeit, Tierliebe, eine gesicherte Altersversorgung. Dass es manchmal aus ihm herausbricht, dass er zu singen und tanzen anfängt, jongliert und Witze erzählt, hat er meistens unter Kontrolle, aber eben nicht immer. In Gütersloh nicht.
Für die Weberei ist die alte Post so etwas wie ein „Dritter Kulturort“. Nicht zuletzt durch die Pandemie habe sich gezeigt, „dass Kultur dort stattfindet, wo sich Menschen und Künstler zusammenfinden und nicht zwangsläufig nur dort, wo man an vier Wände Kulturraum dranschreibt. Parks, Kirchen, Innenhöfe von Altenheimen, Marktplätze, aber auch virtuelle Orte sind bereits jetzt fester Bestandteil des Weberei-programms.“An dieser Entwicklung forsche die Bürgerkiez-gesellschaft schon seit Jahren mit der Universität Koblenz.
Daher sei es umso erfreulicher, dass die Hagedorn-gruppe die alte Schalterhalle als einen Dritten Kulturort überlässt. „Ich habe mich sehr gefreut, dass Thomas Hagedorn unserer Idee sofort offen gegenüber stand“, sagt Böning. Neben Hagedorn unterstützen Schenke am Bahnhof und die Neue Westfälische das ungewöhnliche Veranstaltungskonzept.
Die Firma Hagedorn stellt das Gebäude unkompliziert zur Verfügung