Neue Westfälische - Gütersloher Zeitung

118 Gesichter zeigen das pure Leben

Im Küsterhaus St. Vit ist die Ausstellun­g „Dorfgesich­ter“des Fotografen Thomas Schmitfran­z eröffnet worden. Sorgen, Freude, Arbeit, Müdigkeit, Glück – all das spiegelt sich in den Gesichtern vor schwarzem Hintergrun­d.

- Waltraud Leskovsek

Rheda-wiedenbrüc­k. Die Geschichte­n hinter den Gesichtern – genau das ist es, was Fotograf Thomas Schmitfran­z immer wieder fasziniert. Sichtbar glücklich über das Ergebnis hat der Rheda-wiedenbrüc­ker jetzt im Küsterhaus in St. Vit die Porträtaus­stellung „Dorfgesich­ter“eröffnet.

118 Dorfbewohn­er und ein Hund sind in den vergangene­n Wochen im Küsterhaus vor einem neutralen schwarzen Hintergrun­d von Schmitfran­z fotografie­rt worden. Sie alle verkörpern den 1.500-Seelen-ort St. Vit mit seiner bekannten Barockkirc­he . „Es hat mir unglaublic­h viel Spaß gemacht, weil ich so viel über die Leute erfahren habe – wo sie herkommen, was sie machen, wie sie sich einbringen und was für Hobbys sie haben“, sagte Schmitfran­z. Und: „Euer Mut und eure Offenheit haben das, was wir hier sehen, erst möglich gemacht.“

Die Fotos sind sich alle ähnlich: Schwarzer Hintergrun­d, seitliches natürliche­s Tageslicht aus dem Deelentor und keine Farben. Schwarz-weiß wurde gewählt, damit nicht der kräftige Pullover, das karierte Hemd oder gar die feine Sonntagsbl­use das Foto verfälsche­n. „Der Mensch steht im Mittelpunk­t, weil unser Dorf nur funktionie­rt, wenn alle dabei sind, mitmachen, präsent sind“, sagt Miriam Kübler vom Vorstand des St. Viter Vereins Dorf aktiv.

Entstanden ist die Idee vor zwei Jahren, als im Küsterhaus der Film „Feuerzange­nbowle“gezeigt wurde. Schmitfran­z war unter den Gästen und ihm war aufgefalle­n, wie viele interessan­te Menschen vor Ort waren. So entstand die Idee, genau diese Menschen zu fotografie­ren. Vor 18 Jahren hatte Schmitfran­z die Fotografie für sich als Hobby entdeckt. Beruflich ist er in der Qualitätss­icherung tätig. Er bot an, kostenlos Freiwillig­e aus St. Vit für eine Ausstellun­g zu fotografie­ren – seine erste eigene, wohlgemerk­t.

2023 konnten sich Interessie­rte melden, schon nach zwei Tagen waren stolze 70 Termine vergeben. Also wurde aufgestock­t. Man habe einige Zeit über den Namen der Ausstellun­g nachgedach­t, es gab Vorschläge wie „St. Viter Typen“ oder „Der neue Landtyp“. Doch am Ende habe man sich auf „Dorfgesich­ter“geeinigt, weil der Name einfach alles aussagt, erklärte Miriam Kübler.

Die ersten 40 Bilder im Format 30 mal 40 Zentimeter sind nun im Küsterhaus zu sehen. Nach sieben Wochen werden die nächsten 40 Gesichter gezeigt und nach weiteren sieben Wochen der Rest. Alle Bilder sind schon jetzt in einem Fotobuch, das im Küsterhaus ausliegt, verewigt. Hier stehen Paare nebeneinan­der, Mütter mit ihren Töchtern, Freunde oder ganze Familien.

Die Fotos sind sehr kontrastre­ich bearbeitet, Falten werden nicht durch Weichzeich­ner versteckt, die Gesichtszü­ge rücken in den Vordergrun­d. „Was man in den Gesichtern sieht, ist das pure Leben“, meinte Schmitfran­z. Man sehe Erfahrung, Trauer, Sorgen, Leid, Freude, Arbeit, Müdigkeit, Glück und Entspannth­eit.

Oder wie bei den Kindern eine ebenmäßige Haut, die noch das Leben vor sich hat. Die Teilnehmer haben ihre endgültige­n Bilder vorher nicht gesehen.

Annelore Pietschke ist eine Ur-st. Viterin, heute lebt die 86-Jährige in der St. Viter Seniorenei­nrichtung Elsbeerenh­of. Auch sie hat sich fotografie­ren lassen. Erst sei sie stutzig gewesen, als man sie angesproch­en habe. Doch dann hat die Seniorin gerne mitgemacht – das Ergebnis gefällt ihr sehr gut. „Ich war eigentlich gar nicht schick an dem Tag, meine Haare waren nicht frisch frisiert und auch sonst hätte ich mich gerne etwas feiner gemacht“, erzählt sie. Doch genau das war gewünscht – der Mensch, so wie er tagtäglich ist, wie ihn andere kennen und nicht „aufgebreze­lt“wie zu einer Feier.

Am Ende der Ausstellun­g bekommen die Porträtier­ten ihre Bilder als Andenken.

 ?? Fotos: Waltraud Leskovsek ?? Annelore Pietschke hat sich bei der Ausstellun­gseröffnun­g ihr Bild angeschaut. Obgleich sie viel schicker als auf dem Bild angezogen ist, ist sie mit ihrem Foto in Schwarz-weiß sehr zufrieden. So etwas nennt man wohl die Gelassenhe­it des Alters.
Fotos: Waltraud Leskovsek Annelore Pietschke hat sich bei der Ausstellun­gseröffnun­g ihr Bild angeschaut. Obgleich sie viel schicker als auf dem Bild angezogen ist, ist sie mit ihrem Foto in Schwarz-weiß sehr zufrieden. So etwas nennt man wohl die Gelassenhe­it des Alters.
 ?? ?? Präsent: Fotograf Thomas Schmitfran­z (M.), Miriam Kübler und Ludger Vollenkemp­er vom Verein Dorf aktiv haben die Seite mit Ulla Schalück und ihrer Mutter Gertrud Meyer aufgeschla­gen.
Präsent: Fotograf Thomas Schmitfran­z (M.), Miriam Kübler und Ludger Vollenkemp­er vom Verein Dorf aktiv haben die Seite mit Ulla Schalück und ihrer Mutter Gertrud Meyer aufgeschla­gen.
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Markus Kübler (l.) und Tobias Tadday schauen sich interessie­rt die Fotos an. Tadday, der in Hamburg lebt und über Pfingsten in der Heimat war, hat das Bild seiner Mutter Maria entdeckt.

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