Neue Westfälische - Herforder Kreisanzeiger

Der FC Bayern spricht schon vomfinale

Der Königsklas­sen-abend mit einem verrückten Arsenal-handspiel katapultie­rt den zuvor straucheln­den Rekordmeis­ter plötzlich wieder in den Titelmodus. Nur Trainer Tuchel verweist auf das ausstehend­e Rückspiel.

- Marco Mader und Felix Neubauer

London. Als Jan-christian Dreesen schwelgeri­sch den Geist von Wembley 2013 beschwor, konnte auch Thomas Tuchel den Alltagsfru­st und seinen Schiri-ärger für einige sorglose Momente vergessen. Unter schweren Kronleucht­ern im Grand Ballroom des viktoriani­sch-noblen Hotels The Landmark schlürfte der Bayern-trainer entspannt seine Eiswürfel-cola, während sich Boss Dreesen die triumphale Rückkehr an den Ort der schönsten ChampionsL­eague-erinnerung­en ausmalte. „Natürlich lebt heute der Traum weiter“, rief er der „lieben Bayern-familie“mit Blick auf das Finale am 1. Juni im englischen Fußball-tempel zu und tönte: In dieser Verfassung „muss sich jeder in Europa vor uns in Acht nehmen“. Auch die Spektakel-kicker von Rekordsieg­er Realmadrid­oder Titelverte­idiger Manchester City in einem möglichen Halbfinale. Denn: „Totgesagte leben länger.“Über langsam gegartem Rindfleisc­h und gebratenem Wolfsbarsc­h wollte Dreesen an Tisch 7 gar nicht mehr aufhören den siebten Coup in der Königsklas­se herbeizuse­hnen. „Das ist das wahre Gesicht des FC Bayern!“, rief er nach dem 2:2 (2:1) bei Premier-league-spitzenrei­ter FC Arsenal über das Silberbest­eck hinweg: „Das wollen wir von euch, liebe Mannschaft, noch viel, viel öfter sehen!“

Dann scheint der nächste Coup keine Utopie, obwohl Tuchel die Ausgangsla­ge vor dem Rückspiel ohne den abermals verletzten Pechvogel Serge Gnabry und Alphonso Davies (Gelbsperre) nüchterner einschätzt­e. „Es ist erst Halbzeit“, mahnte der Coach – wohl wissend, dass seine Mannschaft „diese Leidenscha­ft, dieses Verlangen, diese Gier“auch in München noch einmal zeigen muss.

Die „besondere“Unterkunft nahe des königliche­n Regent’s Park, meinte Vorstandsc­hef Dreesen, solle das ach so wankelmüti­ge Team „inspiriere­n, wieder diesen Geist aufleben zu lassen“von vor bald elf Jahren. Auch damals beim Triumph in Wembley über Dortmund wohnten Manuel Neuer, Thomasmüll­erundco. im Landmark. Reiseleite­r Dreesen hat die Fünf-sterneHerb­erge für 31. Mai bis 2. Juni sicher schon geblockt. „Ihr packt es! Gemeinsam packen wir das!“, rief er.

Auch Tuchel genoss die Rückkehr an seine frühere Wahlheimat als Chelsea-trainer sichtlich. Das graue LigaLeben schien weit weg, die

Champions League ist ihm eh die liebste Bühne. Hier gelang es dem kämpferisc­hen 50-Jährigen, seine Mannschaft zu einemersta­unlichenau­ftrittzu inspiriere­n, die ihr viele nicht mehr zugetraut hatten. Sportvorst­and Max Eberl sah nach der „sehr erwachsene­n“Leistung den „Beweis“erbracht, dass der im Sommer scheidende Tuchel seine Stars sehr wohl noch erreiche. „Ein Stück weit befremdlic­h“fand er deshalb, dass er gefragt wurde, ob der am Samstag gegen Köln gesperrte Tuchel denn auch im Rückspiel sicher auf der Bank sitze. „Nach so einer Leistung sollte man sagen: Chapeau vor der Leistung des Trainers und der Mannschaft!“Matthias

Sammer tat dies. „Wir sollten auch mal unseren deutschen Trainer loben, der hat so viel auf die Nuss bekommen“, meinte der Bvb-berater und betonte: „Das war heute eine taktische Meisterlei­stung.“

Nach den Toren von Gnabry (18.), der eine Oberschenk­elblessur erlitt, und Harry Kane (32., Foulelfmet­er) war sogar ein Sieg drin. Dochschied­srichter Glenn Nyberg verwehrte dem Rekordmeis­ter in einer kuriosen Szene einen weiteren Elfmeter, als Arsenal-verteidige­r Gabriel den Ball nach einem verwirrend­en AbstoßPfif­f des Schweden in die Hand nahm (66.). „Extrem arm“, polterte Tuchel wegen des „Riesenfehl­ers“des Unparteiis­chen. Doch Nyberg meinte laut Joshua Kimmich, wegen Gabriels „Kinderfehl­er“habe er die Gunners nicht bestrafen wollen. „Das ist verrückt“, sagte Kane fassungslo­s. Aber „im Sinne des Fußballs“, wie Experte Lutz Wagner meinte, womöglich richtig. Wie die Entscheidu­ng auf Weiterspie­len in der Nachspielz­eit, als Bukayo Saka gegen Manuel Neuer allzu gewollt abhob.

So oder so: Der Glaube an ein baldiges Wiedersehe­n in London war bei allen Münchnern groß. „In meinem Nationalst­adion zu spielen“, sagte der „alte Arsenal-feind“(Daily Express) Kane sehnsuchts­voll, „ist ein großer Traum. Und der Traum lebt.“

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Foto: imago images Münchens Harry Kane steuert sein Tor zum 2:2 gegen Arsenal bei und träumt von einer Rückkehr nach Wembley.

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