Neue Westfälische - Gütersloher Zeitung
„Wir berühren das Herz, denn das Herz versteht“
In„Paraiso“präsentiertderfranzösischeRegisseurFredericZipperlinmitseinemCirqueBouffonnochbiszum2.JunieineShow mitfantastischenBildern,schönerMusikundatemberaubenderAkrobatik.DochumwasgenaugehteseigentlichundwasmotiviertdenZirkusdirektor?
Monsieur Zipperlin, was unterscheidet den Cirque Bouffon von einem traditionellen Zirkus? FREDERIC ZIPPERLIN: Cirque Bouffon – das ist Poesie. Und es gibt keine Tiere. Wir sind mehr Theater als Zirkus. In unserer Show folgt nicht wie gewöhnlich eine Nummer auf die nächste, sondern sie wird wie visuelles Theater inszeniert. In Frankreich nennen wir das „Nouveau Cirque“: Eine Mischung aus Zirkuskunst,Theater,Tanz,Live-Musik und einer Menge Humor. Die Show hat eine Dramaturgie und einThema.Undganzwichtig:Keine Tiere!
In der aktuellen Show „Paraiso“geht es um Fabelwesen und andere geheimnisvolle Figuren. Woher die Inspiration und welches Feeling entsteht dadurch?
FRÉDÉRIC ZIPPERLIN: Paraiso isteineGeschichtevoneinerWelt, wo jeder König und Königin sein darf. Der Weg dahin ist oftmals mühsam aber auch beeindruckendundlustig.Allesiststetsein wenig anders als man denkt: es gibt überraschende Eindrücke, BilderundvielEmotionenundnatürlich auch skurrile Situationen und viel traumhafte Magie. Kurz gesagt entführt Paraiso in eine poetische Traumwelt – stets begleitet von der sinnlichen und rauschhaften Live-Musik.
Bei der Musik gibt es Besonderheiten. Wie sehen die aus? FRÉDÉRIC ZIPPERLIN: Die ganze Show wird getragen von der wahnsinnig sinnlichen und auch mitreißenden Musik unseres Komponisten Sergej Sweschinski.DieMusikstückesindzumTeil einfühlsam-melancholisch, aber dann auch wieder mitreißend, so dass das Publikum begeistert mitklatscht. Das Ganze ist ein schillerndes Kaleidoskop. Es sind poetische, sinnliche und rauschhafte Kompositionen, zwischen Balkaneinflüssen, Klezmer und französischer Musik angesiedelt. Die MusikeranGeige,Akkordeonund Kontrabass spielen stets live und sind,nichtwiegewöhnlichimZirkus, auf einer entfernten Empore platziert, sondern in der Mitte des Geschehens auf der Bühne und somit Teil der Inszenierung.
InwelcherSprachewirddenndagesungen?
FRÉDÉRIC ZIPPERLIN: Unsere Bouffon-Musik ist generell ja etwas Besonderes: Sie ist mal laut, mal leise. Mal mitreißend-rauschhaft. Mal einfühlsam, melancholisch–zärtlich.Und:fastalleSzenensindvonGesangbegleitet.Allerdings wird stets in Fantasiesprache gesungen. Unsere Bouffon-Sprache. Das ist eine Besonderheit von Bouffon. Wir berühren
das Herz, denn das Herz versteht. Ohne Worte. Daher sind unsere Shows auch für jeden etwas. Sie funktionieren länderübergreifend. Jeder versteht die Sprache des Herzens.
Wohin entführt Paraiso die Menschen?
FREDERIC ZIPPERLIN: Ich hab mich bei Paraiso vom Künstler HieronymusBoschinspirierenlassen. Zudem liegen wirklich miese Jahre hinter uns, mit Corona und Ausgangssperren, UnsicherheitundnunauchnochderUkraine-KriegunddasGescheheninIsrael und Gaza. Wir alle wünschenunsFrieden,GlückundZufriedenheit.Dochdazubrauchtes
AufbruchundgesellschaftlicheErneuerung. Paraiso ist da eine Art Vision.DieVorstellungeineswunderbaren, göttlichen Ortes. Hier gibt’s viele unterschiedliche geheimnisvolle Figuren und Fabelwesen.ÄhnlichwieinBoschsBilderngibtesdieseauchbeiuns.Insgesamt
ist Paraiso eine Welt, die uns gern den Kopf verdreht. Menschen, die sich mit Charme, Witz und Poesie diesen ungewöhnlichenLebenslagenstellen.Allesist stets ein wenig verrückt: GefühleundEmpfindungen,skurrileSituationen, Rausch, Lebensfreude und traumhafte Magie. Mal laut, mal leise.
WasmachtfürSiedieMagiedesCirque Bouffon aus?
FREDERIC ZIPPERLIN: Teil der MagieistersteinmaldasZeltund seine Intimität. Das Publikum ist ganz nahe dran, fast schon mittendrin.Wirspielennichtnurnach vorne, sondern 360 Grad, also ganz rund. Dazu kommt die Musik,dieeigensfürjedesStückkomponiert ist. Und wie gesagt, die Musiker sind auch Darsteller und mit in der Manege. Das hat seine eigene Magie.
Wie ist der Cirque Bouffon eigentlich entstanden?
FREDERIC ZIPPERLIN: Uih, lang lang ist es her. Wir feierten ja vor vierJahrenbereitsunseren15.Geburtstag, genau genommen bereits 2020. Doch dies fiel ja coronabedingtaus.DiesesJahrsind wir nun quasi Erwachsen. Bouffonist18–volljährigundistquasi aus den Kinderschuhen raus. Bouffon war schon lange ein Traum von mir. Als Künstler und ClownwarichüberallaufderWelt unterwegs,binbeimZirkus,inVarietés und Theatern aufgetreten. DocheswarimmermeinWunsch, meinen eigenen Platz zu haben und selbst etwas zu kreieren. Vor über 20 Jahren habe ich mit meiner Frau dann zusammen angefangen, den Weg zu gehen, von demichgeträumthabe.Undheute kommt das Publikum in unser Zelt und damit quasi zu uns nach Hause.
Was fasziniert Sie an der Zirkuswelt?
FREDERIC ZIPPERLIN: Unsere Shows sind für jeden. Kinder, Eltern und Großeltern kann er gleichzeitig begeistern und das fasziniert mich an dieser Kunst. Sie ist nicht elitär, sondern populär. Lustig. Melancholisch, mitreißend. Und unsere Shows sind in jeder Sprache zu verstehen.
Wie sind Sie auf die Idee des Cirque Bouffon gekommen? FREDERIC ZIPPERLIN: Als ich achtJahrealtwar,habeichinmeiner Heimat Südfrankreich eine Vorstellung gesehen. Danach hatteichdenWunsch,Clownzusein. Später habe ich eine Zirkusschule besucht und vor über 35 Jahren als Clown und Jongleur angefangen. Später habe ich auch Regiearbeiten gemacht und die haben mich meinem Traum von einem eigenen Zirkus nähergebracht.
Wie gelingt es Ihnen, die Menschen immer neu zu verzaubern? FREDERIC ZIPPERLIN: Das ist ein bisschen wie kochen. In einem gutenRestaurantgibtesverschiedene Gerichte, aber das Können des Kochs ist entscheidend. Der guteKoch,dassindunsereKünstler.Wirhabeneininternationalerfahrenes Ensemble und virtuose Musiker. Wenn die Zutaten gut sind, dann gelingt auch die Show und die Leute kommen wieder. Eine Garantie gibt es nicht. Ob das Programm die Menschen wirklich begeistert, wissen wir immer erst nach der Premiere.
„ Unsere Kunst ist nicht elitär, sondern populär. Lustig. Melancholisch, mitreißend.“
Mit einem Tiger schlafen: