Neue Westfälische - Gütersloher Zeitung
Freibier für Wähler?
In Duisburg haben Bürger für ihre Stimmabgabe zur Europawahl ein Kaltgetränk geschenkt bekommen. Was Politiker in Gütersloh von der Sache halten und wie sie möglichst viele Wahlberechtigte an die Urne bewegen wollen.
Gütersloh. Die einen sagen „Prost“, die anderen „Prost Mahlzeit“: Als Maßnahme gegen eine niedrige Beteiligung bei der Europawahl 2024 am 9. Juni hat die Stadt Duisburg eine aufsehenerregende Aktion gestartet und Freibier an Bürger verteilt. Wer sich seine Briefwahlunterlagen abgeholt oder ausgefüllt vorgezeigt hat, dem hat die Ruhrgebietsmetropole einen alkoholfreien Gerstensaft ausgetan. Wäre eine solch unkonventionelle Methode auch in Gütersloh vorstellbar oder sind hier die Grenzen des guten Geschmacks überschritten worden? Heimische Politiker sagen, wie sie die Sache sehen. Auch die Stadt äußert sich, obwohl es streng genommen gar nicht „ihr Bier ist“, Werbung für die Wahl zu machen.
Eins vorweg: Im Duisburger Rathaus wertet man die ungewöhnliche Wahl-werbeaktion als Erfolg, auch wenn gerade mal eine Hand voll Bürger das Angebot in der örtlichen König-pilsener-brauerei wahrgenommen hat. Dort hatte es das Gratis-getränk am Freitag, 17. Mai, für die entsprechende Stimmabgabe gegeben, die Brauerei hat die Kosten der Aktion als Sponsor übernommen. „Letztlich haben sich nur fünf Bürger beteiligt, aber der Medienrummel war groß und somit auch die Aufmerksamkeit für die eigentliche Sache“, sagt Peter Hilbrands (63), Pressesprecher der Stadt Duisburg, weshalb man auch in Zukunft „weiter in die Richtung“gehe.
In Gütersloh leben 72.091 Wahlberechtigte, rund 5.870 wählen zum ersten Mal das Eu-parlament. Davon wiederum sind 3.100 Bürger Erstwähler, die zuvor noch nie berechtigt waren. Die Stadtverwaltung ist zwar mit der ordnungsgemäßen Durchführung der Wahl vor Ort beauftragt, die „Werbetrommel“rühren muss sie jedoch nicht. Aber: „Natürlich stellen wir den Bürgern umfassende Informationen rund um die Europawahl zur Verfügung“, sagt Stadtsprecherin Annette Blumenstein. So kann man sich beispielsweise auf der städtischen Homepage (www.wahlen.guetersloh.de) über die Europawahl informieren. Zudem habe man sich an der Aktion „Stimme(n) für Europa!“der pro Wirtschaft GT beteiligt. „Aber das ist nicht vergleichbar mit der Aktion in Duisburg.“
Freibier für Wahlstimme – eine Schnapsidee? Der Cdufraktionsvorsitzende Heiner Kollmeyer hat die Aktion „mit einem Schmunzeln“zur Kenntnis genommen. „Ich selber wäre nicht auf eine solche Idee gekommen. Wenn man es sacken lässt, hat es vielleicht einen gewissen Charme“, erklärt der Landwirt. Für erforderlich hält er eine derartige Aktion hier allerdings nicht. „Mir fehlt die Fantasie, wie man es umsetzen sollte. Außerdem haben wir bislang einen guten Zulauf“, sagt der 68-Jährige. Das bestätigt die Stadtpressesprecherin, die „keinen Anlass zu Pessimismus hinsichtlich einer geringen Wahlbeteiligung in Gütersloh in diesem Jahr“sieht.
Gleichwohl, so Heiner Kollmeyer, wolle er nicht ausschließen, „dass man sich mittelfristig Gedanken machen muss, wie man eine Wahl attraktiver gestaltet“. Am Parteistand wirbt die CDU samstags mit Kugelschreibern und Info-broschüren. Außerdem mache man mit 14 zusätzlichen Plakaten in jedem Wahlkreis darauf aufmerksam, dass in Gütersloh eben nicht nur die Europawahl, sondern auch die Bürgermeister-abwahl am 9. Juni anstehe.
Für die Spd-stadtverbands-vorsitzende Elvan Korkmaz-emre, die über den digitalen Draht zu Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD) von der Aktion erfahren hat, zählt der gute Gedanke, der dahinter steckt. „Alles was Aufmerksamkeit bringt, Anreize schafft und dazu beiträgt, zum Wählen zu animieren, schadet nicht. Aber langfristig sehe ich in Freibier kein Erfolgsmodell. Allein deshalb wird niemand wählen gehen“, ist sich die 38-Jährige sicher.
Ihr Partei ist bekannt für den „Roten Grill“, an dem die SPD im Wahlkampf oder zu anderen Anlässen den Bürgern Bratwurst spendiert. Vor sieben Jahren empfing Korkmaz-emre die damalige Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles bei einer solchen Veranstaltung. „Der rote Grill wurde in Versmold erfunden, dem ostwestfälischen Fettfleck.“In Gütersloh soll er jedoch erst zur Kommunalwahl wieder zum Einsatz kommen.
Als ehemaliger Gesamtvertriebsleiter bei Christinen Brunnen kann Jürgen Behnke, Co-fraktionschef der Bürger für Gütersloh (BFGT), eine besondere Expertise aus der
Getränkebranche vorweisen. Die Form von flüssiger Wahlwerbung ist für den 68-Jährigen jedoch nicht mehr als „ein witziger Gag“. Nach dem Urnengang gepflegt ein Bier zu trinken, sei in Ordnung. „Damit jedoch Wähler zu locken, das ist nicht unser Ding. Ich halte es für utopisch. Anders wäre es vielleicht, wenn wir hier eine Brauerei direkt vor Ort hätten.“
Für Alexander Döring muss es nicht gleich eine Brauerei sein. „Vorstellbar wäre für Gütersloh doch zum Beispiel auch ein Gratis-eintritt für Familien zum Schwimmen in der Welle“, sagt der Stadtverbandsvorsitzende der FDP. Für den 30-Jährigen gilt das Motto: Alles was hilft. „Ich finde jede Aktion toll, die Demokratie unterstützt und Leute dazu bewegt, ihr Wahlrecht wahrzunehmen.“Den Duisburger Weg hält Döring für „sympathisch“und auch in Gütersloher Gefilden für durchführbar: „Denn wir haben ja zumindest im Kreis eine Brauerei.“Mit der FDP plane er für die Zeit kurz vor der Wahl noch eine größere Aktion („Etwas Auffälligeres“), um die Menschen zu überzeugen, ihr Wahlrecht wahrzunehmen. „Denn es ist nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht.“
Für Martin Noack von den Grünen in Gütersloh liegt das Rezept für eine Mobilmachung von Wählern quasi nicht nur auf, sondern auch in der Hand: Klinkenputzen. An den Haustüren klingeln macht sich bezahlt. Der 45-jährige Mitarbeiter der Bertelsmannstiftung zog im September 2020 mit einem beachtlichen Ergebnis von 34,99 Prozent in seinem Wahlbezirk in den Stadtrat ein, nachdem er zuvor nahezu alle Haushalte persönlich besucht hatte.
„Haustürwahlkampf hat einen deutlichen Effekt. Das hat auch eine Studie der Uni Mainz vor einigen Jahren ergeben, bei der Wissenschaftler eine Effektivität von Haustürbesuchen nachgewiesen haben“, weiß Noack. Für ihn wäre es deshalb eine gute Idee, wenn die Stadt „etwa auf Minijob-basis“Personen einstelle, die in Stadtvierteln von Tür zu Tür ziehen und Bewohner auf die bevorstehende Wahl hinweisen würden. Sicherlich sei die Kostenfrage zu klären. „Und es müsste überparteilich und politisch neutral ablaufen, aber so ein Experiment fände ich für Gütersloh gut.“
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