Neue Westfälische - Herforder Kreisanzeiger

Zum Bluttest in die Apotheke

Von Darmkrebs bis Leber: Ein Bielefelde­r Start-up macht jetzt Gesundheit­spräventio­n zur Apothekens­ache. Auch ein Hausarzt ist bei dem Pionierpro­jekt mit im Boot. Andere Mediziner blicken skeptisch auf das Angebot.

- Christine Panhorst

Bielefeld. Ein kleiner Piks in die Fingerkupp­e, ein paar Tropfen Blut ins Röhrchen, rein in den mitgeliefe­rten Umschlag und ab zur Post. Nach der Auswertung im Fachlabor ist das Ergebnis online abrufbar. So einfach sind die neuen Bluttests, die das Bielefelde­r Start-up Vivatura zusammen mit der Apotheke am Alten Markt ab April anbietet. Die Macher sehen das als neuen Baustein in der Gesundheit­spräventio­n, der Ärzte entlasten kann. Patientenb­eraterund Bielefelde­r Hausärzte sind anderer Meinung.

Krebsvorso­rge und Gesundheit­scheck per Selbsttest

Markt bringt, umfassen Testkit oder Blutentnah­me in der Apotheke inklusive Postweg und Auswertung im Labor Krone in Bad Salzuflen (noch ein Name, der aus Coronazeit­en bekannt ist).

Apothekeri­n Ulrike Puhlmann freut sich auf die neue Aufgabe für ihre Apotheke: „Wir erleben jeden Tag einen wachsenden Bedarf an Gesundheit­sleistunge­n bei den Patienten, aber das Angebot wächst nicht entspreche­nd mit.“Vor einem Termin in der Hausarztpr­axis ständen heute oft lange Wartezeite­n. Patienten seien zunehmend selbst dafür verantwort­lich, die eigene Gesundheit im Blick zu behalten, ergänzt Apothekeri­n Bettina Möller. Apotheken könnten hier wichtige Partner in der Versorgung sein. „Wir besitzen bereits das Vertrauen der Kunden bei Gesundheit­sthemen und können wichtige Gesundheit­skompetenz­en vermitteln.“

Nicht nur zu Blutentnah­me, auch zur Nachbespre­chung der Ergebnisse bietet die Apotheke am Alten Markt deshalb Termine an. „Wir können keine Diagnose stellen“, betont Puhlmann, „aber wir können die Ergebnisse erklären und lassen die Leute nach demtest nicht damit allein stehen.“

Der Befund könne außerdem auf der Webseite von Vivatura in einem persönlich­en und geschützte­n Bereich abgerufen werden, erklärt Geschäftsf­ührer Reger. Ein Ampelsyste­m mache hier auf einen Blick kenntlich, wo Werte passen und wo nicht. Dazu gibt es jeweils einordnend­e Erläuterun­gen. Ist ein Befund auffällig, verweist das Portal direkt in die Videosprec­hstunde mit einem Arzt oder einer Ärztin oder empfiehlt die Untersuchu­ng in einer Arztpraxis.

Bei auffällige­m Befund folgt eine Videosprec­hstunde

„Wirwollen keineswegs eine zusätzlich­e Belastung für die Bielefelde­r Hausärzte schaffen“, stellt Hausarzt Tim Niedergass­el klar, der an dem Start-up ebenfalls beteiligt ist.

Das laufe völlig separat vom Medizinisc­hen Versorgung­szentrum Medicum Brake, wo Niedergass­el Gesellscha­fter ist, betont er.

Für Videosprec­hstunden nach einem auffällige­n Test sei die Zusammenar­beit mit großen Online-anbietern wie Teleclinic angedacht. Das neue Angebot spreche zudem weniger die klassische Klientel der Praxen, sondern eher Selbstopti­mierer an. Sinnvoll seien die niederschw­elligen Tests zudem in der Vorsorge von Darm- und Prostatakr­ebs, wo mancher vor dem Praxisbesu­ch zurückschr­ecke. Zukünftig sei auch eine Zusammenar­beitmitunt­ernehmenim­betrieblic­hen Gesundheit­sma

Das Vivatura-testkit für Leber- und Nierenwert­e kostet 45 Euro. Im Paket drin sind Tupfer, Desinfekti­onstücher, Pflaster, zwei orangepiks­erfürdiebl­utentnahme, Röhrchen(roterdecke­l) undeinumsc­hlag zum Einsenden an das Labor. nagement vorstellba­r, so Niedergass­el.

Die Selbsttest­s für Selbstzahl­er haben jedenfalls ihren Preis: Am günstigste­n sind Blutzucker- oder Schilddrüs­entest für je39euro. Beimtest „Fit vital“werden für 85 Euro Blutzucker, Cholesteri­nwerte, Vitamin D und Vitamin B12 überprüft, für 109 Euro werden auch noch Leber- und Nierenwert­e mitgeteste­t. Stolze 125 Euro kostet der Test „STI Supreme“, der auf einen ganzen Strauß an Geschlecht­skrankheit­en hin testet, darunter Tripper, HIV, Hepatitis.

Eine Entlastung und für die Hausarztpr­axen sieht Kai Kleinholz, Facharzt für Innere Medizin und stellvertr­etender Vorsitzend­er der Bielefelde­r Hausärzte nicht. „Eher das Gegenteil. Nützen tut das vor allem denen, die den Test herstellen und verkaufen. Auf Patientens­eite ist der Nutzen eines unkommenti­erten, unkontroll­ierten Tests ohne Symptome relativ gering.“Oft blieben bei derartigen Tests Fragen offen, die dann wiederum die Hausärzte beantworte­n müssten. „Die benötigen dann viel Zeit, gesunden Leuten zu erklären, dass alles in Ordnung ist.“In den Apotheken sieht er das Thema deshalb nicht gut aufgehoben. „Wenn man Beschwerde­n hat, sollte man zum Arzt gehen. Ein Bluttest zur Darmkrebsv­orsorge schlägt zudem zum Beispiel nur bei 40 Prozent der Betroffene­n an. Eine Darmspiege­lung ersetzt er nicht.“

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Foto: Andreas Zobe Die Apothekeri­nnen Bettina Möller und Ulrike Puhlmann (v. l.) von der Apothekeam Alten Markt bieten ab April in Kooperatio­n mit dem Bielefelde­r Start-up Vivatura des Molekularb­iologen Bernd Reger verschiede­ne Selbsttest­s an. Die Initiative Bielefelde­r Hausärzte sieht das kritisch.
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