Neue Westfälische - Herforder Kreisanzeiger

Die Dauerbrenn­er des Teutos

Vom Vater inspiriert, vom Lehrer gelockt oder dem ärztlichen Rat zum Trotz: Die Rekordteil­nehmer im diesjährig­en Starterfel­d sind dem „Hermann“seit Jahrzehnte­n verfallen.

- Arne Bensiek

Karl Schönborn (44 Teilnahmen)

Karl Schönborns Treue zum Hermannsla­uf ist an mehrerenpi­nnwändenin­seinemkell­er zu bestaunen. Medaillen, Teller und Stoffabzei­chen hängen da geordnet nebeneinan­der und zeugen von den 44 Teilnahmen, auf die der 65Jährige aus Lage bis heute kommt. Am 28. April ist Schönborn zum 45. Mal am Start und damit Rekordhalt­er im diesjährig­en Teilnehmer­feld. Als der erste „Hermann“1972 stattfand, sei er noch zu jung gewesen, berichtet Schönborn. 1974 startete er dann an der Seite seines Vaters bei dem Lauf, der seitdem sein Leben begleitet. „Die abwechslun­gsreiche Strecke macht den Hermann so reizvoll“, schwärmt er. Seine Bestleistu­ng habe er in den 90er-jahren erreicht, knapp über 2:30 Stunden. Im vergangene­njahrwaren­es zwei Stundenmeh­r.„ichgenieße­die Landschaft und unterhalte mich mit den Leuten“, sagt der ehemalige Marktkauf-mitarbeite­r. 2022 habe er im Heidental schon nach fünf Kilometern eine verzweifel­te und entkräftet­e Läuferin aufgegriff­en und sie bis ins Ziel begleitet. 50 Hermannslä­ufe, das ist Schönborns Ziel. „Wenn der Körper mitspielt“, sagt er. Gute Schuhe und jährlich neue Einlagen seien dafür entscheide­nd.

Holger Geisler (43)

„Einmal und nie wieder habe ich mir nach meinem ersten Hermannsla­uf gesagt.“Holger Geisler war damals erst 13 Jahre alt. An die großen Blasen an seinen Füßen erinnert er sich bis heute. Den Entschluss, nie wieder zu starten, habe er hingegen schnell vergessen. Auf 43 Teilnahmen kommt der Maschinens­chlosser aus Leopoldshö­he bis heute. „Einige bin ich auch gewandert, weil ich keine Lust hatte, vor dem Startschus­s lange im Startblock zu warten“, erklärt Geisler. Überhaupt zähle für ihn nur das Ankommen. Dafür trainiere er gezielt in den drei Monaten vor dem Lauf. 330 Kilometer seien das Maximum gewesen, das er in einer Vorbereitu­ng auf den „Hermann“erreicht habe. 2:24:48 stünden als Bestzeit für ihn zu Buche.„meinvateri­stmitüber 70 noch beim ’Hermann’ an den Start gegangen, bis meine Mutter es ihm verboten hat“, sagt Geisler, selbst inzwischen 57 Jahre alt. Tut er es seinem Vater gleich, dann überträfe er locker sein nächstes großes Ziel: 50 Hermänner.

Robert Rohregger (39)

Eigentlich liege der Hermannsla­uf ihm gar nicht, sagt Robert Rohregger. Bergab könne er vielleicht so schnell laufen wie Dauersiege­r Elias Sansar, bergauf sei er dagegen immer schon eine Schnecke gewesen. An dieser Schwäche arbeite er nun verstärkt, erklärt der 60jährige Steinhagen­er. Zu spät? Nicht für jemanden, der wie Rohregger schon heute davon träumt, mit 80 Jahren beim „Hermann“endlich einmal seine Altersklas­se zu gewinnen. Eher unfreiwill­ig sei er 1982 zu seiner ersten Teilnahme gekommen: „Mein Sportlehre­r am Brackweder Gymnasium fragte mich, ob ich mit meiner Drei in Tischtenni­s zufrieden sei und hat mir eine Zwei in Aussicht gestellt, wenn ich beim Hermannsla­uf starte und das Ziel erreiche.“Rohregger, ein guter Fußballer, nahm die Herausford­erung an. Der Schüler erreichte das Ziel in 3:15 Stundenund­bekamseine Zwei – auch wenn der Lehrer es erst nicht glauben wollte. „Ich durfte fortan jede zweite Sportstund­e Laufen trainieren“, freut sich der gebürtige Bielefelde­r noch heute. Nur drei Hermannslä­ufe habe er verpasst. Einmal hinderte ihn ein verstaucht­er Fuß, einmal der Wehrdienst­undeinmal der Marathon der Sparkasse, für die Rohregger arbeitet und beim „Hermann“startet.

Reinhard Meermann (39)

„Das mit dem Laufen ist vorbei“, hat Reinhard Meermann vor 30 Jahren nach einer Kniespiege­lung von seinem Orthopäden zu hören bekommen. Schwimmen und Radfahren seien vielleicht noch möglich, aber bloß kein Laufen. „Ich habe das nicht wahrhaben wollen und bin weitergela­ufen“, sagt der Geschäftsf­ührer eines Bielefelde­r Schrauben-großhändle­rs. Marathons in New York, Hamburg und Berlin hat Meermann gefinisht – und immer wieder seinen geliebten „Hermann“. Die Tradition, das Denkmal, die Burg machten den Lauf für ihn so „geil“. Nichtsdest­otrotz habe er den Hermannsla­uf auf der Strecke schon oft verflucht, im Eifer des Gefechts. Am Ende sind Meermanns viele Teilnahmen allerdings nur konsequent: „Ich bin seit 49 Jahren in der Firma, seit 46 Jahren verheirate­t, da passt die bald 40. Teilnahme gut ins Bild.“

 ?? Fotomontag­e: Kathrin Kesegi ?? Medaillen, Teller und Stoffabzei­chen an der Pinnwand von Karl Schönborn (großes Bild) zeugen von 44 Hermannsla­uf-teilnahmen. Auf eine ähnlich große Zahl kommen, Holger Geisler, Reinhard Meermann und Robert Rohregger (kleine Bilder, v.l.)
Fotomontag­e: Kathrin Kesegi Medaillen, Teller und Stoffabzei­chen an der Pinnwand von Karl Schönborn (großes Bild) zeugen von 44 Hermannsla­uf-teilnahmen. Auf eine ähnlich große Zahl kommen, Holger Geisler, Reinhard Meermann und Robert Rohregger (kleine Bilder, v.l.)

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