Neue Westfälische - Herforder Kreisanzeiger
Zum Bluttest in die Apotheke
Von Darmkrebs bis Leber: Ein Bielefelder Start-up macht jetzt Gesundheitsprävention zur Apothekensache. Auch ein Hausarzt ist bei dem Pionierprojekt mit im Boot. Andere Mediziner blicken skeptisch auf das Angebot.
Bielefeld. Ein kleiner Piks in die Fingerkuppe, ein paar Tropfen Blut ins Röhrchen, rein in den mitgelieferten Umschlag und ab zur Post. Nach der Auswertung im Fachlabor ist das Ergebnis online abrufbar. So einfach sind die neuen Bluttests, die das Bielefelder Start-up Vivatura zusammen mit der Apotheke am Alten Markt ab April anbietet. Die Macher sehen das als neuen Baustein in der Gesundheitsprävention, der Ärzte entlasten kann. Patientenberaterund Bielefelder Hausärzte sind anderer Meinung.
Krebsvorsorge und Gesundheitscheck per Selbsttest
Markt bringt, umfassen Testkit oder Blutentnahme in der Apotheke inklusive Postweg und Auswertung im Labor Krone in Bad Salzuflen (noch ein Name, der aus Coronazeiten bekannt ist).
Apothekerin Ulrike Puhlmann freut sich auf die neue Aufgabe für ihre Apotheke: „Wir erleben jeden Tag einen wachsenden Bedarf an Gesundheitsleistungen bei den Patienten, aber das Angebot wächst nicht entsprechend mit.“Vor einem Termin in der Hausarztpraxis ständen heute oft lange Wartezeiten. Patienten seien zunehmend selbst dafür verantwortlich, die eigene Gesundheit im Blick zu behalten, ergänzt Apothekerin Bettina Möller. Apotheken könnten hier wichtige Partner in der Versorgung sein. „Wir besitzen bereits das Vertrauen der Kunden bei Gesundheitsthemen und können wichtige Gesundheitskompetenzen vermitteln.“
Nicht nur zu Blutentnahme, auch zur Nachbesprechung der Ergebnisse bietet die Apotheke am Alten Markt deshalb Termine an. „Wir können keine Diagnose stellen“, betont Puhlmann, „aber wir können die Ergebnisse erklären und lassen die Leute nach demtest nicht damit allein stehen.“
Der Befund könne außerdem auf der Webseite von Vivatura in einem persönlichen und geschützten Bereich abgerufen werden, erklärt Geschäftsführer Reger. Ein Ampelsystem mache hier auf einen Blick kenntlich, wo Werte passen und wo nicht. Dazu gibt es jeweils einordnende Erläuterungen. Ist ein Befund auffällig, verweist das Portal direkt in die Videosprechstunde mit einem Arzt oder einer Ärztin oder empfiehlt die Untersuchung in einer Arztpraxis.
Bei auffälligem Befund folgt eine Videosprechstunde
„Wirwollen keineswegs eine zusätzliche Belastung für die Bielefelder Hausärzte schaffen“, stellt Hausarzt Tim Niedergassel klar, der an dem Start-up ebenfalls beteiligt ist.
Das laufe völlig separat vom Medizinischen Versorgungszentrum Medicum Brake, wo Niedergassel Gesellschafter ist, betont er.
Für Videosprechstunden nach einem auffälligen Test sei die Zusammenarbeit mit großen Online-anbietern wie Teleclinic angedacht. Das neue Angebot spreche zudem weniger die klassische Klientel der Praxen, sondern eher Selbstoptimierer an. Sinnvoll seien die niederschwelligen Tests zudem in der Vorsorge von Darm- und Prostatakrebs, wo mancher vor dem Praxisbesuch zurückschrecke. Zukünftig sei auch eine Zusammenarbeitmitunternehmenimbetrieblichen Gesundheitsma
Das Vivatura-testkit für Leber- und Nierenwerte kostet 45 Euro. Im Paket drin sind Tupfer, Desinfektionstücher, Pflaster, zwei orangepikserfürdieblutentnahme, Röhrchen(roterdeckel) undeinumschlag zum Einsenden an das Labor. nagement vorstellbar, so Niedergassel.
Die Selbsttests für Selbstzahler haben jedenfalls ihren Preis: Am günstigsten sind Blutzucker- oder Schilddrüsentest für je39euro. Beimtest „Fit vital“werden für 85 Euro Blutzucker, Cholesterinwerte, Vitamin D und Vitamin B12 überprüft, für 109 Euro werden auch noch Leber- und Nierenwerte mitgetestet. Stolze 125 Euro kostet der Test „STI Supreme“, der auf einen ganzen Strauß an Geschlechtskrankheiten hin testet, darunter Tripper, HIV, Hepatitis.
Eine Entlastung und für die Hausarztpraxen sieht Kai Kleinholz, Facharzt für Innere Medizin und stellvertretender Vorsitzender der Bielefelder Hausärzte nicht. „Eher das Gegenteil. Nützen tut das vor allem denen, die den Test herstellen und verkaufen. Auf Patientenseite ist der Nutzen eines unkommentierten, unkontrollierten Tests ohne Symptome relativ gering.“Oft blieben bei derartigen Tests Fragen offen, die dann wiederum die Hausärzte beantworten müssten. „Die benötigen dann viel Zeit, gesunden Leuten zu erklären, dass alles in Ordnung ist.“In den Apotheken sieht er das Thema deshalb nicht gut aufgehoben. „Wenn man Beschwerden hat, sollte man zum Arzt gehen. Ein Bluttest zur Darmkrebsvorsorge schlägt zudem zum Beispiel nur bei 40 Prozent der Betroffenen an. Eine Darmspiegelung ersetzt er nicht.“