Neue Westfälische - Herforder Kreisanzeiger
Straftäter werden immer jünger
■ Die Herforder Polizei hat einen gefährlichen Trend beobachtet.
■ Beispiele für kriminelle Jugendliche gibt es in Herford einige – auch für gravierende Straftaten.
Eine erschreckende Entwicklung verbirgt sich hinter den Zahlen der neuen Kriminalitätsstatistik für den Kreis Herford: Immer mehr Jugendliche und zum Teil auch Kinder werden zu Straftätern. 23 Prozent der Tatverdächtigen waren 2023 jünger als 21 Jahre. Bei den Jüngsten, den 6- bis 14-Jährigen, hat die Polizei Herford in den vergangenen vier Jahren einen Anstieg der Straftaten um 89 Prozent errechnet. Bei den 14- bis 18-Jährigen sind die Straftaten um 34 Prozent angestiegen. Bei den 18- bis 21-Jährigen sind sie nahezu gleich geblieben.
Ein krasses Beispiel für solch junge Täter gab es erst kürzlich. Im März waren der Netto-Markt an der Mozartstraße sowie eine Tankstelle an der Engerstraße überfallen worden. Verdächtigt wird ein Jugendlicher, der zudem der
Polizei bekannt ist. Im September 2022 soll er als 15-Jähriger die Avia-Tankstelle an der Mindener Straße überfallen haben. Wegen dieses Überfalls und wegen weiterer kleinerer Delikte war er vom Herforder Jugendschöffengericht zu einer Bewährungsstrafe von zehn Monaten verurteilt worden. Zuletzt lebte der Jugendliche in einem Wohnwagen nahe der Herforder Nordstadt.
Ein weiteres Beispiel für Jugendkriminalität wird zurzeit vor Gericht verhandelt und zeichnet sich durch eine besondere Form der Brutalität aus: So wurden nach einer Disco-Nacht im Jahr 2022 mehrere Männer vor dem Go-Parc von einer Gruppe Jugendlicher zusammengeschlagen. Gegen zwei mutmaßliche Täter wird nun verhandelt, einer soll zur Tatzeit 16 Jahre alt gewesen sein.
Die Männer sollen auf ihre Opfer eingeschlagen und eingetreten haben, als diese bereits regungslos am Boden lagen und so den Tod der Opfer billigend in Kauf genommen haben, heißt es in der Anklage.
Beide Beispiele sind herausragend, weil die Taten gravierend sind. Auch das hat die Herforder Polizei festgestellt: Die Taten gehen oft weit über so genannte „dumme Jungenstreiche“hinaus. Klauten Jugendliche früher Kleinigkeiten im Geschäft, haben sie heute mit ihren Handys ganz andere Möglichkeiten, Straftaten zu begehen. „Ein gesamtgesellschaftliches Problem“, nennt das Andreas Meyer, Leiter der Direktion Kriminalität.
Der vermutet, dass junge Menschen mittlerweile früher erwachsener werden. NRWweit ist zudem festzustellen, dass Jugendliche gewalttätiger geworden sind. So sagt der NRW-Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Erich Rettinghaus: „Wir stellen fest, dass Konflikte unter Jugendlichen immer öfter nicht kommunikativ, sondern mit Gewalt gelöst werden.“
Mit Sicherheit korrespondiert diese Entwicklung aber auch mit einer anderen: den Problemen in den Bereichen von Schulen und Kindertagesstätten. Auf beiden Ebenen wird Personalmangel beklagt, auf die Bedürfnisse der Kinder könne nicht mehr richtig eingegangen werden. Zudem stellen auch Lehrer vermehrt fest, dass Kinder immer höhere Bedarfe haben und eigentlich mehr Aufmerksamkeit benötigen.
Wer verhindern will, dass Kinder und Jugendliche auf die schiefe Bahn gelangen, muss hier ansetzen. Nur wenn junge Menschen in der Schule gut aufgehoben sind und dort mitgenommen werden, haben sie eine Chance auf ein gutes Leben. Und müssen nicht kriminell werden.