Neue Westfälische - Herforder Kreisanzeiger
Dramödie im Schatten der Mauer
Mit „Good Bye, Lenin“endet die Theaterspielzeit 2023/24 – fast, denn im Juli gibt es zur Fußball-em noch einen Nachschlag umsonst und draußen.
Herford. Auf dem Weg zum 40. Geburtstag der DDR sieht Christiane Kerner, die davon träumt densozialismus in kleinen Schritten besser zu machen, wie ihr Sohn bei einer Wir-sind-das-volk-demo im Oktober 1989 verhaftet wird. Sie kippt um, fällt ins Koma, verschläftmauerfallundddrEndeerwacht achtmonate später in einer Welt ohne Spreegurken aber mit Kohl. Um sie zu schonen versucht ihr Sohn das Ende der DDR vor ihr in einer nostalgischen Real-lifeNachinszenierung zu verbergen.
2003 wurde der Film „Good Bye, Lenin“mit seiner Mischung aus Drama und leiser Komödie zu einem Riesenerfolg im Kino. Jetzt präsentiert die Burghofbühne Dinslaken die Theaterfassung von Bernd Lichtenberg unter der Regie von Maja Delinic im Theater. Anders als im Film, der sich auf die Beziehung zwischen Mutter und Sohn Alex konzentriert, funktioniert das Stück eher als Ensemblestück.
Statt Ddr-piefigkeit auf zwölf Quadratmetern, auf denen Alex seine Mutter von der veränderten Welt fernhalten will, dominiert auf der Bühne eine riesige Berlinermauer, die sich zwar hin- und wieder öffnet, aber doch dastreiben in ihrem Schatten beinahe erdrückt.
Obwohl über weite Strecken in Träumen von Jury Gagarin und Sandmännchen gefangenund zu Sprach- und Bewegungslosigkeit verdammt, ist Mutter Christiane (Friederike Bellstedt) die zentrale Figur, um die sich alles dreht.
Tochter Ariane (Norhild Reinicke) hat das Studium geschmissen und brät jetzt (West-)burger, Sohn Alex (Linus Scherz) ist arbeitslos, tut aber allesumseiner Mutter das Fortbestehen der DDR vorzugaukeln. Mit Hilfe seines Freundes Denis (Markus Penne), einemamateurfilmer, der sogar Ddr-nachrichtensensendungen nachinszeniert, lässt Alex die DDR aus den noch frischen Ruinen auferstehen. Die Handlung ist nah am Film, allerdings treiben drei Nachbarn die Handlung voran, holen Nach-wende-themen wie den Einfall der Wessis nach Ost-berlin, Arbeitslosigkeit oder die Entwertung von 40 Jahre gelebten Ost-lebens auf die Bühne.
Ein Auftritt von Alex’ NeuSchwager Rainer (Matthias Guggenberger) mit blankem Po, Alex verzweifelte Jagd nach Spreewaldgurken oder der Auftritt eines Pionierchores mit dem, seichten Lied „Unsere Heimat“sorgen für Lacher. Ruhige Momente sind eher die
Ausnahme. So geht beinahe unter, dass Mutter Christiane ihrem in den Westen geflohenen Mann (Arno Kempf) eigentlich folgen wollte, aber aus Angst um ihre Kinder und vor Repression keinen Ausreiseantrag stellte. So lupenrein scheint ihr Glauben an die DDR doch nicht gewesen zu sein. Auch die Kinder müssen also das Bild von der Mutter als Vorzeige-sozialistin korrigieren. Sie stirbt nach ihrem Geburtstagsfest im Garten der
Datsche im Grünen und im Kreis der Familie, inklusive ihres Ex-mannes, den Ariane im Westen aufgespürt und eingeladen hatte. Ariane hatte die Mutter allerdings zuvor über dierealität aufgeklärt. Es ist also Alex, der die DDR ein letztes Mal inszeniert und an „seiner“Wirklichkeit festhält.
Die Filmideen, von denen Denis hin und wieder träumt, erinnern an „Matrix“oder die „Truman Show“mit ihren Visionen vom Leben in virtuellen Realitäten. Im Stück bleibt die Frage nach dem Leben in einer falschen Realität ebenso im Hintergrund, wie die Frage nach dem Scheitern persönlicher Utopien und dem Umgang damit. Was bleibt ist eine schwungvollen Familiengeschichte und die Frage, was Ariane und Alex heute tun.
Ganz zu Ende ist die Theatersaison nicht: Zur FußballEmheißtesamsamstag, 13. Juli, ab 16 Uhr Anpfiff für „La Partida“. Am Friedrichs-gymnasium bringt die Compagnie „Vero Cendoya“aus Barcelona Tanz und Fußball zusammen. Eintritt frei.